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Botanische Gärten im RheinlandIn der Kölner Flora warten Geheimnisse der Botanik

Lesezeit 8 Minuten
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Die Flora in Köln 

  • Unsere heutige Landpartie führt in die Kölner Flora.
  • Hier führt Gartenchef Stephan Anhalt in verwunschene Ecken, zeigt Unerwartetes wie die Palmenallee und lüftet Geheimnisse der Botanik.

Köln – Seine Geschichte beginnt mit einem Loch in der Mitte. Kreisrund ist es in die rote Sandsteinmauer gemeißelt, die Flora und Botanischen Garten trennt. Durchs Guckloch kann, wer will, einen Blick auf die andere Seite werfen. 50 Jahre nach der Fertigstellung der Flora, von gut betuchten Bürgern 1864 für ihresgleichen erbaut, wird der benachbarte Botanischen Garten am 14. August 1914 als kostenlose Bildungsstätte für Jedermann eröffnet. Seitdem gibt es das vielgestaltige Areal im Kölner Norden in seiner jetzigen Form.

Heute gehen Flora und Botanischer Garten ineinander über. Hier werden Besuchern die Geheimnisse der Pflanzenwelt nahegebracht, sie bieten Stille und Erholung – und einen Hauch von Glamour, immer noch. Wer im Botanischen Garten auf Entdeckungsreise geht, erlebt über 150 Jahre Zeit- und Gartenbaugeschichte. „Bei uns wachsen 13 000 Arten aus fünf Kontinenten“, sagt Flora-Chef Stephan Anhalt, während er durch das historischen Gittertor am Haupteingang geht.

Das Entree an dieser Stelle ist Pflicht für den Flora-Entdecker. Von hier aus hat man den besten Blick auf das weite Oval des französischen Barockparterre mit Fontaine und dem Flora-Palais dahinter. Zweimal im Jahr werden die Pflanzen ausgetauscht, neue, die die immer höheren Sommertemperaturen überstehen, kommen dazu. „Neue Sorten sprechen wir mit dem Denkmalschutz ab“, sagt Anhalt.

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Zu schwül für die Tanzgesellschaft

Seinem Vorbild sehr nahe kommt auch das Flora-Festhaus. Sein Tonnengewölbe ähnelt dem Wintergartenpalais, im dem sich ab 1864 reiche Kölner tummelten. Die hatten zu seiner Finanzierung eine Aktiengesellschaft gegründet. Nach einer sensationell kurzen Bauzeit von nur eineinhalb Jahren war die ganze Flora fertig. „Nur mit der tropischen Bepflanzung, da hatte man sich verkalkuliert“, erzählt Anhalt amüsiert. „Das Klima unter den Glasdächern war viel zu schwül zum Tanzen und für ausgiebige Bankette.“

Heute können Besucher auf der westlichen Terrasse im Gartenlokal „Dank Augusta“ Speisen im Weckglas genießen – mit Blick auf Kaskaden im Stil der italienischen Renaissance. In den mehr als 150 Jahre alten Laubengängen ist es im Sommer fünf Grad kühler, hat Anhalt gemessen. „Damit weiß man alles über den Wert von Bäumen fürs Stadtklima.“ Spannend sind auch die Farbbeete neben dem Festhaus: Nutzpflanzen wachsen mit Blumen aus einem Farbspektrum im Beet.

Auch die Nase bekommt ihre Erlebnisse

Im westlichen Teil der Flora lockt der Duftgarten. Hier lernt man, dass der Lavendel nicht wegen der Bienen so betörend duftet. „Er will nicht vertrocknen“, sagt Anhalt. Deshalb baut die Pflanze bereits in den Morgenstunden eine Ölglocke auf, als Schutz vor Verdunstung.“ Weiter unten, am See des Englischen Gartens, ragt ein Mammutbaum empor.

Wie bei einer Heiligenstatue ist eine Stelle der Rinde blank gerieben. Die Schicht darunter fühlt sich an wie Gummi. Und ist der perfekte Schutz bei Waldbränden. „Die Schicht ist so kompakt, dass kein Sauerstoff dazwischen passt – sie kann nicht brennen“, erklärt Anhalt eines von vielen Wundern des Pflanzenreichs.

Viele Wunder im Pflanzenreich zu entdecken

Von denen ist er auch nach über 25 Jahren im Botanischen Garten noch fasziniert. Dabei war er 1994 von der Uni kommend ins Flora-Team eigentlich nur reingerutscht. Seit 2000 leitet er die Flora. Und hat viele Ideen. Eine Wildblumenwiese, die nicht gemäht wird, um Insekten Lebensräume zu bieten etwa. „Das war vor 20 Jahren sehr ungewöhnlich“, erinnert er sich. Die Wiese liegt neben der Palmenallee. Auch so ein Projekt.

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Ein Mitarbeiter hatte insgeheim Palmensetzlinge in Kübeln großgezogen, der Chef war Feuer und Flamme. „Im Mai 2008 haben wir die erste Palmenallee in Europa nördlich der Alpen gepflanzt. Im Winter waren es dann minus 19 Grad.“ Dicke Gazeverpackungen sollen die jungen Palmen schützen. „Im nächsten Jahr waren es minus 20 Grad“, erzählt der 61-Jährige lakonisch. „Wir haben sie trotzdem groß bekommen. Das klappt nur mit einem Team, das sich wirklich für Pflanzen interessiert.“

Bald eröffnen auch die neuen Gewächshäuser

Schon sehr bald dagegen kommt auf die 25 Gärtner und Gärtnerinnen und die 17 Flora-Azubis jede Menge zusätzliche Arbeit zu. Die neuen, bis zu 17 Meter hohen Schaugewächshäuser sind fertig verglast, demnächst werden seltene Pflanzen eingesetzt. Schautafeln zeigen, wie der geplante tropische Höhenweg aussehen wird, erläutern das Konzept der Häuser.

Wenige Meter von der futuristischen Glaskonstruktion entfernt öffnet sich der Blick auf den nördlichen Bereich. Hier führen Pfade durch alten Baumbestand, zeigt ein Nutzgarten, wie Hopfen, Süßkartoffeln und Dinkel wachsen. Kinder können im Teich Frösche und Molche entdecken, es gibt einen Teil mit Medizinpflanzen. Blickfang im hinteren Teil des Gartens ist das Alpinum, eine stilisierte Gebirgslandschaft mit charakteristischen Pflanzenarten. Der Weiher vor der Felskulisse ist im Sommer mit rosafarbenen und weißen Seerosen übersäht. Ein Ort zum Innehalten. Verwunschen, aus der Zeit gefallen, wirkt er wie ein Gemälde von Monet.

Infos und Öffnungszeiten der Kölner Flora

Nach dem Stand der Sonne richten sich die Öffnungszeiten der von Peter Joseph Lenné gestaltete Flora. Ab 8 Uhr morgens ist sie an allen Tagen des Jahres geöffnete,   mit  Sonnenuntergang wird es geschlossen – spätestens um 21 Uhr. Aushänge geben die Schließzeit an. Der Eintritt ist frei. Die Gewächshäuser sind  im Bau.   Das Gartenlokal  ist mittwochs bis sonntags von 11.30 bis 19 Uhr geöffnet. 

Tipp: Flora-Chef Stephan Anhalt findet seinen Garten früh morgens  und an den Werktagen am schönsten. „Dann kommen nur  wenige Besucher,  die Natur  wirkt noch intensiver.“

Adresse: Alter Stammheimer Weg, 50735 Köln, Tel. 0221 560890

Weitere schöne Gärten in der Region

1.) „Kunst parallel zur Natur“ lautet das Motto von Museum Insel Hombroich. Das 21 Hektar große Areal umfasst ein Landschaftsschutzgebiet mit Wasserflächen, Feuchtgebieten, Waldstücken und großen alten Einzelbäumen. Es wird durch schmale geschotterte Wege erschlossen. Sie leiten den Besucher auch zu den begehbaren, teils als Ausstellungsgebäude genutzten Skulpturen. Um Kunst und Natur in ihrem natürlichen Kontext sinnlich erfahrbar zu machen, wird auf Beleuchtung und jegliche Didaktik verzichtet.

Geöffnet ist das Areal vom 1. April bis 30. September von 10 bis 19 Uhr, im Winterhalbjahr bis 17 Uhr. Am 24. und 25. Dezember sowie Sylvester und Neujahr ist es geschlossen. Der Eintritt beträgt wochentags 15 Euro, ermäßigt 7,50 Euro, an den Wochenenden sowie feiertags 20/10 Euro. Kinder bis sechs Jahre und Inhaber der Art:card haben freien Eintritt. Adresse: Minkel 2, 41472 Neuss, Tel. 02182 887 40 00, inselhombroich.de

2.) Das barocke Wasserschloss Dyck mit seinem historischen Park blieb über 900 Jahre im Besitz der Familie zu Salm-Reifferscheidt-Dyck, ehe es 1999 Zentrum für Gartenkunst und Landschaftskultur wurde. Der malerische Englische Landschaftsgarten ist 53 Hektar groß. Hier können Besucher über geschwungene Waldwege und schattige Alleen spazieren, ihren Blick über weite Wiesen, sanft modellierte Hügel und Wasserflächen schweifen lassen. Beeindruckend: uralte Solitärbäume aus dem 18. Jahrhundert und eine Hortensien-Sammlung mit 350 Sorten aus vielen Teilen der Erde. Einen Kontrast zum historischen Park bilden die Mustergärten in der Gartenpraxis; hier bekommt, wer möchte, Tipps zur Gestaltung des eigenen Gartens. In der Sommersaison ist der Park dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Die Tageskarte für Erwachsene kostet zehn Euro. Adresse: Schloss Dyck, 41363 Jüchen, Tel. 02182 82 40. stiftung-schloss-dyck.de

3.) Ob Biblischer Garten, Alpinum, Heidegarten, Bauerngarten oder Orangerie – im Botanischen Garten Solingen warten viele Themenbereiche auf pflanzenaffine Besucher. Hier können Orchideen in Schauvitrinen ebenso bestaunt werden wie ein Wildbienenlehrpfad oder der Märchenrosengarten. Einen Spielplatz und ein Gartenschachfeld gibt es auch. Vom 1. März bis 31. Oktober ist der Garten von 8 Uhr bis zur Dämmerung, maximal bis 20 Uhr, geöffnet. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Adresse: Vogelsang 2A, 42653 Solingen, Tel. 0212 530153 botanischer-garten-solingen.de

4.) Mit den Klever Gärten setzte sich der brandenburgische Statthalter im Herzogtum Kleve, Johann Moritz von Nassau-Siegen, ein Denkmal, das von Berlin bis Versailles vielfach als Anregung diente. Zentraler Punkt der außergewöhnlichen Parklandschaft ist der Sternberg, von dem zahlreiche Alleen ausgehen. Besonderer Blickfang ist das Amphitheater am Springenberg: Auf verschiedenen Terrassen spiegelt sich das Himmelsblau in Teichflächen. In der Mitte thront eine Statue der Pallas Athene. Ein 600 Meter langes Wasserbecken schafft einen weiteren „point de vue“; er lenkt den Blick über die Rheinebene zum Eltenberg. Adresse: Tiergartenstraße 74, 47533 Kleve, der Park ist frei zugänglich

5.)  Mehr als 4500 Holzarten waschen im 68 Hektar großen Rombergpark in Dortmund-Brünninghausen. Mit dieser Artenvielfalt ist der Botanische Garten als Arboretum weltweit bekannt. Hier finden Besucher unter anderem den chinesischen Taschentuchbaum, Sumpfzypressen und uralte Blutbuchen. Durch den Park führt ein Skulpturenweg, der am Eingang des neben dem Park liegenden Zoos mit dem Werk „Der Zoogucker“ beginnt. Die Köpfe von Giraffe, Steinbock und Schlange wurden aus über 100 Schülerarbeiten ausgewählt und in Bronze gegossen. Der Park ist rund um die Uhr 365 Tage im Jahr frei zugänglich. Adresse: Am Rombergpark 35a, 44225 Dortmund, Tel. 0231 50 24164 Rombergpark.dortmund.de

6.) 90 Meter über dem Niveau der Wupper liegt der älteste Park auf Wuppertaler Stadtgebiet: die 57 Hektar große Hardt. Ein dichtes Wegenetz führt die Besucher durch ausgedehnte Wiesen, zu Denkmälern, Blumenbeeten und vorbei an altem Baumbestand. Inmitten der Hardt liegt der Botanische Garten mit 4000 Pflanzenarten. Auf dem höchste Punkt des Areals bietet sich vom 21 Meter hohen Eisenturm, einer denkmalgeschützten ehemaligen Windmühle, ein weiter Blick über das Ruhrgebiet. Und auf die Hardt-Terrassen, einem großen Biergarten mit Selbstbedienung.

Der Botanische Garten ist von April bis September von 7.30 bis 19 Uhr geöffnet, von Oktober bis März schließt er bereits um 18 Uhr, von November bis Februar um 16.30 Uhr. An den Wochenenden und feiertags ist der Garten ab 9 Uhr geöffnet, Weihnachten, Sylvester und Neujahr ist er geschlossen. Adresse: Elisenhöhe/Otto-Schell-Weg, Wuppertal, der Elisenturm ist bei gutem Wetter sonntags von 15 bis 19 Uhr zugänglich, die Hardt-Terrassen sind bei schönem Wetter an den Wochenenden geöffnet. botanischer-garten-wuppertal.de

Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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