NRW wie in den AlpenDiese Wanderungen bieten hohe Gipfel und geniale Weitblicke

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Ausblick von der Korte Klippe am Baldeneysee. 

Den Baldeneysteig zu wandern, war die Idee. 26,7 Kilometer und 600 Höhenmeter im Anstieg, so die offiziellen Zahlen. Als sportlich Aktive und mit der Unerschrockenheit der Ahnungslosen glaubten wir, uns eigentlich nur einen Wochentag aussuchen zu müssen, an dem wir den Weg „machen“ wollten. Welche Hybris. Es ist der Steig, der „macht“.

In zwei Etappen rund um den Baldeneysee

Immerhin: Je näher die Wanderung rückte, je höher die Temperaturen, desto intensiver beschäftigten wir uns mit diesem Rundkurs um den Essener Baldeneysee, welcher bis 1933 aus der aufgestauten Ruhr entstanden war. Das Nachdenken half: Heraus kam der Plan, den Steig in zwei Etappen zu teilen, eine nördliche und eine südliche. Und das, es sei schon jetzt verraten, war ein guter Plan.

In  Werden starten wir. Wir überqueren die Ruhr, und schon sind wir im Heissiwald verschwunden. Sofort geht’s bergan. In dem ausgedehnten Wildgatter rechter Hand dösen nur zwei Mufflons; Rotwild und Wildschweine bleiben außer Sicht. Das macht es uns leichter, auf den Weg zu achten. Der Steig führt an vielen Stellen über Wurzeln. Die Orientierung fällt dank der vom Sauerländischen Gebirgsverein, Abteilung Essen, angebrachten Logos des Baldeneysteigs leicht. Im Prinzip jedenfalls. In Wirklichkeit haben wir schnell - und später mehrfach - auf die ausgedruckte Karte schauen müssen und sind froh, die Route in einer Wander-App auf dem Smartphone gespeichert zu haben. Das kostet Akku: Auch die Powerbank kam zum Einsatz.

Alles zum Thema Wandern in der Region

Das weidende Pferd steht schon seit mehr als 100 Jahren da – als Bronze im Park der Villa Hügel. Von einem Seiteneingang bietet sich der erste Blick auf den prächtigen Bau. Alfred Krupp ließ seit den 1860-er Jahren zahlreiche Bäume, exotische wie heimische, und Rhododendren anpflanzen. Der Besuch der Villa Hügel und des 28 Hektar großen Parks beansprucht allerdings viel Zeit. Also: vorgemerkt.

Tiefgrüne Wälder, faszinierende Weitblicke

Der Weg durch tiefen Wald zieht sich hin, die Klusenkapelle bietet den Mühseligen und Beladenen einen Ort der Rast, was allerdings vornehmlich am schönen Biergarten des Restaurants nebenan liegt. Gestärkt geht’s weiter, bald wieder steil bergan. Nach 13 Kilometern erhaschen wir den ersten Blick auf den See. Eine Weile später, etwas abseits des Steigs, bietet sich der Panoramablick par excellence: Korte Klippe. Klar: kurze Pause, einige Schluck Wasser, Apfelstücke – und dann Fotos machen.

Gut, dass wir die Strecke im Uhrzeigersinn machen: Eine steile Rinne führt bergab, auch das schon schwer genug. Brombeersträucher tragen noch keine Früchte. Und dann sind wir unten. Am Baldeneysee. Die restlichen Kilometer sind flach, wir befinden uns in Heisingen. Links liegt die ehemalige Zeche Carl Funke mit ihrem Fördergerüst, rechts tummeln sich Ruderer, Segler, Stand-up-Paddler und Schwimmer. Der nördliche Bogen der Ruhr ist hier als Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Eine ehemalige Eisenbahnbrücke der Ruhrtalbahn führt nach Kupferdreh. Dort nehmen wir den 180er Bus zurück nach Werden. Knapp 20 Kilometer stehen auf der Uhr; inklusive langer Mittagspause und einiger Fotostopps haben wir sieben Stunden gebraucht.

Führt die Nordroute über weite Strecken durch dichten Wald, bietet die Südroute – ebenfalls von Werden nach Kupferdreh – viele weite Blicke über hügelige Landschaft und hinunter zum See. Die Wälder sind lichter, aber auch hier schraubt sich der Weg manchmal in die Höhe, gibt es enge und steile Abschnitte. Wir befinden uns in Fischlaken, auf bäuerlich geprägtem Terrain. Wir sehen Pferde und sogar einen Pfau, später Kühe. Ein Kotten offeriert Honig und Eier. Eine ganze Wiese steht voll mit Klatschmohn und Kornblumen, Ringelblumen, Gänseblümchen und Butterblumen. Prächtig.

Einkehrmöglichkeiten, Eisenbahnen und die Herspertalbahn

Wir sind aber immer noch im Ruhrgebiet. Eine alte Lore am Wegesrand verweist auf das frühere Steinkohlen-Bergwerk „Pörtingsiepen“. Über uns fliegen Flugzeuge den Flughafen Düsseldorf an, vor uns liegt ein Biker-Treff. Das „Haus Scheppen“, gastronomisch ein Imbiss mit großem Biergarten, ist in der Motorradszene legendär. Aber auch Radler, Schiffstouristen und Eisenbahnfreunde steuern den Ort gerne an. Am See ist ein Anleger, ein Stück weiter ein Endpunkt der Hespertalbahn. Die führt nach Kupferdreh. Aber wir laufen. Das Ziel kennen wir ja: den Linienbus mit der Nummer 180. Gute zehn Kilometer sind’s diesmal nur, mit langer Currywurst-Pause und weiteren kleinen Rasten waren wir gut vier Stunden unterwegs.

„Schwere Wanderung. Sehr gute Kondition erforderlich. Gute Trittsicherheit, festes Schuhwerk und alpine Erfahrung notwendig.“  So hatte die Wander-App den kompletten Kurs beurteilt. Alpinist muss der Wanderer zwar nicht sein, aber erfahren sollte er schon sein. Die Aufteilung in Etappen dürfte breitere Akzeptanz finden. Zumal zwei Verkehrsmittel locken: die Schiffe der „Weissen Flotte“ und die - allerdings nur selten fahrende - Hespertalbahn. Unser Fazit: Jeder Wanderertyp kann unter all den Alternativen seinen Weg finden. Am Baldeneysee zu wandern, ist jedenfalls eine gute Idee.

Infos zum Tipp

Der komplette Steig 26,7 km lang, 600 Höhenmeter (Anstieg); Schwierigkeitsgrad: mittel bis hoch; Kondition: hoch; familientauglich: nur in einigen Abschnitten. Werden und Kupferdreh, am westlichen und am östlichen Ende des Sees, bieten sich als Start und Ziel an. Beide sind gut mit dem ÖPNV zu erreichen. Autofahrer freuen sich über einen großen, kostenfreien Parkplatz an der B224 mitten in Werden.

Wanderkarte samt Infos: media.essen.de/media/egc2017media/egc2017_dokumente/wanderkarte_baldeneysee.pdf

 Auskünfte zur Schiffahrt auf dem Baldeneysee unter www.baldeneysee.ruhr/fahrplan-weisse-flotte/

Zur Hespertalbahn unter www.hespertalbahn.de. Infos zur Villa Hügel unter www.villahuegel.de

Noch mehr Tipps – hier ist NRW alpin:

1. Kettwiger Panoramasteig bei Essen

Wer den Baldeneysteig erfolgreich bewältigt hat und noch eine Schippe drauflegen will, kann gleich in Essen bleiben. Etwas westlich liegt der Kettwiger Panoramasteig. Seine Länge wird mit 34,4 Kilometer angegeben, seine Höhenmeter mit 761. Damit ist nur der Anstieg gemeint; nicht vergessen: Sie müssen auch wieder runter. Und das wird häufig unterschätzt. Von Werden aus, das gut zu erreichen ist, windet sich der Weg oberhalb der Ruhr nach Westen, umrundet Kettwig und wechselt dort auf die südliche Seite der Ruhr. In Kettwig ließe sich die Tour unterbrechen; es gibt zwei S-Bahn-Haltestellen. Der Panoramasteig führt durch Felder und Wälder und bietet immer wieder tolle Aussichten.


Details unter visitessen.de/essentourismus_tourismusinformation/kettwiger_panoramasteig.de.html

 2. Paderborner Höhenweg

Bergauf, bergab geht’s häufig im Teutoburger Wald. So auch hier: Der Paderborner Höhenweg verläuft auf 21,4 Kilometern zwischen Neuen- und Altenbeken. Überwiegend Waldwege machen die Wanderung angenehm. Die Anstiege summieren sich auf 481 Meter. Die Strecke ist gut teilbar. Eine Querverbindung ermöglicht eine Runde nördlich des Beketals (14,3 km) bzw. eine südlich davon (11,3 km). Der Höhenweg trägt seit fast sieben Jahren das Prädikat „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“.


paderborn.de/sport-freizeit/aktive-freizeit/paderborner-hoehenweg.php

3. Eggeweg, Sauerland

Als erster Wanderweg überhaupt wurde der Eggeweg mit diesem Gütesiegel ausgezeichnet – zehn Jahre zuvor, 2004. Er führt von den Externsteinen bis ins hochsauerländische Marsberg. Die 70,6 Kilometer lange Hauptroute wird üblicherweise in drei Etappen unterteilt (rund 20, 23 und 28 km); 920 Meter geht’s insgesamt hoch, 926 Meter runter. Der Kammweg führt über die Preußische Velmerstot, die höchste Kuppe im Eggegebirge, und zur Ruine der Iburg hoch über Bad Driburg. Diese uralte Heer- und Handelsstraße lässt nicht nur die Herzen historisch interessierter Wanderer höher schlagen.


Details unter teutonavigator.com/de/tour/fernwanderwege/auf-den-hermannshoehen-der-eggeweg/1403907/

 4. Feuer- und Flammeweg, Oberbergisches Land

Dass die Menschen im Oberbergischen mit großer Begeisterung auf Wandertour gingen, mag durchaus sein. Der Feuer- und Flammeweg verweist aber auf einen ernsten Hintergrund. Zu häufig hat es dort früher gebrannt, zu oft mussten die Menschen ihre Häuser wieder aufbauen. Die kleine, aber feine zwölf Kilometer lange Tour erinnert an sie; sie beginnt und endet in der Altstadt von Bergneustadt. Dazwischen liegen 426 Höhenmeter. Feuerwehrleute mögen sich auch heute noch angesprochen fühlen, und sei es wegen der einzigartigen Sammlung von Feuerwehrhelmen aus aller Welt im Heimatmuseum.


Mehr unter bergisches-wanderland.de/tour/feuer-flammeweg-streifzug-11

 5. Kupferroute, Eifel

Eine weitere feine und kleine Strecke liegt tief im Westen der Republik und nennt sich Kupferroute. Sie verbindet die „Kupferstadt“ Stolberg mit dem Eifelsteig. Distanz (15,5 Kilometer) und Höhenprofil (die Angaben variieren; der Anstieg hat mindestens 226 Meter) ermöglichen es auch weniger Erfahrenen, in eine „Gipfelstürmer-Karriere“ einzusteigen. Die Route endet am Weiler Kitzenhaus, wo sie auf die erste Etappe des Eifelsteigs von Aachen-Kornelimünster nach Roetgen trifft (14 km, 352 m hoch, 174 m runter). Zurück nach Stolberg geht’s mit dem Bus. Der gut zu begehende Wanderweg führt durch malerische Landschaften. Im alten Steinbruch Binsfeldhammer ist ein artenreiches Biotop entstanden. An mehreren Stellen gab es früher reiche Erzvorkommen. Später sprudelt der Vichtbach am Wegesrand, ein Waldrestaurant lädt zur Rast.


Infos unter eifelsteig.de/a-kupferroute

 6. Uplandsteig, Sauerland

Wer noch mal einen richtigen Höhenrausch genießen will, macht sich auf nach Willingen zum Uplandsteig. Gleich auf den ersten 15 von 66 Kilometern steigt er um rund 450 Meter an. Fast 1200 Höhenmeter werden folgen. Streckenweise stärkere Steigungen und steile Abwärts-Passagen prägen die Tour, vor allem aber die traumhafte Landschaft. Die Wanderung ist definitiv ein Highlight, die Wanderer erleben unberührte Natur mit in Europa einmaligen Hochheiden, Mooren, Orchideenwiesen, Wäldern und dem höchsten Berg in NRW, dem Langenberg (843 m). Eine sehr gute und ausführliche Beschreibung ist auf der offiziellen Website nachzulesen. Danach fällt die Entscheidung auch leichter, ob man der Empfehlung zu drei gleichlangen Etappen folgt (dann wird’s eine Rundtour), oder eine Tagestour reicht.⇥ gf

Infos unter sauerland.com/Media/Touren/Uplandsteig-DAS-Original 

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