Rheinland für EntdeckerIm Tal der Steinzeit gibt es sehr viel zu erleben

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Neanderthal Museum JAna Bauch

An der Fundstelle  findet sich eine Zeitachse. Die Meilensteine symbolisieren 2,5 Millionen Jahre Geschichte der Gattung Homo.

  • Gehen Sie mit uns auf Sommerreise: In unserer Serie „Rheinland für Entdecker“ geben wir Tipps für Ausflüge und Kurzurlaube in unserer Heimat.
  • Neben den tollen Ausstellungen im Neanderthal Museum, kann man hier auch sehr gut wandern und im Museumscafé leckere Burger essen.
  • Ein Großteil der jährlich 160.000 Besucher sind Kinder und Jugendliche.
  • Lesen Sie hier auch alle bereits erschienenen Ausflugstipps aus unserer Sommerserie „Rheinland für Entdecker".

Lucy guckt einem frech ins Gesicht, die Lippen hat sie aufeinander gepresst, die Arme in die Taille gestützt. Sie sieht eher aus wie ein Affe, steht aber auf zwei Beinen. Sie ist eine Art „Vormensch“,  sie gehörte noch nicht zur Gattung Homo. Ihre Knochen wurden 1970 in Äthiopien entdeckt. Wer dem Audiotext lauscht, erfährt, dass sie 25 Jahre alt, 105 Zentimeter groß ist und „Die Wunderbare“ genannt wird. Im Neanderthal Museum begegnet einem „Lucy“ als plastische Figur mit täuschend echter Haut- und Haarstruktur. Sie ist Teil des neu gestalteten „Stammbuschs“, einer Installation mit sechs sogenannten Homininen der niederländischen Bildhauer Adrie und Alfons Kennis.

Die sechs anhand von Knochenfunden rekonstruierten Vorfahren des Menschen stehen in einer Holzkonstruktion aus 300 Dreiecken, die anhand von Zahlen und verschiedenen Schädeln die Evolution nachvollziehen lassen. Alle Figuren erzählen in Audiotexten ihre Geschichte, lebendig und anschaulich. Der „Stammbusch“ ist Teil der 2016 neu gestalteten Kapitel der beeindruckenden Dauerausstellung des Neanderthal Museums. „Wir reagieren auf die Forschung und wollen aktuell bleiben“, sagt Melanie Wunsch, die für das Ausstellungsmanagement zuständig ist.

Ausstellungen werden wieder analoger

Dass das Museum die Ausstellung überarbeitet, heißt nicht, dass jetzt alles digitaler wird. Im Gegenteil: In vielen Bereichen ist das Museum angenehm analog – und  zum Anfassen geeignet. Eine neue Station erzählt in Miniaturnachbildungen die Geschichte eines Knochenfundes und der anschließenden  Analyse in verschiedenen Laboren, die wie Teile einer kleinen Puppenstube nachgebaut sind. Hier begreift man, wie die Arbeit von Archäologen, Anthropologen oder Paläogenetikern aussieht. „Mit Tablets wären die Schüler abgelenkt“, sagt Melanie Wunsch. Ein Großteil der jährlich 160000 Besucher sind Kinder und Jugendliche.

Neu am Ende des spiralförmigen Rundgangs durch die Menschheitsgeschichte ist eine Filminstallation des Künstlers Horst Wackerbarth: Menschen aus der ganzen Welt geben in dem Film Auskunft dazu, was ihnen etwa Glück bedeutet. „Das Projekt zeigt: Wir sind alle Teil der Menschenfamilie“, erklärt die Ausstellungsmanagerin.

Nicht versäumen: Die Fundstelle des Neandertalers

Nicht versäumen sollte man den Besuch der etwa 400 Meter vom Museum entfernt liegenden Fundstelle. Schon allein der Weg am  Düsselufer lohnt sich. Der zehn Meter hohe Rabenstein am Eingang vermittelt einen Eindruck davon, wie das Neandertal einmal aussah: eine tiefe Felsschlucht, durch die die Düssel floss. Heute findet sich hier ein sanftes Tal, keine Spur von den einstigen Höhlen. Dabei überdauerten gerade dort Überreste des Neandertalers im Lehm mehr als 40000 Jahre lang.

Wild-romantisch war das Neandertal. Früher nannte man das Tal Hundsklipp oder nur Gesteins. Es lockte schon damals Touristen an. Auch Künstler der Düsseldorfer Malerschule pilgerten hierher, um  zu malen und in den Höhlen zu feiern. Ihnen verdankt man eindrucksvolle Ansichten der damaligen Landschaft.  Der Kalksteinabbau zerstörte im 19. Jahrhundert das Tal, die Felsen wurden gesprengt und dem Erdboden gleichgemacht. Die Feldhofer Grotte war eine dieser Höhlen, die auf etwa 20 Meter Höhe in einer Felswand über der Düssel einen sensationellen Fund barg: Knochenreste eines fossilen Menschen. Zufällig wurden sie 1856 von Steinbrucharbeitern entdeckt. „Ein Riesenglück“, nennt das heute Bärbel Auffermann, Archäologin und  Leiterin des Neanderthal Museums. Achtlos warfen die Arbeiter die Knochen zunächst weg. Erst als ein Schädelfragment zutage kam, verständigten die Besitzer des Steinbruchs den befreundeten Johann Carl Fuhlrott aus dem nahen Elberfeld. Der Lehrer und Naturforscher erkannte sofort die Reste eines Urzeitmenschen – und wurde  angefeindet. „Es war eine Zeit des totalen Umbruchs des Gedankenguts“, erklärt Auffermann. „Vorher war der Mensch Gottes Schöpfung.“

Darwins Evolutionstheorie wurde belegt

Mit seiner Entdeckung belegte Fuhlrott indirekt auch Charles Darwins Evolutionstheorie, die 1859 für Aufruhr sorgte. Doch Fuhlrotts These wurde von vielen Wissenschaftlern abgelehnt. „Dabei war er seiner Zeit voraus“, sagt Auffermann. Bis zu seinem Tod 1877 erfuhr Fuhlrott keine Anerkennung. Die letzten Felsen des Neandertals waren längst gesprengt,  Höhle und Fundort galten  als verloren.

Erst bei erneuten Ausgrabungen in den Jahren 1997 und 2000 fanden Wissenschaftler Sedimente der ehemaligen Höhle. Und tatsächlich entdeckten sie  weitere Knochen desselben Neanderthalers und vieler weiterer Urzeitmenschen sowie Steinwerkzeugteile – ein spektakulärer Fund. Während die Knochen von 1856 heute im Rheinischen Landesmuseum in Bonn ausgestellt sind, zeigt das Neanderthal Museum diese neueren Entdeckungen selbst.

Rot-weiße Stangen markieren die Stelle, an der man zuletzt Knochenteile fand. Als „architektonische Erinnerungslandschaft“ präsentiert sich die Fundstelle. Eine Zeitachse mit kulturellen Meilensteinen symbolisiert 2,5 Millionen Jahre Geschichte der Gattung Homo. Wie die Dinosaurier würden die Neanderthaler heutige Menschen faszinieren, sagt Auffermann. Viele der Besucher lassen sich mit dem Neanderthalermann, „Mr. N.“ genannt, in der Ausstellung fotografieren. Er ist das Gesicht des Museums. Sein Konterfei ziert Buttons und Postkarten.  Er wirkt etwas gedrungen mit seinen kräftigen Knochen, dem muskulösen Körper und dem ausgeprägten Überaugenbogen. „Wir Heutigen haben etwa vier Prozent Neandertalergene in uns“, erklärt die Museumsdirektorin.  

Der Neanderthaler war gut gerüstet für das Leben – überlebt hat er nicht. Durch starke Klimaschwankungen starb er vor 40000 Jahren aus.

Workshops, Burger, Wanderstrecken

Für Entdecker: Erste Anlaufstelle ist das Neanderthal Museum, Talstraße 300, 40822 Mettmann, Tel. 02104/ 97970.   Di-So 10-18 Uhr.  Eintritt inkl. Audioguide 11 € für Erwachsene, Kinder  5-6,50 €. www.neanderthal.de Wechselausstellung: Bis 3. November 2019 lädt „Einfach Tierisch“ zu einer 3D-Foto-Safari mit Dino, Mammut & Co. ein. Eintritt 7 €/Erw., 3,50 €/Kinder, Mini-Ticket 3 €. Für Kinder: Für kleine Besucher gibt es spezielle Führungen und  Workshops. Sie können etwa Steinzeitlichter basteln und erforschen, wie sich Steinzeitmenschen in dunklen Höhlen orientiert haben. Einkehr: Im Museumscafé gibt es Kuchen und Kaffee, belegte Brötchen und wechselnde Tagesgerichte. An schönen Tagen bietet die Dachterrasse des Cafés einen wundervollen Blick ins Tal. Im Road Stop gibt es   in Saloon-Atmosphäre Burger, BBQ, Rips und dazu Pommes oder Cole Slaw, die amerikanische Variante des Krautsalats. Marie-Curie-Str. 8, 40822 Mettmann, Tel. 02104/26 99 300.

Für Wanderer: Vier Wege des 240 Kilometer Wanderwege umfassenden Neanderlandsteigs führen am Museum vorbei. Details  zum Denkmalpfad Hochdahl (8 Kilometer), dem Evolutionspfad (19,1 Kilometer) und einer Tour durchs Stinderbachtal (14,2 Kilometer) sowie weiter Informationen zur Gegend unter www.neanderthal.de

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Anreisetipps:

Mit der Bahn: Von Düsseldorf Hauptbahnhof fährt die S 28  zur Haltestelle Neanderthal, von dort aus sind es  15 Minuten Fußweg zum Museum.

Mit dem Auto: Über die A3 bis zum Kreuz Hilden, dann abfahren auf  die L 403 bis zum Museum.  Die Zahl der Parkplätze vor dem Museum ist begrenzt. Es gibt Ausweichparkplätze, der P&R Parkplatz S-Bahn Neanderthal ist am nächsten dran;  vom Parkplatz des Altenheims Neandertal, Talstr. 189, läuft man  25 Minuten;  vom Gelände der Firma Erwepa, Mettmanner Str. 51, ebenfalls. >Hier finden Sie alle bereits erschienenen Folgen der Serie Rheinland für Entdecker:

www.ksta.de/entdecker www.rundschau-online.de/entdecker

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