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Rheinland für EntdeckerAls sich ganz Europa in Bad Ems traf

Lesezeit 6 Minuten
grete bad ems

Wie vor 100 Jahren: Annegret Werner-Scholz verwandelt sich gern in das „Brunnenmädchen Grete“.

  • Gehen Sie mit uns auf Tour in der Heimat: In unserer Serie „Rheinland für Entdecker“ geben wir Tipps für Ausflüge und Kurzurlaube vor unserer Haustür.
  • Diesmal geht es Bad Ems. Dort könnte Kaiser Wilhelm 1. auch heute noch die Wege von damals gehen und alles erkennen.
  • Lesen Sie hier auch alle bereits erschienenen Ausflugstipps aus unserer Sommerserie „Rheinland für Entdecker".

Wie wäre es, wenn Kaiser Wilhelm I. heute durchs Kurviertel von Bad Ems flanieren würde? „Er könnte all seine bestens bekannten Wege durch den Kurgarten gehen, vorbei am Kursaalgebäude oder hinein in den historischen Marmorsaal“, sagt Annegret Werner-Scholz. „Denn alles ist heute noch genau so erhalten wie im 19. Jahrhundert.“

Die gebürtige Bad Emserin ist stolz auf ihre Stadt, die Geschichte atmet. Vor allem, wenn sie als „Brunnenmädchen Grete“ vor dem prächtigen Grand Hotel der Familie Häcker steht, dem einstigen Kurhaus mit seinem barocken Badeschloss, in dem nicht nur Fürsten, Komponisten und Schriftsteller logierten, sondern eben auch  Kaiser Wilhelm I.

Ein Ort der Villen und Badehäuser

20 Jahre kam der Regent regelmäßig als Kurgast nach Bad Ems. Der Ostflügel des Hotels heißt  deswegen bis heute Kaiserflügel „Im ersten Stock hatte er sein Arbeitszimmer“, sagt die 72-Jährige. „Manchmal hat er  dort  aus dem Fenster geschaut und den Leuten zugewinkt.“ Annegret Werner-Scholz erzählt dies alles so, als sei sie selbst  dabei gewesen. Und irgendwie stimmt das auch. Die Wurzeln ihrer Familie in Bad Ems reichen 300 Jahre zurück, ihre Vorfahren waren Pfarrer, Bierbrauer oder Baumeister wie der  Urgroßvater, der die Russischen Kirche am Ufer der Lahn baute. 

Der Fluss zieht sich idyllisch durch die kleine Stadt, vorbei an herrschaftlichen Badehäusern und Villen, am Quellenturm und  dem Schloss Balmoral. Annegret Werner-Scholz  hat als Physiotherapeutin im Kurmittelhaus gearbeitet. Wo die Liege ihrer Patienten stand, nahmen die Kurenden des 19. Jahrhunderts ein heilendes Bad in der Wanne.

Die Quellen machen die Stadt zum Heilbad

Natürlich sind es die Quellen, die die Stadt zum Heilbad machten. „Ohne sie wäre hier keine prachtvolle Bäderarchitektur, sondern Kuhwiese“, erzählt unsere Führerin, die zu besonderen Anlässen gern Schürze und Haube trägt. Als „Brunnenmädchen Grete“  steht sie für die  vielen Menschen, die  im Kurbetrieb Arbeit fanden. Im heutigen Foyer von „Häckers Grand Hotel“ schenkten  die Brunnenmädchen früher das Heilwasser für die Trinkkuren an die Gäste aus. Mehrere Quellen sprudeln noch heute aus den Brunnen in der Halle. Die ist  im Original erhalten und frei zugänglich.

Das Hotel und die übrigen Gebäude des Kurviertels, eingebettet in eine malerische Landschaft, bilden  zusammen  ein wunderschönes architektonisches Ensemble.  Hier  traf am 13. Juli 1870  König Wilhelm von Preußen den französischen Botschafter Benedetti, um mit ihm über die Thronfolgefrage in Spanien zu reden. Die Quintessenz ihrer Unterredung auf der Kurpromenade fasste der Diplomat Heinrich Abeken in einem Telegramm an  den preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck zusammen, das als „Emser Depesche“ in die Geschichtsbücher  einging. Führte der Text des Telegramms, der  von Bismarck nachträglich zuspitzt und an die Presse weitergegeben wurde, doch zur Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland und zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, aus dem das Deutsche Reich hervorging.

Heilwasser in Emser Therme genießen

Doch die Historie der Stadt reicht zurück bis in die Römerzeit. Der römische Grenzwall Limes, im Jahr 2005 zum Unesco-Welterbe erklärt, erhebt sich in unmittelbarer Nähe der Stadt und kann erwandert werden. Und: Noch heute stoßen Experten immer wieder auf Spuren und Relikte eines Römerkastells. Im Kur- und Stadtmuseum gibt es dazu eine interessante Dauerausstellung. Weitere Exponate dokumentieren die Zeit, in der das Emser Heilwasser das „Reisen“ lernte.

Schleimlösend, entzündungshemmend, säuretilgend – so wirkt das Thermalwasser mit seinen mehr als 30 Mineralstoffen und Spurenelementen. Seit 1858 wird die daraus gewonnene Mineralsalzmischung zur Emser Pastille verarbeitet. Hautnah kann man das  Heilwasser in der Emser Therme genießen. Neben acht Badebecken bietet die Anlage Inhalationen mit dem Emser Salz an. Das i-Tüpfelchen  ist die Saunalandschaft mit Deutschlands erster schwimmender Fluss-Sauna direkt auf der Lahn.

Kaiser als Standbild nur in Bad Ems in Zivil

In diesen Genuss kam Kaiser Wilhelm I. zwar nicht. Trotzdem fühlte sich der Monarch so wohl in Bad Ems, dass er sich häufig ganz privat in Zivil zeigte. Im Kurpark  steht das deutschlandweit wohl einzige Standbild Wilhelms, das den Kaiser in Zivil zeigt. Die Spekulationen, warum er seine Hand unter den Mantel schiebt, sind blühend wie das Blumenbeet zu Füßen der Statue. „Man sagt, er wollte seine Geldbörse festhalten“, erzählt Grete. „Vielleicht hatte er auch Schmerzen.

Aber es waren nicht immer die Leiden, die die Menschen nach Bad Ems zogen. Im 19. Jahrhundert ging es hier um das Sehen und Gesehenwerden. „Der komplette Adel weilte hier, vor allem Wilhelms russische Verwandtschaft, die Zarenfamilie.“ Daneben war die Stadt vielen Künstlern ein Quell der Inspiration. Johann Wolfgang von Goethe, Bettina von Arnim, Fjodor Dostojewski und Victor Hugo weilten in Bad Ems, genau wie der dänische Märchenautor Hans Christian Andersen, Richard Wagner und Jacques Offenbach, der viele seiner Werke in Bad Ems komponierte.

Bad Ems bewirbt sich für Welterbe-Titel

Auch im Spielcasino, der ältesten konzessionierten Spielbank Deutschlands (1720), vergnügten sich die Gäste. Gedenktafeln auf den Gehwegen und an Häuserwänden erinnern an diese Berühmtheiten. Heute füllen zahlreiche kulturelle Veranstaltungen  die historischen Spielstätten mit Leben.

Und weil noch heute in dieser kleinen Stadt vieles so authentisch und unverändert ist, hat sich Bad Ems als einer von insgesamt elf berühmten Kurorten des 19. Jahrhunderts, den „Great Spas of Europe“, um einen Welterbe-Titel bei der Unesco beworben. Neben dem Limes wäre dies der zweite Titel für Bad Ems – und damit eine Sensation. „Verdient hätten wir es“, sagt das Brunnenmädchen und zupft an seiner Dienstschürze.

Die wichtigsten Anlaufpunkte in Bad Ems

Einkehr: Wer es schick mag, der geht in das einstige Kurcafé „Vonundzu“ direkt im Kursaalgebäude, Römerstr. 8. Das „Restaurant Benedetti“ in „Häckers Grand Hotel“, Römerstr. 1, bietet eine schöne Auswahl , ebenso das Restaurant „Im Badhaus“, Römerstr. 41a.

Kurwaldbahn: Mit der Bahn können Gäste in das Kurgebiet Bismarckhöhe gelangen. Von dort aus hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt. Die Standseilbahn verkehrt täglich zwischen 6.15 und 22.30 Uhr im sieben- oder zehnminütigen Takt.

Für Wanderer: Auf der sechs Kilometer langen Romantikrunde wandert man auf den Spuren der Kurgäste des 19. Jahrhunderts. Die Tour führt an der legendären Malbergbahn vorbei. Empfehlung für Fitte: der knapp zehn Kilometer lange Premiumweg. Tourist-Info, Bahnhofstr., 56130 Bad Ems, Tel. 02603 /94150.

Für Radfahrer: Auf dem Lahntal-Radweg gemütlich am Ufer der Lahn entlangradeln. Oder sich auf dem Mountainbike-Flow-Trail abstrampeln. Auf 3,8 Kilometer Länge geht es 380 Höhenmeter abwärts. Der kostenlose Bikepark ist von April bis Oktober bei Tageslicht geöffnet.

Feste: Ausnahmezustand herrscht am letzten Wochenende im August, wenn in Bad Ems mit dem Bartholomäusmarkt und dem Blumenkorso das größte Volksfest der Region gefeiert wird.

>Hier finden Sie alle bereits erschienenen Folgen der Serie Rheinland für Entdecker:  www.ksta.de/entdecker www.rundschau-online.de/entdecker

Anreise

Mit dem Auto: Bad Ems liegt knapp 20 Kilometer entfernt von Koblenz und ist aus dem Norden über die Bundesstraßen 49/261 oder über die Lahnstrecke B42/B260 zu erreichen. Aus Richtung Süden führt die B260, die sogenannte Bäderstraße, direkt ins Herz der Stadt.

Mit dem Zug reist man von Köln oder Bonn bis zum Hauptbahnhof Koblenz oder zum ICE-Bahnhof Montabaur. Von Koblenz fahren zum Beispiel der RB 23 und der RE 25 oder Busse nach Bad Ems.

www.bad-ems.info

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