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Rheinland für EntdeckerBergische Naturwunder auf dem Klingenpfad von Solingen

Lesezeit 6 Minuten
Auf knapp 75 Kilometern umläuft der Klingenpfad Solingen.

Auf knapp 75 Kilometern umläuft der Klingenpfad Solingen.

„Wer Solingen kennenlernen möchte, sollte das nicht NUR auf den Straßen tun, sondern AUCH auf den Klingenpfad gehen.“ Helmut Seelig kennt jeden Winkel, weil er einmal im Jahr mehrere Etappen im Lauftempo in einer großen Gruppe absolviert. Beim Klingenpfadlauf machen sich Ultraläufer am Gräfrather Marktplatz am frühen Morgen auf den Weg, um nach etwa zwölf Stunden dorthin wieder zurückzukehren. Spaziergänger werden die Distanz kaum an einem Tag schaffen.

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Solingen ist weltweit der einzige Städtenamen, der markenrechtlich geschützt ist, und das schon seit 1938. Knappe zehn Jahre zuvor war durch die Zusammenlegung von Solingen, Gräfrath, Höhscheid, Ohligs und Wald die neue Großstadt Solingen entstanden. Dies nahm der Sauerländische Gebirgsverein (SGV) zum Anlass, die Einheit der neuen Großstadt durch einen Rundweg zu untermauern. Der Solinger Klingenpfad war geboren und gilt seit seiner Einrichtung 1935 als eines der Aushängeschilder der Wanderwege im Bergischen Land.

Der Rundweg ist durchgängig mit einem weißen S im Kreis auf schwarzem Grund markiert.

„Einige Teilnehmer nehmen weite Anreisen auf sich, um dabei zu sein – und wir bekommen immer wieder zu hören, dass sie die Landschaft genießen und gerne einmal länger Urlaub im Bergischen machen würden.“ Für Helmut Seelig ist die Reaktion der Mitläufer der Gradmesser, dass der vor 83 Jahren angelegte Rundwanderweg nicht nur für Einheimische seinen Reiz hat. Der 60-jährige Hobbyathlet und die Mitstreiter aus dem Organisationsteam der etwas anderen Laufveranstaltung müssen sich schon lange nicht mehr an jedem Abzweig an den Klingenpfad-Markierungen orientieren. Als Nicht-Ortskundiger jedoch muss man schon genauer hinschauen, um kein „S“ zu übersehen – denn: Das Symbol auf dem insgesamt gut ausgeschilderten Weg weist oft nicht die Richtung, die der Wanderer erwarten würde. Es geht so gut wie nie auf direktem Weg von A nach B – vielmehr locken reizvolle Umwege.

Eines der Highlights ist die Müngstener Brücke

Beispiel Müngstener Brücke. Vom Bahnhof Schaberg, einem Haltepunkt der S-Bahn-Linie 7 (Solingen – Remscheid – Wuppertal) führt der eigentliche Weg den Berg hinab in Richtung Brückenpark mit einer einladenden Gastronomie im Haus Müngsten, einem Kiosk mitsamt Minigolf-Anlage und der Schwebefähre, mit der Wanderer, Radfahrer und Spaziergänger per Muskelkraft auf der Wupper übersetzen können. Nur ein kurzes Stück ist der Klingenpfad identisch mit einem Erlebnisweg und seinen diversen Spielgeräten, die zum Ausprobieren einladen. Die bekannteste Solinger Wanderstrecke allerdings biegt früh rechts ab und führt nach nur kurzer Zeit unter einem der gigantischen Pfeiler der 1891 fertiggestellten Brücke hindurch. So nah kommt man dem Bauwerk, das im Paket mit weiteren Bogenbrücken aus Portugal, Italien und Frankreich Weltkulturerbe werden soll, an keiner anderen Stelle.

Nach der vor drei Jahren abgeschlossenen Komplettsanierung der höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands sind Teile der Stahlkonstruktion derzeit eingehüllt, weil sie einen Neuanstrich bekommt.Selbst im Hochsommer, wenn der Wald dicht belaubt ist, ergibt sich immer wieder ein anderer Blick auf den Stahlkoloss. Man spaziert nahezu auf gleicher Höhe mit der 107 Meter hohen Müngstener Brücke, um schließlich an einem Pavillon die wohl schönste Aussicht auf das Wahrzeichen zu genießen. Der Ort gilt als Geheimtipp für frisch verliebte Paare.

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Direkt in der Nähe steht auch einer der beiden Klingenpfad-Gedenksteine, der noch aus der Zeit stammt, als der Rundweg nur 60 Kilometer lang war. Angelegt wurde er in den Jahren 1932 bis 1935 von Arbeitslosen im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des nationalsozialistischen Regimes. Seine heutige Länge hat er erst erlangt, als die Gemeinde Burg 1975 eingemeindet wurde. Knapp 15 Kilometer sind so als Erweiterung um den Stadtteil herum hinzugekommen – und es ist zugleich die schönste Etappe entstanden, die der Klingenpfad zu bieten hat. Dabei werden weder Unterburg noch Schloss Burg selbst direkt angesteuert. Aber dennoch bleibt das Schloss jederzeit präsent – insbesondere an der Stadtgrenze zu Wermelskirchen im Bereich Hummelsburg, wo der Turm der historischen Anlage eingebettet ist in Wiesen und den Hängen der Wupperberge. Nirgendwo sonst gibt es den Blick von oben auf den ehemaligen Stammsitz der Grafen von Berg.

Natur pur lautet das Prinzip

„Man merkt, dass sich derjenige, der den Klingenpfad entwickelt hat, Gedanken gemacht hat, um ein Naturerlebnis zu schaffen“, findet Helmut Seelig. Und dennoch: „Nur in den Bereichen, die touristisch erschlossen sind, sind viele Spaziergänger unterwegs, sagt der Burscheider. Dazu gehört das Gebiet rund um die Sengbachtalsperre oder die Ohligser Heide. Natur pur lautet das Prinzip auf den vom Charakter her ganz unterschiedlichen Etappen durch die Wupperberge, entlang von Bachläufen, vorbei an alten Kotten oder durch Hofschaften hindurch. Normal zugängliche Straßen werden gemieden.

Stattdessen geht es an vielen Stellen auch schon mal steil bergauf oder bergab. Gutes Schuhwerk und Trittsicherheit sind Voraussetzung für ein unbeschwertes Wandervergnügen. Erst recht, wenn kurz zuvor die sogenannte „Bergische Sonne“ Regen gebracht hat. Die Königsetappe führt von Glüder nach Widdert mit 400 Höhenmetern (Steigung) beziehungsweise 313 Höhenmetern (Gefälle) rund um den Pfaffenberger Kopf mit schönen Ausblicken nach Witzhelden. Über der Hofschaft Balkhausen thront die Burg Hohenscheid rund 100 Meter über der Wupper. Über eine große Schleife durch Wald und Feld wird das einstige Hotel mit Grundmauern aus dem 13. Jahrhundert erreicht, das heute Zentrum einer christlichen Lebensgemeinschaft ist.

Nach 75 Kilometern ist der Gräfrather Markplatz mit seinem bergischen Fachwerkhäuser-Ensemble wieder erreicht. Ein Ort, der nicht nur nach Meinung von Helmut Seelig viel zu nett zu ist, um ihn anzusteuern und ihn gleich wieder zu verlassen, ohne irgendwo eingekehrt zu sein. Ein Ort, der mit dem Deutschen Klingenmuseum, der großen Freitreppe zur Klosterkirche hinauf oder dem Kunstmuseum und dem integrierten Zentrum für verfolgte Künste, weit mehr ist als nur der Start- und Zielpunkt des Klingenpfades.

Alle Infos zum Entdeckerausflug

Anreise:   Je nach Lage eines Start-/Zielpunktes der neun Klingenpfad-Etappen kommt für die Anreise mit dem Auto ein anderer Autobahn-Anschluss infrage.  Jede Etappe ist in der Regel mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.   Einkehr: Lokale  entlang der 76 Kilometer langen Strecke sind rar gesät – oder sie liegen oftmals etwas abseits der eigentlichen Route. Eine größere Auswahl  an Restaurants und Gaststätten bietet sich am Gräfrather Marktplatz. Weitere lohnenswerte Rastziele sind unter anderem  das Café Hubraum in Kohlfurth (www.cafe-hubraum.de), die Kartoffelkiste in Höhrath (kartoffelkiste.de; nur freitags bis sonntags geöffnet), das Restaurant & Bistro Pfaffenberg (www.gastro-pfaffenberg.de), das Restaurant Wipperaue (www.wipperaue.de),  die Taverne Katogi im Bergischen Hof (www.bergischerhof-solingen.de), die Schlesische Schänke im Engelsberger Hof (www.schlesische-schaenke.de) oder die Heidberger Mühle im Ittertal (www.heidberger-muehle.de).

Übernachtung: Der Klingenpfad bietet  alles, was eine passionierte Wandergruppe sucht – nur kaum Herbergen direkt am Wegesrand. Einzig Gräfrath und Burg mit einigen Hotels  sind  touristisch ausgerichtet. Ein Gastgeber-Verzeichnis rund um Solingen gibt es unter www.die-bergischen-drei.de. Für Industrie-Historiker: Zum Zentrum der Klingenherstellung hat sich Solingen im 14. Jahrhundert entwickelt. In dieser Zeit entstanden in den Fluss- und Bachtälern Kotten als Arbeitsstätten der Schleifer. Zwei dieser Baudenkmäler lohnen einen Abstecher.  Im  Balkhauser Kotten ist ein Schleifermuseum untergebracht, das dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet ist. Wenige Kilometer flussabwärts an der Stadtgrenze zu Leichlingen liegt der Wipperkotten mit einer Sammlung historischer, handgearbeiteter Werkzeuge und Geräte.  Besichtigung  nach Vereinbarung  (0212/811682 oder 800305, E-Mail wipperkotten@web.de).

Für Straßenbahn-Nostalgiker:   Die Fahrtage der Bergischen Museumsbahnen in Wuppertal-Kohlfurth  von April bis Oktober an jedem zweiten und vierten Sonntag im Monat (ab 10.40 Uhr). Von der alten Kohlfurther Brücke geht es durch das Kaltenbachtal bis zum Naturfreundehaus in Cronenberg – und wieder zurück. Fahrkarten sind beim Schaffner für 5 Euro (Hin- und Rückfahrt) erhältlich, Tageskarte 9 Euro. Kinder und Jugendliche bis 16 Jahre fahren kostenlos mit.

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