Rheinland für EntdeckerEin unvergesslicher Streifzug durchs Öcher Städtchen

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Der Münsterplatz in Aachen.

Aachen kennt man aus dem Geschichtsbuch oder aus den Nachrichten. Das Image der knapp 250.000 Einwohner zählenden westlichsten Großstadt Deutschlands prägen der Dom, der Karlspreis, der Orden wider den tierischen Ernst, das Reitturnier CHIO, die Hochschule (RWTH) und Ex-Bundesligist Alemannia. Karl dem Großen begegnet man noch heute auf Schritt und Tritt. Da, wo im Altstadtpflaster eine Messing-Marke mit seinem Signum (K-R-L-S) eingelassen ist, muss man stehenbleiben und gucken, was auf das Erbe des mächtigen Kaisers verweist. Dem war Aachen seine liebste Pfalz, weil er gerne in den Ardennen- und Eifel-Wäldern jagte. Sicher auch wegen der heißen Quellen, die in Mitteleuropa einzigartig sind. Nach blutiger Schlacht, wenn Karl seine drückende Rüstung ablegte, badete er im Aachener Wasser und machte dabei Politik.

Am besten zieht man mit einem Ureinwohner durchs „Städtchen“. So nennen die „Öcher“ die für sie schönste Metropole im Herzen Europas. Unser Stadtführer ist einer von den Gebildeten, dem Dom besonders verbunden und der Mundart, für deren Pflege er sich engagiert. Mit Kaiser Karl hat Manfred Birmans etwas gemein: Er badete als Kind im Thermalwasser, denn in armen Nachkriegszeiten hatten die Aachener nichts anderes.

Baden wie Kaiser Karl sollte man unbedingt in Bad Aachen. Wenn es auch nur noch zwei Hallen gibt: die Carolus Thermen und das Burtscheider Schwertbad. Am nach faulen Eiern riechenden Wasser kann man kosten, obwohl es nicht mehr als Trinkwasser ausgewiesen wird. In der Rotunde des Elisenbrunnens und am Burtscheider Markt ist das möglich.

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Start am Münsterplatz

An Karls Marienkirche sollte ein Aachen-Tag beginnen, am kleinen Münsterplatz. Die Steinmuster um das Oktogon herum zeigen, dass die Krönungskirche in verschiedenen Epochen erweitert wurde. Den Dom flankiert eine Gasse, das Spitzgässchen, auch Zuckergässchen genannt. Solche Gassen sind typisch für die Innenstadt. Birmans spricht vom nachgebauten Mittelalter, alles ist verhuckt (schief angelegt). Nur der Katschhof erstreckt sich rechteckig zwischen Dom und Rathaus. Im Spitzgässchen kaufen seit 1896 Kinder ihre Klümpchen (Bonbons). An diesem Platz steht die schmalste Fassade Aachens, das Haus Nr. 20, „Blijstef“ (Bleistift) genannt. Diese Gebäude mit Blick auf den Dom wurden reichlich mit Balkonen ausgestattet. Die Bürger des 800 Jahre alten Wallfahrtsortes haben früher sogar ihre Dächer abgedeckt, um mehr Pilger ins Haus zu bekommen.

Birmans zeigt auf Unbekanntes an der bekannten Kirche: An der Seite zum Münsterplatz hängt hoch oben eine gotische Sonnenuhr. Links davon steht eine Grabplatte, doch Kaiser Karls Grab wurde bis heute nicht gefunden. Paradies nennt man den Vorhof zum Dom. Vielfältig lässt sich der Begriff ableiten – vom architektonischen Vorhof bis zum ideellen Vorhimmel. Das Paradies ist jedenfalls Friedensbereich, bietet jedem Asyl.

Um die Ecke, auf dem Fischmarkt, steht das Fischpüddelchen. Für das Gesicht des nackten Jungen stand ein heute betagter Politiker Modell. Manchmal kommt er noch nach Aachen, um sich selbst anzuschauen. Das erzählt mein Stadtführer, nur der Name fällt ihm nicht ein. Am Eingangstor zum Paradies fallen im Mauerwerk Rillen auf: die Fischhändlerinnen sollen hier früher ihre Messer gewetzt haben. Am Eingangsportal des Domes prallt Wahrheit auf Dichtung. Der Teufel hat ja zwecks Finanzierung der Baukosten einen Pakt mit den Aachenern geschlossen und am Ende doch verloren. Die Dombausage schmückt dies alles aus. Den eingeklemmten Teufelsdaumen kann man im rechten Türknauf aufspüren, unten in der Tür den Riss sehen, den Luzifer durchs wütende Zuschlagen des Portals verschuldet hat. (Themenführungen bietet das Domkapitel an). Das größte Erlebnis dürfte ein Hochamt sein, weil man das Gotteshaus in seiner die Sinne überflutenden Wucht erlebt.

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Wer jetzt schon Stärkung braucht, den zieht es zum nächsten, noch ungekürten Welterbe, der Aachener Printe. Bald 200 Jahre ist sie alt, ein platt geformter Lebkuchen, hart oder weich, nussig, nackt oder schokoladig. Der Aachener schnützt gerne. Nach Birmans geht das so: Man lege sich ein Stück Bruchprinte mit dunkler Schokolade und Haselnüssen auf die Zunge, nehme einen Schluck Espresso dazu und behalte die Mischung einen Moment im Mund. Diese Kombination löst ein Glücksgefühl aus, das der Germanist gerne mit dem Bäcker vom Münsterplatz teilt. Michael Nobis sagt, die Qualität der Printen hängt von der Qualität der Zutaten ab. Er isst am liebsten Kräuterprinten, backt den seit dem 15. Jahrhundert beurkundeten Poschweck (Süßbrot) und die zweierlei Reisfläden – das Original und die belgische Variante.

An jeder Ecke der Studentenstadt verführen hübsche Lokale zu einem Päuschen. An der Pontstraße liegt das Internationale Zeitungsmuseum – übersichtlich und sehenswert (www.izm.de).

Wer dem Wasser intensiv nachspüren will, sollte einen Ausflug nach Seffent machen, nur fünf Kilometer vom Zentrum entfernt. Abseits vom städtischen Trubel ist Seffent eine Zone, in der sich alles vereint, was Aachen ausmacht: Geschichte mit Wissenschaft und Natur. Vergangenheit mit Zukunft. Eine Umarmung in sattem Grün.

Tipps rund um ihren Entdeckerausflug

Anreise: Aachen ist gut zu erreichen. Mit dem Auto über die A 4  oder mit der Bahn im Regionalexpress 1 oder im Regionalexpress 9. Für Kinder: Kinder führen Kinder Im Dom mittwochs um 17 Uhr, sonntags um 15 Uhr (nach Absprache mit größeren Gruppen andere Termine möglich). Für Kinder ab vier. Dauer 45 Minuten, Eltern dürfen Kinder begleiten. Infos 0241 47709127. Drei Tage vorab reservieren kinderfuehrungen@aachen.de Radfahrtipp: Naturnah und beinahe hügellos: Ab Aachen (Einstieg Rothe Erde, stadtauswärts linke Seite) über den zum Fahrradweg umgebauten grenzüberschreitenden Vennbahnweg, eine alte Bahntrasse. Richtung Eifel, z. B. kleine Etappe bis Kornelimünster, ca. 30 Minuten (einfach). Größere Etappe bis Monschau (ca 3:45 Stunden). Mit Bussen geht es auch zurück. Info www.vennbahnradweg.info Einkehr:  Preiswert und gut essen kann man im Restaurant Elisenbrunnen,  Friedrich-Wilhelm-Platz 14.  Frühstück, kleine und große Speisen, vegetarisch und glutenfrei.  0241 94313490.  9 – 23 Uhr, am Wochenende bis 0  Uhr. Lockeres Ambiente.  Die Attraktion für Pommes-Frites-Liebhaber ist der Edel-Imbiss Maier Peveling’s, den Sternekoch Christof Lang betreibt. Unwiderstehlich: Seine selbstgerührte Trüffel-Mayonnaise. Alter Posthof 16,   11.30 – 21 Uhr, Fr + Sa bis 22 Uhr.  In der Altstadt liegt die mit Antiquitäten dekorierte Gaststube „Am Knipp“, Bergdriesch 3. In dem mit Liebe geführten Lokal waren schon Karlspreisträger zu Gast, und auch der Aachener lässt sich regelmäßig in der Herzkammer des Öcher Geschehens blicken. Ab 17 bzw. 18 Uhr geöffnet, Di Ruhetag.  www.amknipp.de

Die Cafékultur treibt Blüten an sehr vielen schönen Orten. Sie lebt klassisch auf in der Konditorei Café Middelberg, (direkt am Markt), Rethelstraße 6, mit Außenplätzen. Unbedingt Baumkuchen als Präsent mitnehmen. Info www.cafe-middelberg.de. Etwas außerhalb liegt das Café Lammerskötter in Aachen-Burtscheid, Kapellenstr. 2. Hier gibt es biologisch einwandfreie Eier, frische Säfte und Frühstücksvariationen aus europäischen Großstädten. Kultstatus! Reservieren unter www.lammerskoetter.de Printenverkostung: Mehrere Printenbäcker bewerben sich in Aachen um das beste Traditions-Gebäck. Jeder würzt ein bisschen anders. Auf jeden Fall gehört Michael Nobis zu den qualitätsvollsten und innovativsten Printenbäckern (Foto links). Im Vierersprung durch die Altstadt kann man sich selbst ein Urteil machen: Nobis  Filiale (mit Café) liegt auf dem Münsterplatz, nur 10 Meter weiter liegt die Printenbäckerei Moss (Boxemünster, Sitzplätze) und nochmals zehn Meter weiter gibt es eine winzige Filiale der Printenbäckerei Klein (Krämerstraße mit Kostproben im Schaufenster). Schließlich nicht mehr als 50 Meter weiter gibt es den Vierten im Bunde, die Printenbäckerei Drouven am Büchel. Bei Klein gibt es ganz offiziell Besichtigungsmöglichkeiten der Printenbackstube. Anfrage per  E-Mail: klein@printen.de.

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