Spaziergang durch HitdorfWilfried Schmickler auf den Spuren seiner Kindheit

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Wilfried Schmickler zieht es in seiner alten Heimat Hitdorf immer wieder ans Rheinufer. 

  • In unserer Serie „Prominent unterwegs” zeigen Prominente aus Köln und Region ihre Lieblings-Wanderwege – mit Wegkarte und Rundum-Service zum Nachwandern.
  • In dieser Folge wandert Wilfried Schmickler entlang des Rheins in seiner alten Heimat Hitdorf.
  • Dabei erzählt der Kabarettist, warum „Leverkusens Dorf am Rhein” sich immer noch seinen alten Charme bewahrt hat.

Wilfried Schmickler hat noch eine Schuld zu begleichen in der alten Heimat   Hitdorf.  Mit dem Heiligen Antonius, den er als Kind ganz frech bestohlen hat: „Ich war da wohl so acht, neun Jahre alt“, erzählt Schmickler.

„Wir Kinder haben in der Kirche immer in den Opferstock hineingegriffen, um zu schauen, ob da nicht etwas Geld hängengeblieben ist. Und tatsächlich hab ich da mal einen Fünf-Mark-Schein rausgefischt. Das war das einzige Mal, dass ich je etwas gestohlen hab.“ Das schlechte Gewissen blieb mehr als ein halbes Jahrhundert. Nun endlich legt er einen Fünf-Euro-Schein hinein („mit Zinsen“), grinst zufrieden und geht weiter.

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Schmickler an der Antoniuskapelle.

Die Hitdorfer kennen ihn

Der mit vielen Kleinkunst-Preisen ausgezeichnete Kabarettist  (64) ist ein „Hetdörper Jung“, geboren und aufgewachsen in  Leverkusens nördlichstem Stadtteil am Rhein. Die Leute kennen ihn, er wird auf der Straße angesprochen. Mittlerweile wohnt er zwar in der Kölner Südstadt, ist aber immer noch ab und an auf der „Schäl Sick“.

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Wir lassen uns durch Hitdorf treiben. Urige kleine Fachwerkhäuser wechseln sich mit Klinkerbauten ab. Und immer wieder Neubauten dazwischen. „Das war hier früher alles gar nicht“, sagt Schmickler.

Hitdorf hat ein junges Gesicht bekommen

Hitdorf hat in den vergangenen Jahrzehnten ein neues Gesicht bekommen, ein junges. „Viele Familien ziehen mit ihren Kindern hierhin“, freut er sich. „Auch, wenn der alte Hitdorfer  die Veränderungen vielleicht nicht so gerne sieht.“  Schmickler fügt schmunzelnd hinzu: „Aber er hat das auch nach 1945 nicht so gerne gesehen, als Flüchtlinge einquartiert wurden.“ Schmicklers Mutter war eine von ihnen. Aus Pommern, dem heutigen Polen. Damals wurden Flüchtlinge in Turnhallen einquartiert, „auf Stroh“, sagt Schmickler. „Wie sich die Bilder wiederholen.“

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Wilfried Schmickler zeigt uns das Haus in der Fortunastraße, in dem seine Familie früher wohnte.

Wir biegen ab in die  Fortunastraße, die früher Friedensweg hieß. „Hier hab’ ich gewohnt“, sagt Schmickler und zeigt auf eine Backsteinzeile. Zwei Zimmer.  Schwester, Mutter und Vater. Das dritte Haus ist es, mit dem grünen Türkranz und der Markise. Nebenan wohnte Tante Wiese. „Sie war nicht wirklich eine Tante“, räumt Schmickler ein.

Wenn man ihr einen Blumenstrauß brachte, habe man sich einen Groschen verdient. Geschäftstüchtig war der Kabarettist von Anfang an. Zum Kartoffelsammeln ging es auf den Acker. Später als Student in den Semesterferien zu Bayer. An den Studentenjob war er über seinen Vater gekommen: 40 Jahre lang hatte der bei Bayer gearbeitet. Für den Studenten Wilfried gab es damals 5000 Mark für knapp drei Monate Arbeit.

Engagement gegen rechts

„Meine Freunde sind in der Zeit gereist. Ich konnte dafür im Herbst sagen: Mädel, wat trinkste?“ Er malochte zusammen  mit Türken, Griechen und Italienern, die Kollegen hätten  immer geholfen, wenn was war. Da habe er zum ersten Mal großflächigen Kontakt zu Migranten gehabt, die damals noch Gastarbeiter hießen. „Das hat meine Sicht absolut geprägt.“

Heute engagiert sich Schmickler bei „Köln gegen rechts“, und immer wieder gegen  Hetze. Das Thema begleite ihn, seit er denken kann.  Seit er die Anfeindungen gegen die Gastarbeiter mitbekommen, seit er die Bilder von brennenden Häusern in Solingen und Mölln gesehen habe. „Das geht bis heute“, sagt er, tiefe Furchen graben sich in sein Gesicht. „Es scheint einfach nicht in die Köpfe hineinzugehen, dass Hautfarbe oder Religion keine Kriterien sind, um Menschen zu beurteilen.“

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Lässig schlendert Schmickler am Ufer entlang.

Es geht weiter am Ufer entlang, Schmickler schlendert lässig mit einer Hand in der etwas ausgebeulten schwarzen Hose, das karierte Hemd flattert im Wind. Ebenso die mittlerweile grauen Haare. Früher sind die  mal lang gewesen. Beim ehemaligen Frisör – selbstverständlich hieß er auch Schmickler („Mit Schmicklers können Sie hier die Straße pflastern“)  – werden wir später auch noch vorbeikommen.

(Lesen Sie hier: Leverkusen-Hitdorf im Heimat-Check: So benoten unsere Leser ihre Heimat.)

Lange währte das Trauma: Es gab nur den Fasson- oder den Rundschnitt, letzterer war etwas moderner. Doch die Mutter bestand auf den Fassonschnitt. „Furchtbar für ein Kind, vor allem, als die Beatles bekannt wurden“, sagt Schmickler lachend. „Es brauchte lange, bis ich selbst über meinen Kopf bestimmen konnte.“

Wandern ist eigentlich nicht sein Ding

Am Rhein werfen wir einen Blick auf den Yachthafen, im Hintergrund erstreckt sich das Gewirr von Gebäuden, Schornsteinen und Rohren des Bayerwerks Dormagen. Am Kran-Café kehren wir ein und gönnen uns einen Espresso. Schwarz-Weiß-Fotos an der Wand, rote Tulpen im Glas, grasgrüne Sitzkissen laden im Biergarten zum Entspannen ein.

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Spazierengehen oder Wandern sei ja eigentlich nicht so seins, gibt Wilfried Schmickler zu. Er hat sich vor Kurzem ein E-Bike gekauft. „Gazelle, so ein Omarad“, beschreibt er es, die Hände legt er an den imaginären Lenker und braust im Kopf an der niederländischen Küste entlang, wo er gerade Urlaub gemacht hat. Wäre denn auch  ein E-Roller etwas für ihn? Schmickler hebt die Augenbrauen, verzieht das Gesicht, winkt ab: „Ich stell’ mich doch nicht auf ein Kinderspielzeug, das sieht doch unwürdig aus.“

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An die Einweihung der Hitdorfer Fähre 1962 kann sich Schmickler noch erinnern.

Der Espresso ist ausgetrunken. „Wer rastet, der rostet.“ Spricht’s, steht auf – und läuft die Rheinstraße weiter entlang. Der zweite Kran aus dem Jahr 1961 wirkt wie ein Mahnmal und erinnert an Zeiten, in denen Hitdorf noch  von der Industrie zehrte: Tabakfirmen, Streichhölzer und ein Sägewerk gehörten damals zum Ort. Jetzt stehen hier neue Häuser, trotzdem hat sich der Charme des alten Hitdorfs erhalten. Die Fähre Fritz Middelanis legt gerade von Langel aus kommend an. Eine Familie  schiebt ihre Fahrräder auf Leverkusener Grund. Spaziergänger genießen die spätsommerliche Atmosphäre. An die Einweihung der Fähre kann sich Wilfried Schmickler noch gut erinnern, 1962 ist das gewesen. Die Fritz Middelanis war damals die schnellste Flussfähre Europas. Das ganze Ufer sei voller Menschen gewesen. Gesangsverein, Schule –  alle zelebrierten das Ereignis. „Die Welt hörte damals hier eigentlich auf“, Schmickler lacht. Köln, die große weite Welt auf der anderen Seite des Rheins.

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Plötzlich entfährt ihm ein „Ach nein!“:  Schmickler hat einen Bekannten entdeckt. Holger Bock vom Männerchor 1846 Hitdorf ist auf seinem Rad unterwegs, auch ein E-Bike. Schnell begrüßen sich die beiden. Schmicklers Vater sang jahrelang im Chor. „Machst du den Fremdenführer?“, fragt Bock. Später wird Schmickler auch noch eine Freundin der Schwester treffen, die „Trudi“. Das zeigt: Hitdorfer kennen sich . Auch wenn einer wie er seit Mitte der 80er Jahre in Köln wohnt.

Vorpremieren immer in Leverkusen

Apropos Domstadt: „Nee“, nie habe Schmickler daran gedacht wieder nach Hitdorf zurückzukehren. „Ich muss in der Stadt wohnen.“ Der Westdeutsche Rundfunk als regelmäßiger Auftraggeber in Köln. Seit 1992 ist er als festes Ensemble-Mitglied in der Sendung „Mitternachtsspitzen“ zu sehen.  Der Wechsel des Wohnorts passierte  schon 1985: Schmickler und ein  Freund saßen seinerzeit zusammen in der Kultkneipe Topos in Wiesdorf. Sein Großvater  sei gestorben und habe ein Haus in Köln hinterlassen, habe ihm der Freund anvertraut. Schmickler zog in das Haus ein, so endete die rechtsrheinische Zeit. Bis heute aber liegt ihm Leverkusen am Herzen: Im Matchboxtheater gibt er regelmäßig  Vorpremieren seiner Solo-Bühnenprogramme.

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Schmickler zeigt, bis wohin das Hochwasser in den 1990-er Jahren reichte.

Hinterm Kirmesplatz  liegt die  Traditions-Gaststätte Em Schockker – noch so ein Ort für Erinnerungen. Beim Anblick des Aushangs an der Fassade wird Schmickler nostalgisch: „Nach der Kirche sind wir  immer hier vorbeigekommen und haben uns die Aufstellung fürs nächste Fußballspiel angeschaut.“ Großartig talentiert war der kleine Wilfried aber nicht. „Ich hab nur mitspielen dürfen, weil wir nicht genügend Spieler waren“, sagt  er  und zuckt mit den Achseln. Wäre es anders gewesen , es  wäre vielleicht kein Kabarettist aus ihm geworden, sondern ein Fußballspieler. Aber das ist nicht wichtig. Wichtig sei: „So lange ich kann, arbeite ich. Das ist ein Geschenk.“

Der Wanderweg im Detail

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Mit Agatha Mazur spazierte Wilfried Schmickler durch Hitdorf und zeigte ihr auch das "Matchboxtheater", in dem bis heute die Vorpremieren seiner Soloprogramme stattfinden. 

1.  Start an der Antoniuskapelle

Hitdorf ist der nördlichste „Außenposten“ von Leverkusen. Knapp 7531 Menschen leben hier.  Alte Industriekultur vermischt sich auf charmante Weise mit dem dörflichen Charakter des Ortes. Wir starten unsere Tour an der Kapelle des Heiligen Antonius am Ortseingang im Norden, an der  Ecke Heerweg und Lohrstraße. Von dort aus geht es die Hitdorfer Straße herunter, ein Abstecher in die Fortunastraße führt uns zu Wilfried Schmicklers Geburtshaus. Wir flanieren die Rheinstraße entlang: Auf der anderen Seite erstreckt sich das Bayerwerk in Dormagen, man kann hier schön am Ufer laufen. 2. Rastmöglichkeiten 

Rast machen und einen leckeren frischen Espresso genießen wir  im urigen Kran-Café. Unbedingt die historischen Fotos anschauen! Wer richtig Hunger hat, kann im Restaurant Peperoncino, im Sicilia, in der Gaststätte Auf’m Lohr oder im Em Schokker einkehren. 3. Vorbei am Yachthafen

Es geht am Yachthafen vorbei, immer die Rheinstraße hinab. Rechts liegt der Fähranleger von Fritz Middelanis, der Fähre, die Hitdorf mit Langel verbindet. 4. Über die Hitdorfer Straße zurück

Wir gehen die Straße Am Werth hoch und laufen über die Hitdorfer Straße zurück Richtung Norden, wo wir wieder an der Antoniuskapelle herauskommen. Knapp vier Kilometer ist die Tour lang, eher  ein gemütlicher Spaziergang. 5. Erweiterung der Tour

Erweitern kann man die Runde, indem man am Rhein in den Auen bis nach Rheindorf läuft. Die Wupper überqueren kann man an der Wupperbrücke unter der A59. Von dort läuft man weiter am Rhein,  das Ziel ist die Schiffsbrücke Wuppermündung, ein Café und Kiosk, wo man bei gutem Wetter schön draußen sitzen kann. Kuchen, ein Glas Wein oder die gute, alte Bockwurst mit Brötchen füllen den hungrigen Magen. Das Lokal hat nur an Wochenenden geöffnet. Beim Rückweg legen Wanderfreunde noch einen Rundgang durch den historischen Ortskern von Rheindorf um die Kirche St. Aldegundis ein, die aus dem 12.  Jahrhundert stammt. Über die Unter- und Wiesenstraße gelangt man zurück nach Hitdorf.

Wer genug von der „Schäl Sick“ hat, kann von Hitdorf aus die Fähre Fritz Middelanis nach Köln-Langel  nehmen. Auf der linken Rheinseite angekommen, wartet das Restaurant-Bistro Zur Fähre auf hungrige Wanderer. Es hat täglich geöffnet und bietet bis mittags auch Frühstück an.

Service zur Wanderung: Anreise, Tour, Einkehr

Start: In Hitdorf an der Kapelle des Heiligen Antonius.  Von Köln aus fährt man mit dem Auto über die A3 /A1 Richtung Leverkusen, über die A59 und nimmt die Ausfahrt 27 bei Rheindorf. Die Hitdorfer Straße fährt man bis fast zur Ortsgrenze, am Kreisverkehr gibt es einen Parkplatz, von dem man die Kapelle bereits  sieht.  Mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man Hitdorf mit dem SB 23 von Wiesdorf aus.Länge: Unsere Tour ist eher ein Spaziergang, knapp vier Kilometer sind es einmal am Rhein entlang und durch den Ortskern hindurch. Erster Stopp ist an Wilfried Schmicklers früherem Haus (1). Die Tour lässt sich aber beliebig erweitern: Man kann die Fähre nach Köln-Langel (3) nehmen und dort weiterwandern oder rechtsrheinisch die Rheinauen in Richtung Süden laufen.www.hgk.de/leistungen/rheinfaehreEinkehrmöglichkeiten:  Neben dem Kran-Café (2) mit italienischem Espresso kann man sich auf  der Kölner Rheinseite im Restaurant Zur Fähre satt essen. Rechtsrheinisch lockt der Biergarten Schiffsbrücke Wuppermündung.zurfaehre.comwww.schiffsbruecke.comwww.kran-cafe.de

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