Tipps und AnekdotenEin Spaziergang mit Südstadt-Kenner Denis Scheck

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Kenner der Südstadt: Literaturkritiker Denis Scheck mit seinem Hund „Stubbs“.

  • Seit nunmehr 25 Jahren lebt der Literaturkenner Denis Scheck in Köln, unter anderem auch in der Südstadt.
  • Jens Meifert hat ihn zusammen mit dem Hund "Stubbs" auf einem Rundgang durch die Südstadt begleitet.
  • Dabei erfahren wir Insider, wie den italienischsten Ort der Stadt und viele weitere Tipps.

Köln – Ein Hund verlangt Bewegung und lenkt den Blick aufs Wesentliche. Wenn Denis Scheck („Ich bin ein Hans-Guck-in-die-Luft“) mit Terrier „Stubbs“ unterwegs ist, geht der Blick automatisch weg von den Fassaden und Dachgiebeln hin zu den Menschen und Wegen. Das sei in der Südstadt durchaus hilfreich, sagt der Literaturkritiker. Er schätze die Parkanlagen, eine architektonische Schönheit sei Köln nur wahrlich nicht. Eher ein Wohlfühlort, das aber unbedingt. Und die Südstadt ein großes Theater. Mit dem Chlodwigplatz als zentrale Bühne für Gaukler, Tagelöhner, Spinner und Fantasten. Ein Rundgang durch ein Veedel, das sich immer schon für unvergleichlich hielt.

Ein großes Durcheinander, täglich neu angerichtet

Den Espresso nimmt Scheck in der Bar Formula Uno. „Das ist der italienischste Ort in ganz Köln“, sagt Scheck. An der Wand hängen Bilder von Ferrari-Boliden, schlichte Tische, Italo-Pop im Hintergrund. Bar-Chef Carmelo Bennardo wird bei Spielen der Squadra Azzurra zum Zeremonienmeister und rühmt sich, den Autokorso nach Deutschland gebracht zu haben. Scheck lebt schon seit rund 25 Jahren in Köln, in Nippes und Rodenkirchen und lange Zeit in der Südstadt. Gewohnt hat Scheck in der Merowingerstraße, wo er aus dem Fenster einen hervorragenden Blick auf die „Vringspooz“, die Severinstorburg, und den Chlodwigplatz gehabt hat. Die Szenerie auf der Straße erinnert ihn an Peter Handkes Theaterstück „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“. Menschen begegnen einander, zufällig oder auch nicht, helfen sich, behindern sich, finden sich. Ein großes Durcheinander, täglich neu angerichtet. Ein Welttheater oder doch nur Kasperle-Figuren? Drum herum rollen die Bahnen und Busse. „Es ist ein Wunder, dass hier nicht täglich drei Menschen überfahren werden.“

Donnerstag ist Markttag. Den gibt es erst seit der Neugestaltung des Platzes, und er trägt ein Stück dazu bei, dass die Südstadt wieder mehr Dorf geworden ist. In den 90er Jahren sei das Viertel doch sehr museal daher gekommen, aus den Künstlern und Kreativen waren pensionierte Studienräte geworden, und mit der gastronomischen Szene war es auch nicht so weit her. „Es war eine verblühte Schönheit.“ Heute darf der Öko-Bäcker auf dem Markt nicht fehlen, der große Blumenhändler steht direkt vor der Torburg, auch ein Pferdemetzger ist dabei.

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Denis Scheck vor der Torburg.

Schon zu Römerzeiten war dieses Pflaster ein wichtiger Handelsweg. Im Mittelalter hatten Übeltäter einen Spießrutenlauf hinter sich, wenn sie unter Hieben aus der Stadt geprügelt wurden und endlich am „Schmitz Backes“ vorbei kamen, der Überlieferung nach eine Bäckerei nahe der Torburg. Heute ist der Severinskirchplatz die große Fernsehbühne für die Karnevalszüge, und alljährlich wird an Weiberfastnacht das Schauspiel von Jan und Griet zur Aufführung gebracht. Das anmutige Schauspiel um den Knecht, der hochdekoriert aus dem Krieg heimkehrt und die Magd, die ihn zuvor verschmäht hatte, steht in Köln noch heute für eine verpasste Gelegenheit: „Wer er hätt jewoss, der et hätt jedonn“!“

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Ein Wahrzeichen, das jeder kennt: Die Severinstorburg am Chlodwigplatz

Die benachbarte Severinskiche steht auf einer Friedhofskapelle aus dem 4. Jahrhundert, in römischer Zeit befanden sich beiderseits der nach Bonn führenden Ausfallstraße Gräberstätten. Heute ist der dem dritten Bischof von Köln, dem Heiligen Severin, gewidmete Bau die zweithöchste der zwölf romanischen Kirchen, auch wenn das Mittelschiff im Inneren eher gotische Wucht entfaltet. In den vergangenen Jahren wurde die Kirche umfangreich saniert, die alten Schieferplatten des Dachs wurden gegen eine kleine Spende verkauft, sie dienen heute in vielen Südstadt-Haushalten als dekoratives Accessoire.

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Wer noch mehr Sakralbauten erkunden mag: St. Maternus wurde als letzte der Neustadtkirchen Anfang des vergangenen Jahrhunderts geplant (Maternuskirchplatz). Bei der evangelischen Lutherkirche blieb von dem Neorenaissancebau nur der Turm stehen, der heutige Kirchenraum stammt aus den frühen 60er Jahren (Martin-Luther-Platz).

Viele Literaten ließen hier ihre Spuren

Der Weg durch die Südstadt könnte auch ein literarischer sein. Dieter Wellershoff lebte in der Mainzer Straße, nicht weit vom Brausen der Rheinuferstraße und dem Rheinauhafen entfernt. Nur wenige Häuser neben Filmemacher Heinrich Breloer übrigens, der Thomas Manns Leben verfilmt hat und den Scheck wegen seines präzisen Blicks schätzt. Und Frank Schätzing, mit dem Bestseller-Autor trifft sich der Kritiker schon mal zum gemeinsamen Kochen. Und natürlich steht in der Teutoburger Straße das Geburtshaus von Heinrich Böll, dem „guten Menschen aus Köln“, 1973 zum Literaturnobelpreisträger gekürt. Dass Scheck sein Werk eher kritisch sieht, ist kein Geheimnis.

Im Römerpark wird Boule gespielt

Zeit zum Verweilen bietet der benachbarte Römerpark mit der Alten Universität. Vor dem neobarocken Gebäude, das heute von der Fachhochschule genutzt wird, erinnern Bodentafeln an die dunklen Stunden der Bücherverbrennung in den 30er Jahren. Während der Nazi-Zeit saß hier die NSDAP-Gauleitung Köln-Aachen.

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Sattes Grün mitten in der Südstadt: Der Römerpark

Udo Jürgens drehte hier Szenen seiner filmischen Biografie (und bildete den New Yorker Central Park ab). Heute spielen Kinder Verstecken und Erwachsen Boule, natürlich mit einem Glas Rotwein in der Hand. Schecks Jack Russel „Stubbs“ genießt einfach den Freiraum. Der Kritiker schreibt gerade ein Buch über seinen treuen Begleiter. Titel: „Der undogmatische Hund“. Es gehe um die Wechselwirkung zwischen Mensch und Hund. Dass sich Gelassenheit erlernen lasse unter anderem. Das wissen sie in der Südstadt schon lange.

Weitere Tipps zur Tour

Informationen: Zu einer Attraktion hat sich der Rheinauhafen entwickelt. Am Wochenende flanieren Scharen von Besuchern über die Uferpromenade, Architekturfans fotografieren die mächtigen Kranbauten oder bestaunen die edlen Eigentumswohnungen, die in den alten Speichergebäuden entstanden sind. Auch wenn der umgebaute Hafen kein echtes Veedel ist: Hier ist für jeden etwas dabei. Wer es sich leisten kann, speist in einem der Restaurants, wer nicht, trinkt Limo oder Kölsch auf einem der Treppenplätze – und genießt die gleiche schöne Aussicht.

Museen: Bei schlechtem Wetter lohnt sich ein Ausflug ins Sport- und Olympiamuseum. Hier sind neben Rekorden und Anekdoten zum Beispiel ein Fomel-1-Flitzer von Michael Schumacher und die Schuhe von Olympia-Siegerin Heike Drechsler zu sehen. Nebenan lockt seit über 20 Jahren das Schokoladenmuseum der Familie Imhoff. Die Probe auf der Waffel am Schokobrunnen ganz zum Ende der Führung ist Pflicht. Vor der Tür steht in diesem Sommer zudem das Europa-Rad, ein 55 Meter hohes Riesenrad, mit tollem Ausblick auf den Dom.

Der Tipp für Kinder: Bei schönem Wetter wird die südliche Spitze des Rheinauhafens zum Erlebnispark. Im Schatten des Gebäudes „Kap am Südkai“ können die Jüngsten im Sand buddeln, während die Älteren eine Partie Beach-Volleyball hinlegen. Auf der Wiese daneben ist Platz für ein Picknick mit der ganzen Familie, auch im Schatten.

Der Foto-Tipp: Die Südbrücke, die hinüber nach Köln-Poll führt, ermöglicht eine tolle Perspektive auf Rhein und Stadtpanorama – oder von oben einen Blick auf den Skaterpark.

Stärkung für die Tour: Hummus mit Gemüse zum Dippen 

Zutaten für 4 Personen:

1 Dose Kichererbsen (ca 250 g)

1 Knoblauchzehe

1 TL Kreuzkümmel

2 EL Tahini

2 EL Olivenöl

Salz, Pfeffer

1 Bund Radieschen

½ Schlangengurke

1 Kohlrabi-Knolle

8 Fingermöhren

Zubereitung:

Kichererbsen abgießen, das Einweichwasser (aqAquaaFaberdabei auffangen und beiseite stellen. Knoblauchzehe schälen. Kichererbsen mit der Hälfte des Einweichwassers, Knoblauch, Kreuzkümmel, Tahini und Olivenöl fein pürieren.

Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Nach Bedarf Olivenöl und Tahini hinzufügen, so wird der Hummus noch cremiger.

Gemüse waschen, putzen und in mundgerechte Stücke schneiden. Gemüse zum Hummus servieren. Dazu schmeckt am besten ein weiches, frisches Fladenbrot. (Rezept: Julia Floß)

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