Ausstellung DüsseldorfWas von den Briten in NRW ab 2020 bleibt

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Marlies Gabbardo mit britischen Kollegen.

Düsseldorf – 2020 endet die 74-jährige Ära britischer Präsenz in NRW. Zum Abschied hat der Landtag NRW die Paderborner Historikern Bettina Blum beauftragt, eine Ausstellung zu konzipieren. Seit 4. Mai ist diese in der Düsseldorfer Wandelhalle zu sehen.  Gezeigt werden Erinnerungsstücke rheinländisch-britischer Begegnungen  – die auch von unseren  Leserinnen und Lesern zur Verfügung gestellt wurden. Eine Auswahl

Zur Ausstellung

„Briten in Nordrhein-Westfalen“ lautet der Titel einer  zweisprachigen Ausstellung,  die – anlässlich des weitgehenden Abzugs der Briten bis 2020 – vom 4. Mai bis 2. Juni in der Wandelhalle des Düsseldorfer Landtags präsentiert wird.   

Es geht um  die verschiedenen, teils sehr persönlichen Aspekte des Zusammenlebens der Nordrhein-Westfalen mit den britischen Soldaten – und was von den  Kontakten, Erlebnissen und Erfahrungen bleibt. An Wochenenden ist die Ausstellung  von 11 bis 17 Uhr geöffnet – der Eintritt ist frei. Kostenlose  Führungen in Deutsch und Englisch  können gebucht werden unter:

www.briten-ausstellung@landtag.nrw.de

Katja Preusser aus Siegburg  bereichert die Ausstellung mit einem Arbeitspass und einem Arbeitszeugnis ihrer Mutter, Marlies Gabbardo

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Marlies Gabbardo hat von 1946 bis 1953 beim britischen Miltär in Düsseldorf gearbeitet.

Rund hundert tausend Deutsche waren  nach dem Krieg als Telefonisten, Übersetzer, Lehrer oder Fahrer  bei der britischen Militärregierung angestellt. Eine von ihnen war Marlies Preusser,  geborene Gabbardo, die  von Februar 1946 bis März 1953 als Büroangestellte beim britischen Militär in Düsseldorf arbeitete  – ihre erste  Stelle nach dem Abitur. Da Lebensmittel    stark rationiert waren, musste auch sie, um an Lebensmittelkarten zu kommen,  den deutschen Behörden regelmäßig nachweisen,  dass sie arbeitete. Und das  tat sie, wie ein Zeugnis von 1953 verrät, exzellent. „Zu jeder Zeit war ihr Einsatz  von höchster Qualität“, attestierte ihr darin  Major Officer E.J. Devaney, ihr Chef. Die Begeisterung beruhte auf Gegenseitigkeit: „Die acht Jahre bei den Briten gehörten zu der schönsten und autonomsten Zeit im Leben meiner Mutter“, sagt ihre Tochter Katja Preusser. Immer wieder habe sie von der  angenehmen Arbeitsatmosphäre und den netten Kollegen  geschwärmt.  Katja Preußer: „Die starke Affinität zu Großbritannien im allgemeinen, zur englischen Sprache, zum Königshaus  und auch ihre  feine englische Art bewahrte sich meine Mutter bis zu ihrem Tod im Jahr 2012. Wie gut, dass sie nicht mehr miterleben muss, was  derzeit im britischen Unterhaus passiert. Das hätte sie den Engländern nicht zugetraut.“ 

Jürgen Woelke aus Gummersbach erinnert mit seinem Beitrag an das sogenannte  Fraternisierungsverbot

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Historiker Jürgen Woelke aus Gummersbach.

Von Frühjahr bis Herbst 1945 untersagte das   „Fraternisierungsverbot“ den Briten jede Form von Verbrüderung und freundschaftlichem Kontakt mit den Deutschen.  Und in den ersten Monaten hielten sich auch die für ein knappes Jahr in Gummersbach stationierten „Irish Guards“ weitgehend an dieses mit Versetzung und Verachtung geahndete Verbot. Selbst die im Spätsommer 1945 von der Theatergruppe der Irish Guards im Gummersbacher Kino „Central-Theater“ präsentierte Revue „Danger-Men at Play“  enthielt einen Sketch zum Fraternisierungsverbot.

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Programmheft zur britischen Revue in Gummersbach im Spätsommer 1945.

Historiker Jürgen Woelke: „Einheimisches Publikum war hier nicht vorgesehen, wie das Central-Theater damals generell der Besatzung vorbehalten blieb.“ Doch schon bald spielte das „Verbrüderungsverbot“ keine Rolle mehr im oberbergischen Alltag: Frauen aus der Nachbarschaft wuschen und bügelten  gegen Zigaretten und Schokolade die Wäsche der  Soldaten. Wenn es in ihrer Kantine Orangen gab,  gingen die wiederum mehrmals in der Reihe an der Ausgabe vorbei, um für die Kinder in der Nachbarschaft ein paar Früchte abzuzweigen, erzählt  Woelke und auch davon, dass bereits im Dezember 1945 Gummersbachs Ladies  zum Tanztee des Bataillons geladen waren.

Dr. Ansgar Molzberger  vom Institut für Sportgeschichte der Deutschen Sporthochschule Köln beweist  mit dem Programmheft zur Gründungsfeier am 29. 11. 1947  den Einfluss der Briten auf die Entstehung  SpoHo

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Dr. Ansgar Molzberger vom Institut für Sportgeschichte.

Die britischen Alliierten  wollten Deutschland entnazifizieren und demokratisch aufbauen – dachten dabei neben dem Geist  auch an den Körper.  „Sport und Leibeserziehung waren zuvor von den Nationalsozialisten zur Wehrhaftmachung, der Sportlehrerberuf zur Militärerziehung  missbraucht worden“, sagt Ansgar Molzberger vom Institut für Sportgeschichte der Deutschen Sporthochschule Köln (SpoHo). Also musste eine neue Generation Sportlehrer „herangezogen“ werden –  in einer zentralen,  maßgeblich von den Briten konzipierten,  Bildungsstätte.

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Programmheft zur Gründungsfeier Sporthochschule Köln im November 1947.

München, Frankfurt und Köln bewarben sich, die Domstadt erhielt den Zuschlag – auch, weil sich der britische „Sportkommissar“  John G. Dixon für den  Standort Köln starkmachte und dafür später (1977) zum ersten Ehrendoktor der SpoHo  ernannt wurde. Molzberger:  „Hinzukam, dass das Kölner Stadion  im Krieg nicht zerstört worden war und die Stadt  zusicherte, die Hochschule finanziell zu tragen.“  So kam es, dass  die Sporthochschule im November 1947 feierlich eröffnet werden konnte. Den Briten sei Dank.

Barbara Müller-Stolz, Präsidentin des Cosmopolitan Ladies Club of Cologne, erinnert an den 40. Gebrutstag des Clubs

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Barbara Müller-Stolz ist Präsidentein des Cosmopolitan Ladies Club of Cologne.

Ein Kölner Frauenclub, der seine Existenz den britischen Offiziersdamen, deren Männer in NRW stationiert waren,  zu verdanken hat, ist der „Cosmopolitan Ladies Club of Cologne“. Im Gründungsjahr 1948 hieß der Club noch „British Officers Wives Club“ – doch relativ schnell öffneten ihn die Britinnen auch für Deutsche und  Frauen anderer Nationalitäten. Im vergangenen Jahr feierte der Club 70-jähriges Bestehen –  und hat sich seitdem stark in seiner Struktur verändert. Heute gehören seine  40 Mitglieder 14 Nationalitäten an –  die Ziele aber bleiben die gleichen:  Die englische  Sprache, Traditionen und Freundschaften zu pflegen. Nebenbei erkunden die Damen, die sich jeden zweiten Mittwoch in der Alten Feuerwache im Agnesviertel treffen,  die kulturelle Landschaft der Region, geben  Hilfestellung beim Eingewöhnen in das Leben in Deutschland oder organisieren Vorträge. „Alle Aktivitäten finden  ausschließlich  in englischer Sprache statt“, betont Präsidentin Barbara Müller-Stolz.

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Festschrift zum 40. Geburtstag des Cosmopolitan Ladies Club of Cologne.

Da bei einem Autounfall beinahe alle historischen  Dokumente verbrannten, ist das älteste   Schriftstück, das dem Club erhalten blieb,  eine Festschrift zum 40. Geburtstag aus dem Jahr 1988 – „Ein schönes Beispiel dafür, wie sich Strukturen und Organisationen verändern, die persönlichen Beziehungen aber erhalten bleiben und eine neue Form bekommen“, sagt Ausstellungskuratorin Bettina Blum.

Willi Rose aus Köln steuert  Konzertkarten des legendären Jaguar-Clubs in Herford zur Ausstellung bei

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Willi Rose aus Köln.

Im Sommer 1967  lernt der gebürtige Parderborner Willi Rose   den in Sennelager  stationierten Briten „Dave“ kennen und freundet  sich, auch wegen des übereinstimmenden Musikgeschmacks, mit ihm an.   Irgendwann erfahren die beiden vom Jaguar-Club, der die  Top-Bands aus den Hitparaden – „Wir hörten  damals den   angesagten Soldaten-Sender BFBS“ – nach Ostwestfalen holte und das Gebiet in den späten 1960ern zum Zentrum des Jazz machte.  Willi Rose: „Dave,  ich und ein alter VW-Bus, in dem wir   übernachteten, um die besten Plätze zu ergattern, fuhren beinahe jedes Wochenende, mindestens aber zweimal im Monat  nach Herford, um Konzerte  von Jimmy Hendrix, The Who, Cream, Smoke, und vielen mehr zu  erleben.“ Dave war es auch, der Willi Rose  mit günstigen Platten aus dem Naafi-Shop versorgte.

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Konzertkarten des legendären Jaguar-Clubs in Herford.

Sein Faible für Musik der 60er-Jahre blieb erhalten, die Freundschaft nicht. „Dave“ war nur zwei Jahre in Westfalen stationiert und ging Ende der Sechziger zurück auf die Insel – Willi Rose 1969 nach Köln. „Wir waren jung, hatten kaum Geld und kein Handy, da fiel es schwer über die weite Distanz Kontakt zu halten.“

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