Bestseller-Autorin Juli ZehWarum Mädchen vom Umgang mit Pferden profitieren

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Vom Umgang mit Pferden profitieren Mädchen fürs ganze Leben. Das glaubt auch die Bestsellerautorin und passionierte Reiterin Juli Zeh.

Erwachsene Frauen kann man unterscheiden: Waren sie früher ein Pferdemädchen? Oder ist ihnen der Unterschied zwischen Dressur und Voltigieren genauso komplett egal wie ihnen der zwischen Striegel und Kardätsche unbekannt ist?

Für viele ist das Reiten eine Phase vor dem ersten Freund. Ein nicht gerade kostengünstiges Hobby übrigens, geduldig getragen von Eltern, die den Nachwuchs zum Reiten kutschieren. Solche Mädchen wollen in Ferien auf den Ponyhof und möglichst selbst ein Pferd besitzen – am besten ein so wildes wie Ostwind, das nur sie allein reiten dürfen. Soweit das Klischee. Viel Romantik umweht die Pferdeliebe von Mädchen, und sie bietet Stoff für Wissenschaftler, die darüber herausgefunden haben wollen: Alles bestens, der Umgang mit dem Pferd macht nämlich selbstbewusst und verantwortungsvoll.

Der Hype geht weiter

Einige bleiben ihr Leben lang Pferdemädchen. Wie Queen Elizabeth II., die mit vier Jahren ihr erstes Pony hatte und heute mit über 90 immer noch im Sattel sitzen soll. Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wuchs im Pferdeland Niedersachsen mit Pferden auf und ist bis heute passionierte Reiterin. Pferdeshows locken jährlich mehr als eine halbe Million Zuschauer in die Arenen und der neue Immenhof-Film schaffte es auf die Liste der beliebtesten Kinostreifen dieses Jahres. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), der Dachverband des Pferdesports, kann die Liebe zum Pferd mit eigenen Zahlen belegen: Danach gibt es in Deutschland rund 1,3 Millionen Pferde, viermal so viele wie noch vor 40 Jahren. Die Pferdewelt selbst ist offenbar relativ fest in Frauenhand. Etwa jedes dritte Mitglied in deutschen Reitvereinen – und rund 90 Prozent der unter 14-Jährigen dort – ist weiblich. Für betroffene Familien hat der Verband eine Broschüre ins Netz gestellt, Titel „Hilfe, mein Kind ist pferdeverrückt“.

Denn wie bei jeder großen Liebe ist Widerstand beinahe zwecklos. Wenn die Pferdeverrücktheit zuschlägt, tapezieren junge Mädchen von heute auf morgen ihre Zimmer mit Pferdepostern und lesen Geschichten über Reitställe, Pferdeflüsterer und andere Mädchen, denen der Wind im Galopp durch die Haare streicht. Ein Glückstag ist, den ganzen Tag im Stall verbringen zu können. Dort kratzen Mädchen Hufe aus, misten klaglos Pferdeboxen und striegeln ihr Lieblingspferd. Auch Bestsellerautorin Juli Zeh war eine von ihnen. Die Eltern bezahlten nur wenige Reitstunden, ein eigenes Pferd war ein Traum ohne Chance auf Wirklichkeit. Heute ist Zeh eine von Deutschlands bekanntesten Bestsellerautorinnen. Zwischen zwei Romanen hat sie tatsächlich eine „Gebrauchsanweisung für Pferde“ geschrieben.

Wer sich da wundert, dem sagt sie: „Ich bin eine Pferdetante. Und: „Pferde bestimmen meine gesamte persönliche Entwicklung.“ Schon als Kind habe sie sich ein Leben ohne Pferde nicht vorstellen können – auch wenn es lange dauerte, bis sie ein eigenes besaß.

Schutz vor Drogenerfahrungen

„Für mich war das als Jugendliche und als Kind die größte Sehnsucht meines Lebens. Ich hatte keinen Antrieb in mir, der so stark war, wie der Wunsch zu reiten und meine Zeit mit Pferden zu verbringen.“ Sie hätte ganz in der Pferdewelt versinken können, wenn die Eltern ihr eins gekauft hätten. Doch die sagten Nein. Wäre es andersherum gewesen, wahrscheinlich hätte sie große Teile der Pubertät verpasst und wäre nicht jahrelang unglücklich verliebt gewesen. „Vielleicht wären mir Magersucht und Drogenexperimente erspart geblieben.“ Wohl auch deshalb wollte sie endlich schreiben über ihre Leidenschaft. Denn von Pferden lasse sich vor allen Dingen viel über den Umgang der Menschen miteinander lernen, findet Zeh: „Sie sind unheimlich kommunikativ und offen.

Buch und Person

Juli Zeh (45) ist eine deutsche Schriftstellerin und Juristin. Zu ihren bekanntesten Werken gehört der Roman „Leere Herzen“. Seit Januar 2019 ist sie Richterin am Landesverfassungsgericht Brandenburg.

Juli Zeh: „Gebrauchsanweisung für Pferde“. Piper Verlag, 224 Seiten, 15 Euro  

Die kommen auf Menschen zu. Die meisten bieten eigentlich immer erst einmal an: Guck mal, hier bin ich. Wer bist du? Haben wir was miteinander? Da ist dieses Angebot. Dass man daraus etwas machen kann und was das verlangt, was die Schwierigkeiten sind, was das Scheitern ist, wann man an seine Grenzen stößt – das ist ein faszinierender Prozess, der einen nicht mehr loslässt.“

Heute wohnt Juli Zeh auf dem Land und drei Pferde stehen auf einer Weide vor ihrer Haustür, jeden Vormittag geht sie zu ihnen in den Stall. 15 Jahre verbrachte sie zuvor in Pferdepause, aber schon das Brummen einer Stallfliege weckte die Sehnsucht nach ihnen. Dann meldete sich ein Nachbar und überredete sie, ein misshandeltes Tier zum Schlachtpreis aufzunehmen. Sie hat es umbenannt. Aus „Rowdy“, einem traumatisierten Pferd voller Panik, das bei jeder Gelegenheit durchging, wurde „Neo“. Rowdy brach ihr dreimal einen Finger. Er brachte sie mehrmals in Lebensgefahr. Trotzdem machte Zeh weiter. Wichtigste Lektion: Pferdemädchen sind nicht zimperlich. „Gerade am Anfang fällt man häufig runter. Das ist gewiss nichts für Heulsusen.“

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Reiten belegt Platz eins der gefährlichen Sportarten für Frauen. Und es frisst jede Menge Zeit und Geld. Pferdefrauenmännern gibt Zeh deshalb mit auf den Weg: „Zeige niemals Eifersucht, geschweige denn Ablehnung, Kritik oder auch nur Zweifel am Pferd. Lobe die Fortschritte von Pferd und Frau, auch wenn du nichts davon siehst. Schenke ihr zu jedem Geburtstag eine Regen-, Sommer-, Fliegen-, Thermo- oder Abschwitzdecke, ohne zu fragen, warum das Pferd mehr Jacken braucht als du.“

Es geht um die Beziehung. Tatsächlich ist die Kommunikation mit Pferden mitunter erstaunlich. Ein Pferd galoppiert an, wenn die Reiterin nur daran denkt. Es wiehert freudig, wenn frau noch gut 400 Meter vom Stall entfernt und nach menschlichem Dafürhalten weder zu sehen noch zu hören ist. Das sensible Tier – einmal auf seinen Menschen eingestellt – nimmt feinste Zeichen wahr. Kraft mischt sich mit Eleganz, das Wilde mit dem Sanften. Ein Pferd strahlt Geborgenheit aus, lädt zum Anlehnen ein und sein Hals zum Umschlingen. „Sie verstehen sie als Freunde, als Partner, denen man etwas anvertrauen kann“, erklärt die Leiterin der Abteilung Jugend bei der FN die innige Begeisterung von Mädchen fürs Pferd. Und wenn sich jemand Pferdewissen aneignet wie Juli Zeh und beharrlich bleibt, dann macht das Pferd diesem Menschen sein größtes Geschenk: Es vertraut ihm. „Heute, gut zehn Jahre später, kann ich auch Reitanfänger ohne Sorge auf seinen Rücken setzen“, notiert Zeh über ihren ehemaligen Rowdy. „Ein langer Weg. Jeder einzelne Schritt hat sich gelohnt.“ Und so kommt es, dass eine Gebrauchsanweisung für Pferde vielleicht auch eine fürs Leben sein kann. Die Gemeinschaft zwischen Tier und Mensch entsteht nur dann erfolgreich, wenn sich beide aufeinander einlassen. Denn das Pferd ist zwar ein Fluchttier mit beeindruckendem Stockmaß, größer und stärker als jedes andere Haustier, aber im Wesenskern gutmütig. „Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.“ Diesen Satz aus dem Mädchen-Poesiealbum interpretiert Juli Zeh, die inzwischen auch ausgebildete Pferdeverhaltenstherapeutin ist, deshalb neu. „Das höchste Glück der Erde liegt nicht auf dem Rücken von irgendwem. Es liegt in der vollkommenen Wahrnehmung des jeweiligen Augenblicks. Im Wunder unserer gemeinsamen Existenz.“

Messe „Equorius und Bunte Hunde”

Equorius und Bunte Hunde – Erlebniswelt „Pferd & Hund“ 28. und 29. September 2019 Galopprennbahn Weidenpesch

Zwei Tage lang heißt das Motto wieder „Erleben, ausprobieren und mitmachen“. Zahlreiche Referenten vermitteln Wissenswertes über das Lieblingstier und stehen mit Tipps und Tricks zu den wichtigsten Hunde- und Pferdethemen zur Verfügung. Unter anderem geht es um „Yoga mit Hund“, Agility oder Erste Hilfe für Pferd und Hund. Ganztägig werden weitere interessante Themen wie Kommunikation zwischen Mensch und Pferd, Westernreiten, Holzrücken, Working Equitation sowie die unterschiedlichsten Pferderassen wie etwa die Besonderheiten der Mustangpferede vorgestellt. Auch für die kleinen Besucher wird einiges geboten: Fotos von sich und dem Filmpferde der Wendy-Filme, Ponys streicheln, putzen, selbst reiten und noch vieles mehr. Kölns größte Hundewiese wartet täglich ab 13 Uhr im Innenbereich der Rennbahn auf lauf- und spielbegeisterte Gäste.

Bereits einen Tag vor der offiziellen Eröffnung, also am 27. September, wird die Eqoroius und Bunte Hunde mit einem großen Pferderennen auf der Galopprennbahn eingeläutet.

Tickets ab 6,50 Euro www.koelnticket.de

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