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Ambitionierte PläneStadt will bis 2025 die Kölner aufs Fahrrad bringen

Lesezeit 7 Minuten
Fahrradfahren in Köln

Das Fahrrad könnte die Lösung des Stau-Problems sein.

  • Zwei Drittel aller Verkehrsteilnehmer sollen künftig mit Bus, Bahn, Rad oder zu Fuß unterwegs sein.
  • Stadt Köln und ADFC planen Projekte und Wege wie Schnellstraßen für Fahrradfahrer.

Haben Sie im Stau auch schon mal von einer Zukunft mit fliegenden Autos geträumt?  Dann gibt es für Sie eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte zuerst: Fliegende Autos werden Sie vermutlich nicht mehr erleben. Die gute: Eine Lösung für das Stau-Problem gibt es trotzdem.

Und zwar schon lange. Der Fortschritt könnte nämlich  gewissermaßen in einem Rückschritt liegen:  Dem vom Auto zum Fahrrad. „Die autogerechte Stadt, die sich in den vergangenen 50 Jahren durchgesetzt hat, hat den Radfahrer ausgeblendet“, sagt Alexander Schmidt,  Professor am Institut für Stadtplanung und Städtebau der Universität Duisburg-Essen mit dem Schwerpunkt Mobilität. Er ist überzeugt davon, dass das Fahrrad in Zukunft wichtiger werden  muss.  Dass Auto- und Bahnverkehr heute an ihre Grenzen stoßen und wir so viel Stau stehen – „vielleicht auch ein Segen“, sagt er.  Denn das macht Lust aufs  Umsteigen.

Der ADFC will das ändern

Joachim Schalke, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in Köln, beobachtet den Wunsch zum Umsteigen schon: „Das Rad ist ein Lifestylefahrzeug und entspricht dem Zeitgeist. Außerdem merken die Leute, dass sie damit schneller durch den Stadtverkehr kommen.“ Dass Köln bislang trotzdem keine Fahrradstadt ist, liegt weniger daran, dass die Menschen zu faul wären. „Radfahren in der Stadt ist lebensgefährlich“, sagt Städteplaner Schmidt. „Wir können nicht einfach sagen, die Leute sollen alle umweltgerecht mit dem Rad zur Arbeit fahren. Wir müssen auch die entsprechenden Wege anbieten“.

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Die Stadt Köln setzt sich in dem Strategiepapier „mobil 2025“ selbst zum Ziel, dass  Autofahrten nur noch ein Drittel des gesamten Verkehrs ausmachen sollen. Zwei Drittel sollen dann mit Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß bewältigt werden. Für eine fahrradreiche Zukunft müssten sich jedoch sowohl unser Verhalten als auch die Verhältnisse ändern, sagt Städteplaner Alexander Schmidt.

Fläche ist ungerecht verteilt

In puncto Verhalten sind sowohl Rad- als auch Autofahrer gefragt. „In Städten wie Amsterdam oder Kopenhagen fahren die Leute bei jedem Wetter Rad.“ Das Fahrrad ist dort weniger Freizeitobjekt und mehr Verkehrsmittel. Autofahrer müssen sich dort natürlich entsprechend auf die Radfahrer einstellen.  „Autofahrer in Deutschland sind so sozialisiert, dass sie sich für die Könige auf den Straßen halten“, sagt Schmidt.  Mit dem Ergebnis, dass  Radfahrer häufig übersehen werden. 2014 starben in Deutschland 396 Fahrradfahrer, 77900 wurden verletzt. Zwölf Prozent aller im Straßenverkehr Getöteten und 20 Prozent aller Verletzten waren demnach mit einem Fahrrad unterwegs.

Und die Verhältnisse? „In Köln sind die Flächen ungerecht verteilt“, kritisiert Joachim Schalke. „15 bis 16 Prozent aller Verkehrsteilnehmer in Köln sind mit dem Fahrrad unterwegs. Ihnen steht aber nur ein Bruchteil der Gesamtfläche zur Verfügung. Angesichts dessen es zu erwartenden Zuwachses brauchen wir erheblich mehr Fläche für Radverkehrsanlagen.“ Und die sollte eindeutiger gekennzeichnet sein.

Schnellstraßen auch für Fahrradfahrer gegen Verwirrungen im Verkehr

„Radverkehr und Autoverkehr laufen oft durcheinander. Mal sollen die Räder auf der Straße fahren, mal auf dem Gehweg. Das verwirrt.“ Eine Umverteilung der Fläche sei nötig. „Zum Beispiel parken zu viele Autos im öffentlichen Verkehrsraum. Die stehen dann bis zu 23 Stunden, das ist nicht mehr zeitgemäß.“

Einer Studie der OECD zufolge hat der Fahrradverkehr in Kopenhagen zwischen 1996 und 2010 um 20 Prozent zugenommen. Im selben Zeitraum sank die Zahl der gemeldeten Radunfälle um 70 Prozent. Die Studienmacher gelangten zu dem Ergebnis: Wo mehr Radfahrer unterwegs sind, passieren weniger Unfälle mit Radfahrern. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass sich die Autofahrer den vielen Radfahrern anpassten.

Schnellstraßen im Berufsverkehr

Kopenhagen ist  ohnehin die Vorzeigestadt, wenn es ums Radfahren geht. Längst ist dort Realität, was hierzulande kaum mehr als eine schöne Idee ist: Fahrradschnellstraßen für Radfahrer. Sie sind für Fahrradfahrer das, was die Autobahn für Autos ist. Es gibt keine Ampeln und keine parkenden Autos, die den fließenden Fahrradverkehr behindern würden. Sogar eine 235 Meter lange Brücke nur für den Fahrradverkehr gibt es.Wo sich früher Fußgänger, Auto- und Radfahrer in die Quere kamen, sorgt die erhöhte Fahrradstrecke jetzt für  freie Fahrt. Auch in den Niederlanden sind solche Radschnellwege längst Alltag. „Das Fahrrad erholt sich in solchen Städten, wo die Wende schon eingeleitet ist“, sagt Schmidt. Das heißt: Wo ihm Raum gegeben wird.

„Es heißt zwar immer, wir hätten doch in Deutschland genug Fahrradwege“, sagt Schmidt. Gemeint seien aber die Freizeitwege, etwa entlang des Rheins. „Wir brauchen Wege, die den Radfahrer in die Stadt und den Berufsverkehr integrieren.“ Ob das mit Fahrradstraßen geschehen soll oder die Radfahrer auf die Straße gehören, darüber streiten sich Experten. Schmidt plädiert für Lösungen wie die Radschnellstraßen in Kopenhagen. „Für Autofahrer sind Radfahrer auf der Straße ein lebendes Verkehrshindernis“.

Projekte und Wege sind bereits in Planung

Auch in Deutschland sind entsprechende Wege in Planung. Zum Beispiel die Radschnellstraße  RS1, die derzeit im Ruhrgebiet entsteht. Rund 100 Kilometer lang wird sie sein und zwischen Duisburg und Hamm verlaufen. In Teilen ist sie bereits befahrbar.

In Planung ist solch ein Radschnellweg auch zwischen dem Frechener Bahnhof und der Kölner Universität. Das Vorhaben ist eins von fünf Projekten, die 2013 beim Planungswettbewerb für Radschnellwege des Landes Nordrhein-Westfalen ausgewählt wurde. Der Radweg soll den Verkehr auf der Dürener Straße entlasten.

Die Regellösung werden solche Radschnellwege in Köln allerdings nicht sein, ist Joachim Schalke vom ADFC sicher. „Eigentlich wäre Köln zwar eine gute Fahrradstadt, weil sie schön flach ist“, sagt er. Allerdings gebe es nicht genug Platz für den Radverkehr. An Unfallschwerpunkten wie den Kölner Ringen fordern der ADFC und die Initiative Ringfrei, Autofahrspuren in Radspuren zu verwandeln. Der Verkehr soll mit einem Tempolimit von 30 km/h entschleunigt werden.

Netze für Mobilität und ideale Radtouren für Radel-Fans

„Lange Zeit war der fließende Straßenverkehr das Credo der Verkehrsplanung“, sagt Alexander Schmidt. „Trotzdem stehen wir fast alle morgens auf dem Weg zur Arbeit im Stau.“ Für die Zukunft sieht er ein „intermodales Mobilitätsnetz“ mit Knotenpunkten, die Bike-Sharing, Ladestationen für E-Bikes und Mietstationen für Räder und Autos bieten. Auch gesicherte Fahrradparkhäuser müssten her, denn wo das Rad alltägliches Verkehrsmittel  ist, investieren die Menschen auch mehr: in Elektroräder,  Alu-Leicht-Flitzer, Räder mit Sitzmöglichkeiten für mehrere Kinder. „Ein solches Hightechgerät stellt man nicht einfach am Bahnhof ab“, sagt Schmidt. 

Über eine Smartphoneapp lassen sich die günstigste Kombination herausfinden und Fahrten und Fahrzeuge buchen. Jeder kann sich  sein eigenes Verkehrsnetz spinnen und  Lücken   auf Radwegen oder zu Fuß überwinden.  Auch der Stadt Köln schwebt ein solches Konzept vor. Doch noch fehlt es an„Bikeability“. „Wer fährt schon gerne kilometerlang mit dem Rad an einer sechsspurigen verkehrsbelasteten Stadtstraße oder an einer Betonmauer entlang“, gibt Schmidt zu bedenken. Sichere und schnelle Radwege, vorbei an grünen Flächen sollen es sein  –  wer braucht dann noch fliegende Autos?

Zur Museumsinsel Hombroich

Der ideale  Radausflug für die Vorsommerzeit: Wir starten im Kölner Norden; unser Ziel ist die Park- und Auenlandschaft am Nordufer der Erft mit ihrer außergewöhnlichen Kunstsammlung. Auf dem Weg dorthin durch angenehm beschattete  Waldstücke,  ist nach rund 16 Kilometern Fahrt das Gartenrestaurant  am Klosterhof Knechtsteden ein willkommener Zwischenstopp.

Auf dem Klostergelände bei Dormagen gibt es auch eine Biologische Station und einen Klosterladen mit fair gehandelten Produkten. Danach bewältigen wir an einem Ausläufer der Ville die einzig nennenswerte Steigung unserer Tour. An unserem eigentlichen Tagesziel bei Kilometer 30 angekommen, der Museumsinsel Hombroich  in der renaturierten Aue, nehmen wir uns zwei bis drei Stunden Zeit für einen Spaziergang  – eine spannende Begegnung mit Kunst und Kultur.

Das Buffet der Cafeteria ist im Eintrittspreis von 15 Euro inbegriffen. Richtung Neuss kommt man am ehemaligen Kloster Eppinghoven vorbei. Ein Stück folgen wir der Erft und erreichen die Erprather Mühle (13. Jahrhundert). Wer müde ist, der tritt die Heimreise mit der S-Bahn aus Neuss-Norf an. Auf der Rücktour per Rad streifen wir noch das barocke Wasserschloss Arff und könnten bei einem  kleinen Schwenk nach Köln-Esch für eine Stärkung  einkehren. Alle Touren mit dem Kölner ADFC: www.adfc-nrw.de

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