Augen auf beim Kauf!Wo die Gans in Köln schmeckt – und warum sie regional sein muss

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gänsebraten zu hause

Die Gans ist ein Paradebeispiel bürgerlicher Küche. 

  • Für unsere Kolumne „Köln kulinarisch” hat Sebastian Bordthäuser die Gänse-Industrie unter die Lupe genommen.
  • Sein Appell: Sagt Nein zur anonymen Gans. Wir sollen regionale, frische Gänse kaufen und keine billige, schockgefrostete Ware.
  • Warum das so wichtig ist, und wo die Gans in Köln schmeckt, verrät er hier.

Am Montag war es mal wieder so weit – für die Gänse und für die Narren: Der 11.11. markiert für viele Kölner traditionell den Beginn der Session. Historisch betrachtet ist dies allerdings eine ziemlich neue Angelegenheit, die sich erst im 20. Jahrhundert eingebürgert hat. Bis dahin war der 11.11. vornehmlich der Sankt Martinstag. Der geht zurück auf die Beerdigung des posthum heiliggesprochenen Bischofs von Tours am 11. November im Jahre 397. Der Schutzpatron für Bettler, Soldaten, Waffenschmiede und Haustiere war bekannt als bescheidener, asketischer Mann. Die Legende, dass er sich vor der Ernennung zum Bischof von Tours in einem Gänsestall versteckt gehalten haben soll, ist allerdings ein moderner Mythos.

Dennoch ist die Gans seit jeher mit der Person des heiligen Sankt Martin verbunden. Zum einen markierte der 11.11. das Ende des landwirtschaftlichen Jahres, an dem der Zehnte an den Lehnsherren entrichtet wurde, oft in Form von Gänsen. Da aber am selben Tag auch die vorweihnachtliche Fastenzeit begann, mussten alle Tiere, die nicht über den Winter gehalten werden konnten, geschlachtet werden. Alle Fasten inkompatiblen Speisen wie Eier, Schmalz und Gänse wanderten also in den Topf. Diese Tradition hat sich über die Jahrhunderte gehalten.

Ein Paradebeispiel bürgerlicher Küche

Seit dem 19. Jahrhundert ist die Gans, traditionell mit Rotkohl und Klößen serviert, ein Paradebeispiel bürgerlicher Küche. Der Martinstag wurde zu einem bildungsbürgerlichen Event der Städter – mit dem Gänsebraten als Statussymbol.

Heute ist das Gänseessen oft entkoppelt vom Martinstag, weil man zumindest in Köln mit Karneval feiern, Schunkeln und Bier trinken beschäftigt ist. Die Gänse-Saison wurde mittlerweile kommerziell ausgeweitet bis Weihnachten. Das erfordert eine gewaltige Gänseindustrie, um dem enormen Appetit zu begegnen. Wer auf die Speisekarten der Gastronomie schaut stellt fest, dass von 19,90 bis 59 Euro Gänseessen angeboten werden – also Augen auf beim Gänsekauf. Denn gerade bei Gänsen gilt: Was nix kostet, ist auch nix. Die beliebten polnischen Gänse sind oft Nebenprodukte der geschmähten Stopfleber-Industrie, die schockgefrostet in den Discountern erneut monetarisiert werden.

Herkunft der Ware sollte dokumentiert sein

Auch bei Gänsen gilt: Je billiger das Angebot, je unklarer sind Herkunft und Qualität. Kaufen Sie also eine Gans direkt vom Produzenten und essen Sie Gänse in Restaurants, in denen die Herkunft der Ware dokumentiert ist. Eine Gans vom Gänsepeter in Rommerskirchen, vom Gänsehof in Sielsdorf oder aus Odenthal ist einer tiefgefroren anonymen Gans immer vorzuziehen. „Regional und frisch statt anonym und schockgefrostet“, ist eine Faustregel, die gerade im Rheinland leicht einzuhalten ist. Das Gänseessen ist ein besonderer Genuss, warum sollen wir hier sparen?

Die hohen Kölsch-Preise am 11.11. werden klaglos akzeptiert, und die Gans muss es dann ausbaden und wieder möglichst billig über die Theke.

Der Wein als Gegengewicht zur fettigen Gans

Wenn man sie nicht selbst zubereitet, wählt man am besten ein Gasthaus, das ganze Gänse verarbeitet. Das erkennt man etwa daran, dass die Nebenprodukte wie Gänseklein, Innereien und Schmalz auch nach dem Martinstag noch als Suppe, Ragout oder Gänseleber-Paté angeboten werden. Königsklasse ist natürlich die im Ganzen zubereitete Gans, serviert in mehreren Gängen. Dazu muss man vier bis sechs Leute zusammentrommeln. Ein paar alte Freunde, die man lange nicht gesehen hat?

Österreicher trinken dazu übrigens gerne Weißwein, bei uns gibt Rotwein den typischen Begleiter. In beiden Fällen gilt: Straffe, frische Weine sind hier erforderlich, denn die Gans ist ein fettes Essen, das ein Gegengewicht benötigt. Gereifter Riesling oder Grüner Veltliner bieten ungeahnte Erfolgserlebnisse; für Rotwein-Freunde empfehlen sich Spätburgunder von der Ahr oder ein kirschfruchtiger Chianti Classico Riserva. 

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So gelingt Hobbyköchen die Gans mit Knödeln

Die Haut kross und aromatisch, das Fleisch saftig und zart, das Ganze umschmeichelt von einer würzigen Soße und fruchtigem Rotkohl - ein Gänsebraten ist ein Gesamtkunstwerk. Damit er auch wirklich gelingt, sollten Hobbyköche nicht die erstbeste Gans aus dem Supermarkt kaufen.

Hans Jörg Windheuser vom Verband der Köche Deutschlands mit Sitz in Frankfurt am Main rät, sich nach einem Geflügelzüchter in der Region oder einem Metzger umzusehen. „Die Tiere sollten aus Freilandhaltung kommen. Die Fleischfarbe ist kräftiger, das Fleisch ist aromatischer."

Füllen oder nicht

Die Gans bekommt man ausgenommen, meist wird in einem Beutel das Gänseklein mitgegeben - die Innereien wie Leber, Herz, Magen und Hals der Gans. Dies wird noch gebraucht. Der erste Schritt: Das Fleisch wird von außen mit grobem Meersalz eingerieben. Wird die Gans nicht gefüllt, salzt Viktoria Fuchs vom Verband Jeunes Restaurateurs sie auch von innen. Für die Füllung vermengt Fuchs kleingeschnittene Quitten, Äpfel, Gemüsezwiebeln und Orangen mit Beifuß, Lorbeerblättern, Pfefferkörnern, Thymian und Rosmarin und stopft damit die Gans gut aus.

Markus Semmler, Spitzenkoch aus Berlin, mag es pur. Er verwendet nur Apfel, Gemüsezwiebel, Beifuß, wenig Thymian, Salz und Pfeffer. Beifuß ist übrigens immer dabei. „Der macht die Gans bekömmlicher", erklärt Fuchs.

Welches Gemüse passt

Schließlich legt man die Gans - gefüllt oder ungefüllt - in einen Bräter mit etwas Wasser. Ins Wasser kommt Gemüse. Fuchs rät zu klein geschnittenem Sellerie, Karotten und Lauchzwiebeln. Das Gänseklein, zumindest Leber und Hals, können Hobbyköche mit dem Gemüse in die Flüssigkeit geben und mitköcheln. „Das gibt Geschmack", sagt Fuchs.

Für das Garen gibt es zwei Glaubensrichtungen: erst bei niedriger Temperatur garen und zum Schluss heiß grillen oder anders herum.

Niedrig zu heiß oder anders herum

Variante 1: Semmler rät zu zweieinhalb Stunden in einem 140 Grad heißen Ofen. Zum Schluss kann man immer mal mit einer Gabel in die Haut pieksen. „Je leichter sich die Gabel rausziehen lässt, desto mehr ist das Fleisch durchgegart." Nach zweieinhalb bis drei Stunden kommt die Gans aus dem Bräter, wird auf einen Gitterrost gelegt und wieder in den Ofen geschoben. Der Bräter kommt darunter und fängt den Saft auf, der von der Gans tropft. Semmler erhöht die Temperatur im Ofen nun nach und nach. Die letzte Viertelstunde wird die Gans bei 200 bis 250 Grad gegrillt. „So wird die Haut kross", sagt Fuchs.

Variante 2: Windheuser steht an Heiligabend um 5.00 Uhr auf und heizt den Backofen auf 240 Grad vor. Die Füllung hat er am Tag zuvor zubereitet, gibt sie in die Gans und schiebt diese im Bräter mit Gemüse und Wasser in den Ofen. Nach etwa 15 Minuten reduziert er die Temperatur auf 100 Grad, füllt die Flüssigkeit im Bräter auf, schiebt die Gans wieder in den Ofen. Die nächsten sieben bis acht Stunden gart die Gans. Dann gießt der Koch die Brühe ab und grillt das Tier auf dem Gitterrost bei 240 Grad, so dass die Haut kross wird.

Leckere Begleiter für die Gans sind Knödel, Speckbohnen, Grün- oder Rotkohl „Spitzkohlgemüse oder karamellisierte Quittenspalten sind mal was anderes", sagt Fuchs. Das gilt auch für im Ofen mit Rosmarin gegarte Süßkartoffelecken oder einen Bratapfel. (Alexandra Bülow, dpa)

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