Kommentar nach Messe „Chef Sache“Jeder Jungkoch will Tim Mälzer sein

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tim mälzer

Einblicke in die Szene und Lehren der Branche: Jeder Jungkoch will Tim Mälzer sein, aber der Beruf des Kochs ist harte Arbeit. 

  • Für seine Kolumne „Köln kulinarisch” war Sebastian Bordthäuser auf der Messe „Chef Sache“ unterwegs.
  • Die Branche sollte sich einigen Fragen stellen. Dennoch wirkte die Messe seltsam selbstzufrieden. Ein Einblick.

Alljährlich im Herbst findet in Düsseldorf die „Chef Sache“ statt. Der Branchentreff für Köche und Gastronomen ist ein Magnet für die Größen der Kulinarik und spiegelt das derzeitige Geschehen in der Spitzen-Gastronomie in Echtzeit. Das „Avantgarde Cuisine-Festival“ startete einmal im Kölner E-Werk und zog dann um auf das größere Areal Böhler in Düsseldorf. Es geht um die Stärkung und Verbesserung der Gastronomie im Land.

Und weil sich Gutes immer von oben nach unten verbreitet, treten jedes Jahr die unangefochtenen Spitzenköche aus aller Herren Länder in Düsseldorf aufs Podium. Lernen von den Besten ist das erklärte Motto, und so erlaubt die Messe einen Blick in die Töpfe der angesagtesten Köche. Dies mag ein Blick zurück sein, wie bei Max Stiegl, der über die Innereien-Küche referiert – und damit einen wohl immer weiter aussterbenden Zweig der Gastronomie und Kochkunst beleuchtet.

Plaudern über Produkte

Der australische Spitzenkoch Ben Shewry stellte seine Herangehensweise vor, die auf der indigenen Bush-Küche fußt. Der Lokalmatador Sascha Stemberg aus Velbert plauderte über seine Lieblingsprodukte wie das Bergische Wagyu, eine japanische Rinderrasse, die besonders gut Fett einlagert. Die Köche halten ihre Vorträge im großen Saal, während sich ringsum ein riesiges Rahmenprogramm etabliert hat. Vom lokalen Produzenten aus der Eifel mit den Deli-Team/Genusswelten bis zur Porzellanmanufaktur ist alles vertreten, was im weitläufigsten Sinne mit Gastronomie zu tun hat und relevant für den Restaurantbetrieb ist. Renommierte Weinhändler präsentieren ausgesuchte Weine, als Gastland präsentierte sich diesmal Portugal mit seinen Rebsorten.

Überall wird gekocht und gebrutzelt, zwei Tage lang kann man sich neben den Symposien einen guten Überblick über den Status quo der aktuellen Spitzengastronomie verschaffen. Und dennoch wirkt die Messe bei all der Größe, die sie versammelt, seltsam selbstzufrieden. Sie ist eine Bestandsaufnahme der Besten, die ihre Geschichte erzählen und den Nachwuchs in seinem Tun festigt und bestätigen. Das ist alles gut und richtig. Doch bei aller Nabelschau fehlte mir ein wenig der perspektivische Blick auf die Anforderungen, der sich die Küche in den nächsten Jahren wird stellen müssen.

Hochküche muss sich einigen Fragen stellen

Die Gastronomie ist seit einiger Zeit im Umbruch, und es wird immer schwieriger Nachwuchs zu finden. Jeder Jungkoch will Tim Mälzer sein, aber der Beruf des Kochs ist harte Arbeit. Diese wollen immer weniger junge Leute auf sich nehmen, die Branche hat mit die höchste Abbrecherrate in Deutschland. Dazu kommen Umwälzungen im Ernährungsverhalten, immer mehr Gäste essen vegetarisch oder vegan.

Das wirft Fragen auf, denen sich auch die Hochküche stellen muss: Muss Fleisch oder Fisch immer das zentrale Moment in der Küche sein? Haben Köche auch eine ethische Verantwortung? Ist es wünschenswert, dass die ganze Welt zu jeder Tages und Nachtzeit rohen Thunfisch essen kann? Wie steht es mit Nachhaltigkeit in der Spitzenküche? Wie kann auf Plastik verzichtet werden? Ist das Modell des Gourmet-Tempels überhaupt noch zeitgemäß?

Weitere Entwicklung gespannt erwartet

Regionalität und Saisonalität sind viel gepriesene Mittel der Distinktion und erlauben, eine Region und Jahreszeit auch geschmacklich abzubilden. Dennoch kaufen die meisten Gastronomen vom Großhandel, statt lokale Netzwerke zu stärken oder aufzubauen. Dem gegenüber steht weiterhin die Spitzengastronomie – mit hochpreisigen Produkten, die vornehmlich Luxus symbolisiert. Zwei Gegensätze, die sich nicht aufheben oder ausschließen müssen.

Nur gehören diese Fragen bereits heute zur gastronomischen Wirklichkeit, die ich merkwürdigerweise auf einem Format dieser Güte und Klasse nicht vertreten sah. Ich freue mich daher auf das nächste Jahr und bin gespannt, wie sich die Szene bis dahin entwickelt. In der Zwischenzeit beschäftige ich mich mit den lokalen Produkten des Deli-Teams, das handwerkliche Lebensmittel kleiner Produzenten aus der Eifel in seinem Angebot versammelt.

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