Rote Bete bis EssiggurkeDeshalb ist Einwecken das Stichwort in der Food-Szene

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Einwecken

  • In unserer Kolumne „Köln Kulinarisch“ berichtet Autorin Julia Floß von ihren ersten Einleg-Versuchen.
  • Auch für diejenigen, die noch nie eine Knolle Rote Bete von innen gesehen haben, ist es noch nicht zu spät.
  • Eine wichtige Rolle spielen dabei die Rezepte einer gewissen „Tante Maria“.

Köln – Eine meiner frühesten kulinarischen Erinnerungen ist der Nudelauflauf meiner Mutter. Nudeln vom Vortag, Eierschlonz mit Muskat, ein paar Mettwürstchen klein geschnitten und obendrauf gekochte Kartoffeln in Scheibchen gefächert und ein bisschen Käse. Dazu gab’s immer Apfelmus und Ketchup. Das absolute Kinderlieblingsessen. Ich sehe die Auflaufform mit dem blauen Zwiebelmuster und der goldenen Kartoffelkruste sofort vor mir.

An ganz hohen Feiertagen, so empfand ich es zumindest, vermutlich war es jeder zweite Dienstag im Monat, servierte meine Mutter dazu eingelegte Rote Bete von „Tante Maria“. Ich war als Kind fasziniert von diesen leuchtend pinken Talern. Sie waren nicht weich, nicht fest, nicht süß, nicht sauer. Sie schmeckten fremd und doch sehr vertraut. Bis zu meinem 16. Lebensjahr wusste ich nicht, wie die Knolle roh aussieht.

Dumpfes „Plopp“ als Lieblingsgeräusch

Die Gläser mit der Roten Bete wurden streng rationiert. Tante Maria war ja schließlich keine Fabrik, sondern eine Bauersfrau aus der tiefsten Eifel. Rote Bete, saure Bohnen und handgestrickten Socken gehörten bis ins hohe Alter zu ihren Spezialitäten. Das dumpfe „Plopp“, wenn man an der Gummizunge zieht und das Vakuum löst, ist immer noch eines meiner Lieblingsgeräusche.

Tante Maria nahm ihr Rezept für die eingelegte Knolle leider mit ins Grab und eines Tages war es soweit, wir öffneten das letzte Glas ihres süß-sauren Erbes. Alle meine Recherchen im Familienarchiv liefen ins Leere. Rezepte für Weihnachtsgebäck oder Butterstreusel blieben erhalten, die Rote Bete ward verloren.

Haltbarmachung ist seit einiger Zeit das ultimative Stichwort in der Food Szene. René Redzepi, seines Zeichens Kulinarik-Papst, hat ein 450 Seiten schweres Handbuch über Fermentation verfasst, auf sämtlichen Menükarten wird „Eingelegt“, „Eingesalzen“ und „Abgehangen“, was das Zeug hält und die Foodies im Bekanntenkreis reden auch nur noch über Hefen, Milchsäurebakterien und wo es die besten Einmachgläser gibt. Ich werde an dieser Stelle nicht den Unterschied zwischen Fermentation und Einwecken erläutern, das hat Redzepi ja bereits lang und breit erledigt.

Essiggurken sind Beweis fürs Einwecken

Kürzlich hat in Köln sogar ein Laden namens „Aufgeweckt“ aufgemacht, der sich gänzlich der Haltbarmachung von saisonalem Obst und Gemüse widmet. Wer nun mit den Augen rollt, welcher alltagsuntaugliche Foodtrend denn jetzt schon wieder durchs Dorf getrieben wird, möge kurz innehalten und sein Verhältnis zur Essiggurke überdenken. Ich behaupte, dass in jedem deutschen Haushalt ein solches Glas im Kühlschrank steht. Zu recht. Essiggurken sind der beste Beweis dafür, dass wir uns mehr mit dem Thema Einwecken beschäftigen sollten.

Mein erster Versuch, Rote Bete süß-sauer einzulegen war einigermaßen erfolgreich. Natürlich hab ich nicht auf Anhieb die Perfektion von Tante Maria erreicht – die Frau hatte schließlich 60 Jahre Einweck-Erfahrung. Der nächste Versuch bekommt mehr Zwiebeln, weniger Piment und etwas Senfsaat. Tante Maria, so einfach kommst du mir nicht davon.

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