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Mit PraxistippsKölnerin baut ganz außergewöhnliche Tomatensorten an

Lesezeit 6 Minuten
Vielfalt

Wild und wetterfest: Es gibt viele verschiedene Tomaten, die wiederum verschiedene Eigenschaften aufweisen.

  • Mehr als 20.000 Sorten Tomaten gibt es weltweit. 500 davon gedeihen bei Adelheid Coirazza in Langel.
  • Was als Biologie-Projekt in der Schule begann, führt sie nun im eigenen Garten weiter.
  • Sie kennt sich aus und gibt uns die besten Tipps, von der Anzucht bis zur Zubereitung.

Köln – Antho Weiß“ ist blassgelb und trägt eine blaue Haube. Sie schmeckt fruchtig und außergewöhnlich süß. „Uluru Ochre“ sieht dagegen nicht besonders interessant aus, ist aber genauso aromatisch. Und „Ananas Noire“ hat grünliches Fruchtfleisch mit einem Mahagoni-Ton. Aufgeschnitten zeigt sich ihre besondere Form, die  an eine Ananas erinnert.

Mehr als 20.000 Sorten Tomaten gibt es weltweit. 500 davon gedeihen bei Adelheid Coirazza in Langel. Nicht alle auf einmal, 100 verschiedene zieht sie jedes Jahr, aber sie verwaltet das Saatgut all dieser Sorten und verkauft es. Sie kennt die besten Tomaten, wenn es um Geschmack, Reifezeit oder den Standort geht. Seit mehr als 20 Jahren baut sie die roten Früchte an: Als Biologielehrerin an der Lise-Meitner-Gesamtschule in Porz begann sie mit ihren Schülern, Tomaten zu ziehen. „Wir haben mit fünf Sorten begonnen – italienischen, jugoslawischen und deutschen.“ Schüler brachten Tomatensamen nach den Ferien aus ihren Heimatländern  mit, so kam es zu Sorten wie „Beste von der Oma aus Usbekistan“ oder „Gigant aus Taschkent“.

Im Juli wird geerntet

Inzwischen im Ruhestand, kümmert sich Adelheid Coirazza,  unterstützt von Freundinnen, um die Sammlung. Sie hat zwei Bücher geschrieben und steht in Kontakt mit anderen Experten  und Züchtern weltweit. Wissenswertes findet sich auch auf ihrer Homepage „Tomatenadel“.

Ein großer Teil ihres Gemüsegartens ist für einen Folientunnel reserviert, in dem die Sorten den Sommer über wachsen. Die Tomaten sind nicht in erster Linie zum Essen da,  sondern damit das Saatgut entnommen werden kann. Auch wenn es bis zu 15 Jahre keimfähig bleibt, will es Adelheid Coirazza nicht darauf ankommen lassen. Seit Mitte Mai sind die Tomaten draußen, rund einen Monat später tragen viele schon die ersten Früchte, und jetzt im Juli wird geerntet.

Fleischtomaten brauchen Sonne

Unter den 500 Sorten sind alte und neue, jedoch stets samenfeste. Deren Nachkommen sind den Eltern ähnlich, was bei Hybriden nicht der Fall ist. Derzeit stehen Wildtomaten im Mittelpunkt. „Ein großes Thema“, sagt Adelheid Coirazza. „Sie sind aromatisch, pflegeleicht, meistens wetterfest und müssen nicht ausgegeizt werden.“ Selbst mit Halbschatten kommen sie zurecht, während andere mindestens einen halben Tag volle Sonne benötigen, Fleischtomaten sogar mehr. Die wilden Sorten heißen „Goldperle“ oder „Golden Currant“, auch die „Hawaiian Currant“ ist darunter: „Sie ist winzig und eine der seltenen Wildtomaten, die viel Süße haben.“

Adelheid Coirazza hat einen Folientunnel, da sich im offenen Beet  schnell das Problem der Kraut- und Braunfäule stellt, eine durch einen Pilz ausgelöste Krankheit. Zunächst werden die Blätter fleckig und sterben ab, dann der Stängel und die Früchte. Bei Nässe haben die Pilzsporen leichtes Spiel, daher sollte der Platz der Tomaten gegen Regen geschützt sein.

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Ist das nicht möglich, empfiehlt es sich, resistente Sorten anzubauen. „Die frühen Sorten wie »Early Yellow Striped« oder »Tigerella«, sind bereits reif, ehe der Pilz auftritt“, sagt die Expertin. Auch Sorten, in die die blaue Wildtomate eingekreuzt ist, erweisen sich als robust – zum Beispiel „Blue Beauty“, „Black Altai“ oder „Ananas Noire“. Für den Balkon sind die klein bleibenden Sorten interessant. In dem Bereich wird viel gezüchtet, Adelheid Coirazza hat Kontakt zu einem amerikanisch-australischen Forschungsprojekt. Daher tragen einige ihrer Sorten  wohl klingende Namen wie „Tasmanian Chocolate“.

www.tomatenadel.de

Praxistipps – Von Anzucht bis Zubereitung

Anzucht

Etwa acht Wochen brauchen Tomaten bis zur Reife. Die Samen kommen ab Ende Februar in die Erde. Sie benötigen Wärme   zum Keimen, etwa auf einer Fensterbank. Sprießen die Keimlinge, sollten sie kälter gestellt werden, sonst werden die Triebe lang und dünn. Leicht feucht halten, aber nicht nass, sonst werden Trauermücken begünstigt. Je heller und kühler Tomaten stehen, desto kompakter wachsen sie. Sind sie eng gesät, werden sie pikiert – auseinandergepflanzt – wenn sich die ersten Laubblättchen zeigen. Erst nach den Eisheiligen Mitte Mai kommen Tomaten ins Freie. Der Boden sollte locker und nährstoffreich sein. Die Pflanzen können tief in die Erde gesetzt werden, bis zum ersten Blatt – sie treiben seitliche Wurzeln und stehen  fester.

Pflege

Die meisten Sorten – bis auf Wildtomaten – müssen ausgegeizt werden: Die schräg aus den Blattachseln sprießenden Triebe werden herausgeknipst. Tomaten brauchen viele Nährstoffe. Adelheid Coirazza verwendet grundsätzlich keinen Fertigdünger, sie bereitet Pflanzenjauchen zu, die viel Kalium enthalten, etwa aus Brennnesseln aus dem eigenen Garten. Im Topf: Blumenerde ist meist vorgedüngt, es sind auch zahlreiche Tomatendünger erhältlich.  Bis auf sehr klein bleibende Sorten brauchen Tomaten eine Stütze. Stäbe aus Metall können wiederverwendet werden, Bambus oder Holz muss wegen der Gefahr der Pilzübertragung jedes Jahr erneuert werden. Da auch vom Boden Pilzerreger kommen können, entfernt Adelheid Coirazza, wenn die Pflanzen gut wachsen, nach und nach die unteren Blätter.

Balkon

Tomaten brauchen mindestens einen Topf mit zehn Litern Erde – pro Pflanze. Generell eignen sich kompakt wachsende Sorten, wie zum Beispiel „Prairie Fire“, eine etwas größere Cocktailtomate, oder die altbewährte „Kremser Perle“, die nur 30 Zentimeter hoch wird. Aber auch Wildtomaten wie „Golden Currant“ können auf dem Balkon gut gedeihen. Dazu sollte man sie  leicht einkürzen, wenn sie zu groß werden. Fleischtomaten werden im Topf nichts, sie brauchen mehr Erde und Nährstoffe.

Freiland

Wer kein Gewächshaus oder Tunnel hat, baut die Pflanzen mit etwa einem halben Meter Abstand an. Als robust gegen Kraut- und Braunfäule gelten zum Beispiel „Antho Weiß“, „Gelbes Birnchen“, „Quedlinburger Frühe Liebe“ oder Wildtomaten, die ohnehin in kein Treibhaus passen. Tomaten vertragen sich gut mit Basilikum, gar nicht dagegen mit Kartoffeln oder Gurken.

Bestäubung

Tomaten sind selbstbefruchtend, meist geschieht das durch Luftzug.  Hummeln spielen eine Rolle, da sie mit ihren Flügeln einen beträchtlichen Wind und Vibration erzeugen und die Befruchtung auslösen. Adelheid Coirazza hat eine Katzenminze vor den Folientunnel gepflanzt, die die Hummeln anzieht.  Fehlen Luftzug und Insekten, sollten die Tomatenpflanzen während der Blütezeit täglich leicht geschüttelt werden.

Saatgut

Von Tomaten, bei denen es sich nicht um Hybriden handelt, kann selber Saatgut entnommen werden. Bei gekauften Tomaten ist nicht davon auszugehen, dass sie samenfest sind. Adelheid Coirazza gibt die frischen Samen ihrer Tomaten in ein Glas Wasser und lässt sie gären. Nach einigen Tagen werden die Samen abgespült und sauber auf ein Packpapier gelegt. Trocken können sie leicht mit einem Messer abgelöst werden. Tomatensamen bleiben viele Jahre keimfähig. Samenfeste Sorten gibt es zum Beispiel auch auf Saatgutbörsen, die im Frühjahr stattfinden.

Verwendung

Eine große Ernte lässt sich zu Tomatensauce kochen und einmachen. Auch getrocknet – am besten in einem Dörrgerät – und dann in Öl eingelegt sind die Früchte haltbar. Adelheid Coirazza zieht die Haut ab – „ohne Erhitzen, das geht bei vollreifen Tomaten gut“ –, hackt die frischen Früchte und friert sie roh oder leicht angeschmort ein.

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