Abo

Nachhaltig mit Mammutbaum„Stadtwaldholz" baut Möbel aus Kölner Bäumen

Lesezeit 6 Minuten
190430_uw_Stadtwaldholz_015

Sabine Röser und Wilfried Nissing - Eigentümer der Kölner Firma StadtwaldHolz

  • „StadtwaldHolz“ in Bayenthal produziert regionale Möbel aus Kölner Bäumen.
  • Kurze Transportwege für das Material verringern den CO2-Fußabdruck der Produkte stark.
  • Nachhaltigkeit wird beim Essen noch mehr beachtet als bei Möbeln.

Köln – In der Welt des Kochens gehört Umweltbewusstsein längst zu den Grundzutaten: Obst und Gemüse sollen pestizidfrei in der Region angebaut werden; Fleisch, Eier und Milch aus biologischer und artgerechter Tierhaltung stammen, am besten vom Bauernhof um die Ecke. Auch bei der Herstellung von Kosmetika und Mode hat der Trend in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Eine der Kategorien, die erst langsam in den Fokus der Verbraucher rückt, ist dagegen die Möbelbranche.

Möbel aus Kölner Bäumen

Zu den lokalen Pionieren in diesem Bereich zählen die Architektin Sabine Röser (56) und der Schreiner Wilfried Nissing (62), die mit ihrer Marke „StadtwaldHolz“ in Bayenthal regional produzierte Möbel aus Kölner Bäumen anbieten. Bereits seit 1992 kaufen sie Holz aus dem Stadtwald, das vom Forstamt gefällt wird. Daraus stellen sie Maßanfertigungen her, die Sabine Röser speziell nach Kundenwünschen entwirft. 2006 hat das Ehepaar für seine Produkte dann die Marke „StadtwaldHolz“ eintragen lassen, die bereits von der KlimaExpo NRW ausgezeichnet wurde und 2011 den Umweltschutzpreis der Stadt Köln erhielt.

Geboren wurde das Projekt, als der schlimme Sturm Wiebke durch Europa fegte und auch in Köln eine Spur der Verwüstung hinterließ. Wilfried Nissing fragte sich, was eigentlich mit den ganzen Bäumen passiere, die der Wirbelwind so zahlreich niedergerissen hatte. Als er erfuhr, dass das meiste einfach zu Brennholz verarbeitet werden sollte, hatte er eine andere Idee: Nissing und seine Frau, die damals bereits seit einigen Jahren ihre Tischlerei „Feines in Holz“ betrieben, beschlossen, das Material anzukaufen und für ihre Produktion zu verwenden.

Partnerschaft mit Kölner Forstamt

Daraufhin entstand eine Partnerschaft mit dem Kölner Forstamt, die es ihnen nun seit mehr als 20 Jahren ermöglicht, Rohstoffe, die ohnehin vorhanden sind, sinnvoll zu nutzen.

Das hat gleich mehrere Vorteile: Die Transportwege für das Material verkürzen sich deutlich, was den CO2-Fußabdruck der Produkte stark verringert. Da der Kölner Forst eigentlich als Erholungs- und nicht als Nutzwald angelegt ist, gibt es dort neben heimischen Bäumen, auch Arten, die sonst zum Beispiel in Nordamerika oder Asien wachsen. Diese Auswahl macht sich selbstverständlich auch im Angebot von „StadtwaldHolz“ bemerkbar: So verwendet das Paar insgesamt 15 verschiedene Holzarten, darunter beispielsweise Mammutbaum, der sonst aufwendig importiert werden muss. Nachdem die Bäume gefällt wurden, entscheiden die beiden, welche davon sich für ihre Arbeit eignen. So kommen sie durchschnittlich auf eine Menge von 35 Festmetern Holz im Jahr, manchmal sogar auf mehr. Zwischen drei und fünf Jahren benötigen die Stämme dann noch zum Durchtrocknen, bevor sie verarbeitet werden können.

Neben individuellen Massivholzmöbeln stellen Röser und Nissing aber auch Kleinmöbel wie Hocker und Lampen her. „Wir arbeiten nach dem Prinzip der Kaskadennutzung“ erklärt Wilfried Nissing. Das heißt: Holz, das bei der Produktion von größeren Möbelstücken abfällt, wird einfach für kleinere Objekte wie Schneidbretter, Kerzenständer und Stiftablagen verwendet. Was dafür größentechnisch nicht mehr ausreicht, wird zum Heizen benutzt – es wird also nichts weggeworfen. Darüber hinaus wird die gesamte Werkstatt mit Ökostrom betrieben und Kleinteile werden innerhalb von Köln mit Hilfe eines elektrischen Lastenfahrrads ausgeliefert.

Auch in ihrem eigenen Alltag sind der Tischler und die Architektin sehr umweltbewusst, bauen zum Beispiel selbst Obst, Gemüse und Kräuter an. Auf die Frage, warum ihnen das so wichtig ist, antworten sie: „Nachhaltigkeit muss jedem wichtig sein, da wir in einer Welt leben, deren Ressourcen endlich sind. Die Rohstoffe, die wir jährlich zur Verfügung haben, sind ja mittlerweile immer früher aufgebraucht. Wir alle leben weit über unsere Verhältnisse und dem versuchen wir etwas entgegenzusetzen.“

Jedes Möbelstück ein CO2-Tresor

Da Bäume Kohlenstoffdioxid zum Wachsen benötigen und im Holz binden, solange es nicht verbrannt oder kompostiert wird, hilft die Verwendung des Materials der Umwelt doppelt: „Jedes Möbelstück ist ein kleiner CO2-Tresor“, schwärmt Sabine Röser. Doch nicht jeder beachtet diesen Umstand: „IKEA braucht beispielsweise genauso viel Holz für Kataloge wie für die Möbel, die sie herstellen – da sollte man sich einmal fragen, was für ein Konzept dahinter steckt“, sagt sie. „Uns geht es auch um Klimagerechtigkeit. Indem wir einen lokalen Rohstoff benutzen und nicht woanders etwas abholzen und dann transportieren, können wir dazu beitragen; schließlich hat nicht jeder überall die gleichen Rohstoffe zur Verfügung wie wir!“

Eigentlich habe durch die Globalisierung mittlerweile ja jeder Verantwortung für die ganze Welt und dafür, wie es anderen gehe. „Deshalb finden wir das wichtig.“ Einen Vorteil gegenüber bekannten Möbel-Giganten sehen die Kölner ganz klar in der Langlebigkeit ihrer Produkte. „Wir stellen keine Trendmöbel her“, erklärt die Architektin. Dafür werden die Produkte auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten, der sich an der Wahl der verwendeten Holzbohlen beteiligen kann.

Eine Tischplatte für 1200 Euro

Weil alles nur mit Hartöl behandelt und kein Lack verwendet wird, können Oberflächen jederzeit problemlos aufgefrischt werden. Das verhindert, dass die Möbel schon nach ein paar Jahren auf dem Sperrmüll landen. „Dadurch sind auch unsere Preise relativ zu betrachten“, merkt Nissing an. „Wenn Sie für 1200 Euro eine Tischplatte bei uns kaufen, sieht das erstmal nach viel Geld aus. Dafür hält sie aber ein Leben lang“. Ein weiteres Plus sei die Tatsache, dass Holz, das nicht chemisch behandelt wurde, auch keine gesundheitsgefährdenden Schadstoffe ausdünstet. Das ist laut Ökotest bei vielen handelsüblichen Möbeln der Fall und weder gut für Mensch noch Umwelt.

Bei ihren Kunden beobachtet das Ehepaar aus Bayenthal ein entsprechendes Umdenken: „Auf der einen Seite achten die Menschen mittlerweile viel stärker auf Nachhaltigkeit bei dem, was sie konsumieren, auf der anderen Seite fasziniert sie natürlich das Lokalkolorit unserer Produkte“. Manchmal wird sogar ein Baum aus dem Garten des Kunden in ein Möbelstück verwandelt.

„Es ist wichtig, dass Menschen in ihrem Alltag mit dem Thema Umweltbewusstsein konfrontiert werden“, sagt Sabine Röser. Denn ist man erst einmal richtig informiert, ist es meist gar nicht schwer, sein Konsumverhalten zu ändern – vor allem, wenn der Schlüssel dafür im wahrsten Sinne des Wortes so nahe liegt.

www.stadtwaldholz.de

Nachhaltigkeit kaufen

reditum – Möbel mit Vorleben

Wer mit Massivholzmöbeln nichts anfangen kann, hat durchaus andere Alternativen, sein Zuhause grüner zu gestalten. Das Zauberwort lautet „Upcycling“. Der Begriff bezieht sich auf Gebrauchtes oder Kaputtes, das überarbeitet und so einer neuen Verwendung zugeführt wird. Damit beschäftigt sich „reditum“ in Köln, die „Möbel mit Vorleben“ anbieten. Dadurch wird einerseits Müll vermieden, andererseits werden weniger Ressourcen für die Produktion der neuen Teile benötigt. Im Onlineshop kann man beispielsweise Hängeregale aus Brettern alter Bauernscheunen und Fahrradketten sowie Tischplatten aus Gerüstdielen und Sitzsäcke aus gebrauchten Seesäcken bestellen. www.reditum.de

Mehr-gruen.de

Nachhaltiges Online-Shopping klingt wie ein Widerspruch. Genau darauf zielt aber der in Köln gegründete Online-Shop mehr-gruen.de ab. Man kann auch Möbel kaufen – unter anderem die Produkte von „reditum“. Außerdem werden umweltfreundliche Eigenprodukte wie schadstofffreie Kerzen aus Rapswachs angeboten, aber auch Spielzeug und Haushaltswaren wie Trinkflaschen oder Aufbewahrungsboxen anderer Hersteller sind gelistet. Alles wird möglichst klimaneutral produziert und versendet, die eigenen Büroräume werden mit Grünstrom und Recyclingmaterialien versorgt und das Außengelände ist mit Gemüse und Kräutern bepflanzt. www.mehr-gruen.de

KStA abonnieren