Piet Oudolfs GartendesignDie Wildnis als Vorbild

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Von Raureif überzogen erhält der Garten einen magischen Charme.

Von Raureif überzogen erhält der Garten einen magischen Charme.

Wogende Gräser zwischen Stauden, hohe Dolden und trockene Samenstände im Winter: Viele Gärten sind heute so gestaltet, dass sie möglichst natürlich aussehen. Der Niederländer Piet Oudolf war einer der ersten, die die Ästhetik im Garten der Natur entlehnten. Er gilt als Mitbegründer des „Dutch Wave“, einer Strömung im „New Perennial Movement“ – der neuen Staudenbewegung, die die Pflanze und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt. Längst ist ein naturalistischer Stil daraus entstanden, der auf der ganzen Welt geschätzt wird.

Barocke Fülle

Piet Oudolf wurde 1944 in Haarlem geboren. Mit seiner Frau Anja gründete er 1982 eine Gärtnerei in Hummelo, ihr Haus wurde zum Treffpunkt für

unkonventionelle Gartengestalter und Denker wie Henk Gerritsen und Rob Leopold.

Bekannt wurde Oudolf durch seine naturalistische Art, Stauden und Gräser zu pflanzen, seit den 1990er Jahren macht er sich international einen Namen. Zu seinen bekanntesten Projekten gehören die Gestaltung der stillgelegten Bahntrasse „Highline“ in New York und der Lurie Garden in Chicago. In Deutschland gestaltete er Flächen im Maximilianpark Hamm, in Bad Driburg und Bottrop, in Großbritannien unter anderem Potters Fields, einen kleinen Park an der Tower Bridge.

Den Gärtnerbetrieb stellten die

Oudolfs 2010 ein, ihr Privatgarten ist jedoch an einigen Wochenenden im Jahr zu besichtigen.

www.oudolf.com

Buchtipps

Oudolf, P., Kingsbury, N.: „Neues Design mit Stauden und Gräsern“, Verlag Eugen Ulmer, 160 Seiten, 29,90 Euro.

Oudolf, P., Kingsbury, N.: „Design trifft Natur. Die modernen Gärten des Piet Oudolf“, Verlag Eugen Ulmer, 280 Seiten, 49,90 Euro.

Oudolf, P.: „Landscapes in Landscapes“, Thames & Hudson, 282 Seiten, ca. 40 Euro.

Oudolfs Garten in Hummelo, ganz im Osten der Niederlande nahe der Grenze, etwa 25 Kilometer nördlich von Emmerich, ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Im Winter hat er einen besonderen Reiz: Statt kahler Rabatten findet sich auch jetzt noch eine fast barocke Fülle. Trockene Sonnenhüte (Echinacea) stehen neben Astern, Skelette vom Haarstrang (Peucedanum) überragen Büschel brauner Gräser. Gerahmt werden die wilden Beete von strengen Hecken, die das Grundstück von den umgebenden Feldern trennen. Der Garten ist heute bestes Beispiel für den naturalistischen Stil Oudolfs, doch ist er das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses.

Als Oudolf, der kürzlich 70 geworden ist, mit dem Gärtnern begann, galten strenge Dogmen. „Es gab so viele Regeln und ich fragte mich: Wie kann ich denn dabei kreativ sein?“ Ein Garten hatte sauber und ordentlich zu sein, alles musste im Herbst zurückgeschnitten werden. Oudolf stammt aus einer Familie, die ein Restaurant führte, war selber Barkeeper und Stahlarbeiter, ehe er mit Mitte 20 zum Gärtnern kam. Zwar war er zunächst stark von Mien Ruys beeinflusst, der niederländischen Gestalterin, die Gärten mit strengen Linien und in Form geschnittenen Gehölzen schuf. Doch hatte er von Anfang an einen ganz anderen Blick auf Pflanzen und das Gärtnern.

Die Gärtnerei in Hummelo, die er 1982 mit seiner Frau Anja gegründet hatte, wurde bald zum Treffpunkt Gleichgesinnter. „Wir fanden, dass auch verblühte Pflanzen einen ästhetischen Wert haben. Warum sollte man sie herausreißen, wenn ihre Samen gut für die Vögel sind?“ Oudolf begann, Gräser in seine Beete zu integrieren.

Sein Freund Henk Gerritsen interessierte sich für Wildpflanzen am Naturstandort, ein wichtiger Einfluss für den Gestalter. „Wir suchten die Pflanzen aus, die wilder aussahen als die üblichen, architektonisch anmutenden Pflanzen.“ Doldenblütler wie der Haarstrang, aber auch Großstauden wie Wasserdost und Geißbart rückten ins Bild.

„Ich setze Pflanzen zusammen, die sich zusammen wohlfühlen“, sagt Oudolf. „Aber es ist eine eher visuelle Ökologie.“ Doch gerade diese Ästhetik ist es, die so viele Menschen anspricht. „Es besteht ein großes Bedürfnis nach Natur“, hat Oudolf beobachtet. „Viele Menschen haben eine romantische Vorstellung davon. Was ich mache ist metaphorisch, es erinnert an Natur und löst Gefühle aus.“

Optisch nähern sich Oudolfs Beete immer mehr dem Vorbild der Natur an. Pflanzte er vor Jahren Stauden und Gräser noch in großen Gruppen, hat er inzwischen ein Konzept entwickelt, das er „Matrix-Bepflanzung“ nennt: Eine Fläche wird mit Gräsern oder anderen Bodendeckern gefüllt, dazwischen werden Stauden und Gehölze gesetzt. Auch an Oudolfs Privatgarten lässt sich die Entwicklung ablesen. Wo früher Rasenflächen waren, befinden sich heute breite Staudenbeete. Die charakteristischen Eibenhecken in Wellenform, die lange sein Grundstück zur Straße hin begrenzten, mussten vor einigen Jahren weichen, weil Hochwasser den Pflanzen zusetzte – auch an deren Stelle sind Rabatten entstanden.

Noch einen Schritt weiter in Richtung naturalistischen Stil geht der Designer im neuesten Teil des Gartens. Hinter dem Wohnhaus, einem Bauernhaus aus den 1850er Jahren, lag bis 2010 die Gärtnerei der Oudolfs. Dort steht heute sein Studio, ein modernes Gebäude mit großen Fenstern. Die Mutterbeete sind noch voller Pflanzen, doch auf dem übrigen Gelände hat er ein neues Projekt begonnen, eine Staudenwiese. Zwischen große Horste des Garten-Reitgrases „Karl Foerster“ hat er Stauden wie Schafgarbe, Wiesenraute und Indianernesseln gesetzt, dazwischen Wildblumen und Gräser eingesät.

Bestäuberpflanzen

„Ich habe ein gutes Gefühl dafür, was funktionieren wird“, sagt Oudolf. So setzt er für die Herbstblüte Pflanzen aus Nordamerika dazu wie die Kanadische Goldrute, Sonnenbraut und Astern. „Sie machen es interessanter. Außerdem sind es gute Bestäuberpflanzen.“ Zwar nutzt er Präriepflanzen, „aber ich erschaffe keine Prärie“, stellt Oudolf klar. „Noch nicht mal optisch. Ich erschaffe einen Garten.“ Und der braucht Pflege, um „natürlich“ auszusehen.

„Ich gärtnere, weil ich Pflanzen liebe“, sagt Oudolf. Gute Kenntnis über Bedürfnisse und Eigenschaften der Gewächse sind Voraussetzung für seine Art des Gärtnerns. Doch Oudolf macht Mut. Diejenigen, die sich inspirieren lassen wollen, können auf seiner Homepage Pflanzpläne anschauen und herunterladen, etwas seines bekanntesten Projektes, der Gestaltung der Highline in New York, oder auch der Beete des Maximilianparks in Hamm.

Hat er ein Geheimrezept? „Nehmen Sie die richtigen Pflanzen“, rät der Designer. Was richtig ist, hängt wohlgemerkt vom Standort ab. Sein Tipp: Ausprobieren. „Wer keine Fehler macht, kann es auch nicht richtig machen.“

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