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Besucher aus der HölleGastronomen erzählen ihre schlimmsten Erlebnisse mit Gästen

Lesezeit 8 Minuten
Kellner Getty Images

Die meisten Gäste sind nett und freundlich, doch manche scheinen direkt aus der Hölle zu kommen.

  • Restaurantkritiker Carsten Henn bewertet normalerweise Küche und Gastronomie. Diesmal gibt er Köchen eine Stimme.

Köln – Normalerweise bewerte ich als Kritiker Restaurants und ihre Küche, dieses Mal kommt die andere Seite zu Wort. An dieser Stelle berichten Gastronomen und Köche aus Köln und Umgebung über Gäste, die sich richtig danebenbenommen haben. Wir haben ihre Erlebnisse anonymisiert aufgezeichnet. 

Der Maître eines Sterne-Restaurants erzählt:

Wir hatten mal eine Dame mit Laktoseintoleranz. Es war ihr ganz, ganz wichtig, dass man genau darauf achtete. Deswegen wurden unter anderem extra für sie spezielle Saucen angesetzt. Beim Dessert, einer Crème Brûlée, sagt sie dann: „Die geht schon, da nehme ich vorher einfach eine Tablette.“ Da hätte ich eigentlich sagen müssen: „die kriegen sie jetzt nicht.“ 

Wenn Gäste Allergien haben, sagen sie es manchmal nicht bei der Reservierung, trotz Nachfrage, überreichen dann aber beim Eintreten einen Allergiepass mit der Erwartungshaltung eine Sterneküche könne das problemlos sofort umsetzen. Bei einem gutbürgerlichen Restaurant wird das so nicht erwartet. Im Gourmet-Bereich sind die Gäste anspruchsvoller und meinen, sie dürften sich mehr erlauben, weil sie auch mehr Geld bezahlen.

Behandelt wie Idioten, die nur Teller rausbringen

Ein anderes Problem ist, dass das Servicepersonal manchmal behandelt wird wie Idioten die nur Teller rausbringen. Einige sehen den Service auch gar nicht als richtigen Beruf an und jüngere Mitarbeiter werden in der Regel schlechter behandelt. Einmal hatte ein Gast etwas Komisches bestellt und die Mitarbeiterin fragte höflich nach. Daraufhin der Gast schroff und laut: „Sie müssen es doch nur aufschreiben!“

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Wir hatten auch mal eine Aushilfe, die kam weinend nach hinten. Ein Gast hatte ihr zwanzig Euro geboten, wenn sie mit ihm auf die Toilette ginge. Das war eine Hochzeitsfeier am Nachmittag! Dann ist jemand vom Service-Team zum Hochzeitspaar gegangen und hat gesagt: „Noch ein Wort in der Art von einem ihrer Gäste, dann beenden wir die Feier sofort."

Ein riesiges Problem ist zu viel Alkohol. Dann ist es schon mal passiert, dass Gäste auf die Toilette gegangen sind und volle Rotweingläser gegen die Wände geschmissen haben. Die Wand war danach fleckig und überall lagen Scherben. Aber das ist Alkohol. Der führt auch zu vollgekotzten Toiletten.

Im Nachhinein gibt es dann im Internet Kritik, da sind die Leute anonym und machen, was sie wollen. Das ist eher Rache-mäßig. Konstruktive Kritik wird im Restaurant selbst geäußert.

„Das Restaurant war geschlossen, die Außenanlage war ganz okay“

Wir hatten einmal eine Kritik, da hat jemand unser Restaurant sehr schlecht bewertet und nur geschrieben: „Hab noch nichts Gutes drüber gehört.“ Aber er war selbst noch nie bei uns! Das haben wir dann geteilt und geschrieben „Restaurantkritiker des Jahres entdeckt“. Da haben unsere Gäste dann einen Shitstorm auf ihn losgelassen. Schließlich verschwand die Kritik. Ein anderes Mal hatte jemand uns niedrig bewertet mit den Worten „Das Restaurant war geschlossen, die Außenanlage war ganz okay“. Sowas gibt es. Wir antworten auf keine einzige Kritik. Das kommt immer als Rechtfertigung rüber, egal was man schreibt.

Der Küchenchef und Inhaber eines Sterne-Restaurants:

Als Küchenchef kriegt man in der Regel nicht so viel mit. Die ersten, die es abkriegen sind die Servicekräfte: Schnippigkeiten, Unhöflichkeiten von oben herab, die machen den Serviceberuf schwierig.

Wir hatten mal einen Gast, der war vorher schon einmal bei uns gewesen und kam beim nächsten Mal mit seiner Frau. Beide haben das große Menü genommen und alles aufgegessen. Wir kriegen das in der Küche ja mit, wenn etwas nicht aufgegessen wird, der Spüler ist auch geschult und sagt dann „Chef, guck mal“. Ich war eigentlich schon auf dem Weg nach Hause, da wollten sie mich sprechen, es waren mit die letzten Gäste. „Letztes Mal war super, diesmal war alles nicht so schön“, hieß es dann. „Danke für das Feedback“, hab‘ ich geantwortet. Für mich ist das jetzt im Nachhinein schwierig nachzuvollziehen. Alle Teller waren aufgegessen und dem Service wurde auch kein Feedback gegeben.

Normalerweise komme ich unzufriedenen Gästen immer entgegen

Dann hat er aufgezählt was ihm alles nicht geschmeckt hat. An dem Abend hatten wir 40 Gäste und sonst keine Beschwerden, das Menü lief seit zwei Wochen super, die Garzeitpunkte stimmten, die Produkte waren erste Klasse. Der Mann ist dann sehr laut geworden. Ich glaube, er wollte den Larry machen und seine Begleitung beeindrucken. Sie hat dann zwischendurch gesagt „Das kannst du dir doch nicht gefallen lassen, was der dir da sagt.“ Ich meinte dann zu ihm „Stellen Sie sich vor Sie gehen ins Autohaus, kaufen einen Wagen, fahren damit 100.000 Kilometer, bringen ihn dann zurück und wollen ihr Geld wiederhaben. Was würde das Autohaus wohl sagen?“ Das Gespräch ging über eine Viertelstunde und wir haben uns nur im Kreis gedreht.

Normalerweise komme ich unzufriedenen Gästen immer entgegen, gebe dann noch einen Kaffee aus, oder einen Champagner, aber da war jegliche Nachvollziehbarkeit am Ende. Sie sind dann gegangen und haben gesagt „Hier kommen wir nie mehr her.“ Natürlich mussten sie zahlen.

Früher wurde viel mehr Alkohol konsumiert, da hatte man dann Leute, die am Tisch einschlafen und im Sitzen auf Stühle pinkeln. Das ist bei uns alles zum Glück noch nicht passiert.

Der Betriebsleiter eines Sternerestaurants erzählt

Einmal kamen Gäste aus Düsseldorf, die waren definitiv verstrahlt, also alkoholisiert oder auf Drogen. Sie waren sehr laut und haben sich von Anfang an danebenbenommen und wollten nach dem dritten Gang dann plötzlich Kartoffelpüree und Zwiebeln essen. Das Restaurant war voll, deshalb muss man das diplomatisch lösen, da kann man niemanden anschreien. Ich habe gesagt „Wir müssen jetzt Schluss machen“. Die sind dann gefahren. Am nächsten Tag gab es einen großen Bericht bei Google mit nur einem Stern, da steht man selber doof da. Diese Gäste mussten nicht mal das ganze bestellte Menü bezahlen, sondern nur was sie gegessen haben. Aber die haben uns trotzdem einen reingedrückt, weil deren Ego verletzt wurde.

Die größte Rolle spielt immer der Alkohol, sobald die Gäste einen bestimmten Pegel erreicht haben, kommt es häufig zu Ärger. Anderes Beispiel: Zwei Männer und zwei Frauen kamen eine halbe Stunde zu spät, und hatten vor dem zweiten Gang schon fünf Flaschen Champagner getrunken! Denen passte dann auf einmal die Weinbegleitung nicht mehr und sie schrien den Sommelier an sie wollten etwas anderes trinken. Unsere anderen Gäste wurden gestört, auch weil sie auf den Boden gespuckt haben. Die mussten dann auch gehen und haben beim Rausgehen auch noch den Sommelier angespuckt!

Schlimm ist, wenn Leute schnippen, das ist ein No-Go

Am nächsten Tag hat einer der Männer dann angerufen und sich beschwert, dass sie schlecht bedient worden seien, und nicht auf ihre Wünsche eingegangen worden wäre. Das sind so Menschen, die wollen, was sie wollen, und die wollen, dass man Ja und Amen sagt. Tut man das nicht ist der Mitarbeiter direkt unhöflich.

Schlimm ist, wenn Leute schnippen, das ist ein No-Go. Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich mal einen Gast rausgeschmissen, der nach mir geschnippt hat. Niemals würde das jemand nüchtern tun. Das ist der Alkohol, der zeigt die schlimmsten Seiten eines Menschen.

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Einige Gäste setzen sich auch zu anderen Gästen hin und fangen an sie vollzuquatschen. Ein nettes Pärchen feierte bei uns seinen Hochzeitstag, dann setzte sich ein Typ von einem Einzeltisch zu ihnen und redete drauflos. „Wir haben unseren Hochzeitstag“, sagte der Mann irgendwann. Darauf der Typ: „Was willst du denn mit so einer fetten Frau?“. Der musste dann natürlich gehen.

Daraufhin hat sich eine Mitarbeiterin, die an diesem Abend zufällig auch im Restaurant als Gast war, mit ihrem Mann dazugesetzt, hat also einen Vierertisch daraus gemacht, um die Frau wieder aufzubauen.

Der Küchenchef und Inhaber eines Sterne-Restaurants:

Beim Thema „Schlimmste Gäste" fallen mir zwei Geschichten mit dem gleichen Thema ein: Ausländerfeindlichkeit. Vor Jahren hat ein Franzose bei mir im Service gearbeitet, plötzlich höre ich, dass es laut wird im Gastraum. Jemand brüllt: „Ich lass mir von dir Franzacken nichts sagen, du Froschschenkelfresser.“ Ich bin sofort raus und habe dem Gast gesagt, dass er mein Restaurant verlassen soll. Darauf er: „Was ist das hier für ein Laden? Wissen Sie, wer ich bin?"

Meine Antwort war: „Ich bin der, der Sie jetzt rausschmeißt. Es gibt zwei Optionen. Entweder Sie gehen oder ich helfe Ihnen zu gehen." Als er weg war, wandte sich eine ältere Dame zu mir, sicher über 70, mit vielen Goldketten und sagte: „Den Assi bruch eh keener!"

„Du kannst über mich und mein Essen herziehen, nicht über die Mitarbeiter“

Zweite Geschichte, diesmal mit einem türkischen Mitarbeiter. Super Typ. Ein Gast lässt mich an den Tisch rufen und beschwert sich dann lautstark: „Ich lasse mich von dem hier nicht bedienen, der kennt nicht einmal deutsche Manieren und Tugenden." Ich darauf: „Hör zu, du Handgranate, es gibt zwei Optionen: die nette und die andere. Deiner Frau ist das ganze hier schon extrem peinlich." Er: „Ich lass mich doch hier nicht von einem Kellner anfahren, so einem Pisser." Da habe ich gesagt: „Du kannst über mich und über mein Essen herziehen. Aber wenn du anfängst, meine Mitarbeiter zu beleidigen, überschreitest du ein rotes Band. Verpiss dich!"

Die Schere wird in letzter Zeit größer: Leute, die ausländerfeindlich sind, werden verbissener, die anderen werden noch liberaler und unkomplizierter. Wenn einer nicht Deutsch reden kann, sagen diese Gäste: „Toll, dass Sie die Ausbildung hier machen, wir freuen uns, dass Sie da sind!“ 

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