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Henns RestaurantkritikWas Sternekoch Wissler im „Vendôme“ alles geändert hat

Lesezeit 3 Minuten
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Gäste erhalten hier eine kompetente Erläuterung der einzelnen Gänge.

Bergisch Gladbach – Als Joachim Wisslers „Vendôme“ im Grandhotel Schloss Bensberg Anfang des Jahres seinen dritten Michelin-Stern verlor, war ich nicht völlig überrascht. Denn im Dezember hatte ich in diesem Tempel deutscher Kulinarik ein Menü gegessen, das tatsächlich einige Schwächen aufwies.

Natürlich war es sehr, sehr gut, aber die Erwartungen an Wissler waren durch viele Sternstunden enorm hoch. Den dritten Stern hätte man ihm trotzdem nicht aberkennen dürfen – ein anderes Thema. Die anderen wichtigen Restaurantführer verleihen ihm weiter die Höchstbewertung.

Nach einer Kreativpause hat sich im „Vendôme" vieles verändert

In diesem Sommer passierte dann etwas Ungewöhnliches: Die deutsche Küchen-Legende nahm sich eine zweimonatige Kreativpause. Jetzt ist Wissler wieder da und vieles hat sich geändert: Es gibt nur noch zwei Menüs, eines vegetarisch, eines mit Fisch und Fleisch. Der aus Berlin zurückgekehrte Dennis Melzer, Sous-Chef und Wisslers rechte Hand, ist nun im Restaurant präsent und erläutert die Gänge kompetent und begeisternd.

Noch interessanter ist, was sich kulinarisch verändert hat. Und, wow, das ist so einiges! Alles ist leichter, schwebender geworden, statt schwerer Saucen wird nun oft mit Garum gearbeitet, beim fantastischen Helgoländer Hummer greift Wissler zur duftigen Kamillenblüten-Vinaigrette. Einige Produkte sind ganz von der Karte verschwunden, wie Gänsestopfleber oder Hamachi. Die Küche will nachhaltiger sein, auch regionaler, ohne dabei dogmatisch zu werden.

Neue Linie bei den Gängen im „Vendôme"

Wisslers Stil wirkt zudem fokussierter als früher. Immer noch finden sich viele Elemente auf den Tellern, aber es sind weniger, und sie stehen stärker mit dem jeweiligen Hauptdarsteller in Bezug. Bei der getauchten Jakobsmuschel sind das etwa Imperial Kaviar, Bonito-Topinambur-Dashi, Rübchen-Algensalat und Salzgrascreme, die trotz ihrer geschmacklichen Dichte die großartige Muschel akzentuieren und nicht überdecken.

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Manche Gänge weisen auch Satelliten-Teller auf, wie man sie in Köln vom „Le Moissionnier“ kennt. Eine weitere Änderung ist, dass die Gemüsekomponenten stärker und durchdachter erscheinen – ein positiver Nebeneffekt der intensiven Beschäftigung mit diesen im vegetarischen Menü. Hier werden nicht einfach die Fleisch- und Fisch-Komponenten ersetzt, es ist ein komplett eigenständig konzipiertes Menü und genau so bärenstark wie sein Pendant.

Auch der „neue“ Wissler beweist, dass er ein Meister der Innereien ist, wenn er glasiertes Kalbsbries unter anderem mit fermentiertem Rotkohl und schwarzem Trüffel hochsubtil erweitert. Kein Gang erscheint verkopft, alles erschließt sich mit dem ersten Bissen.

Auch wenn die Preise für Speis und Trank (die Weinkarte gehört zu den stärksten der Region) hoch sind: International gesehen sind sie völlig normal. Und dieser Bereich heißt: Weltklasse!

Fazit: Wissler kocht bekömmlicher, nachhaltiger und fokussierter als je zuvor!

Bewertung: sechs von sechs Sternen

Probiertes

Menü (egal ob vegetarisch oder mit Fisch und Fleisch)

Sechs Gänge 260 € / Weinbegleitung 145 €

Acht Gänge 295 € / Weinbegleitung 185 €

Kadettenstrasse, 51429 Bergisch Gladbach Tel. 02204-42906 Mi-So ab 19 Uhr, Küchenannahme bis 21 Uhr

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