Urlaubsgefühl im Kölner SüdenAuf der MS Rodenkirchen ist man den Schiffen ganz nah

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Zum Greifen nah scheinen die vorbeifahrenden Schiffe. 

Köln-Rodenkirchen – Es ist elf Uhr auf der MS Rodenkirchen. Helmut Ammel und seine Ehefrau Elena Shlikhenmayer sitzen am Frühstückstisch. Die beiden sind seit 2013 verheiratet und arbeiten und leben auf dem ehemaligen Braunkohleschlepper. „So ein Schiff kann man nicht alleine lassen, das muss immer bewacht werden“, erzählt Ammel. Geschützt durch eine Kribbe ist die Rodenkirchen das Kölner Bootshaus, das am weitesten vom Ufer entfernt liegt.

Rheinschiffe streifen schon mal die Ankerkette

Der Bootssteg ist 65 Meter lang. Die Schiffe rheinaufwärts nutzen die Fahrrinne und biegen erst kurz vor dem vor Anker liegenden Gastroschiff durch den „Knick im Rhein“ in die Mitte ab. Man hat das Gefühl, sie halten direkt auf die MS zu. Hier und da hat der eine oder andere die Ankerkette gestreift. „Es waren aber immer kleinere Havarieschäden. Aber oft kommen die Schiffe so nah vorbei, dass man sie wirklich anfassen kann“, erzählt der gelernte Bootsmann aus der Südstadt.

MS Rodenkirchen - Essen und trinken

Das Saison-Gemüse Spargel steht auf der MS Rodenkirchen gerade auf der Tageskarte. Mit gekochtem Schinken und Kartoffeln oder Rührei (19,90 Euro). Die berühmten Schnitzel kosten ab 13,90. Natur oder paniert, mit Jäger- oder scharfer Paprikasoße (zu 14,90 Euro). Außerdem gibt es eine kleine Auswahl an Fisch, Salaten wie den Bootshaus-Salat mit Thunfisch (11,40 Euro), Nudeln und diverse Folienkartoffeln. Kleine Brauhausgerichte wie Leberkäse, halver Hahn oder ein strammer Max liegen unter zehn Euro. Alkoholfreie Getränke kosten 2,10 Euro, das Kölsch 0,2l 1,80 Euro oder 2,80 Euro (0,3l), ein Glas Wein 5,50 Euro (0,2l). Der Wodka 2cl wird für 2 Euro ausgeschenkt. Geöffnet ist täglich. Am Wochenende ab 12 Uhr, in der Woche ab 15 Uhr bis 23 Uhr.

Die MS Rodenkirchen ist am besten mit dem Fahrrad zu erreichen. Mit der S-Bahn (Linie 16,17) Haltestelle Heinrich-Lübke-Ufer geht man stadtauswärts am Rhein entlang ca 950 Meter oder mit der Buslinie 131 bis Maternusplatz und dann ebenfalls zu Fuß weiter.

MS Rodenkirchen, Rodenkirchener Leinpfad 0, 0221/395184

Und genau das ist einer der Punkte, den seine Gäste so schätzen. Auf der Terrasse hat man das Gefühl, die vorbeifahrenden Schiffe auf Tuchfühlung zu erleben. Man sitzt quasi mitten auf dem Wasser. Es ist auch das Bootshaus, wo die Sonne als letzte von allen Gastroschiffen untergeht. Das ultimative Urlaubsgefühl. „Eine Dame kommt oft mit ihrem Sohn, der an Autismus leidet, weil er sich hier so wohl fühlt“, erzählt Elena.

Auf dem Schiff sind alle per Du

Auf der MS wird keiner gesiezt. Die Gastgeber sind Elena und Helmut. Basta. Das weiß jeder Stammgast, von denen es reichlich gibt. „Die Gäste haben hier sofort einen Gesprächspartner, wir sind alle per Du, vom Schornsteinfeger bis zu bekannten Familien, die hier aus dem Kölner Süden seit Jahren herkommen“, sagt Helmut.

Dazu wird auf dem Schiff viel gefeiert und gelacht. Und viel Wodka getrunken. „Ich trinke selber nur Klares, damit kenne ich mich aus“, sagt die gebürtige Russin. Der russische Wodka ist allerdings von der Karte verschwunden, es gibt Polnischen. Viele hier schätzen das Unkomplizierte und Traditionelle. „Das hier ist absolut authentisch und die Schnitzel hier sind mit Abstand die besten, die Pommes sind knusprig und die Kräuter immer frisch“, erzählt eine Stammkundin, die seit über 20 Jahren hier Gast ist. Für eine beträchtliche Anzahl von Gästen ist die MS wie ein zweites Wohnzimmer. Es kommen allerdings nicht nur zahlende Stammkunden.

Seit Jahren kehren zum Brüten auch die Bachstelzen in ihr Nest am Schiffsbug zurück. Jetzt ist auch eine Ente eingezogen. Elena hat sich erst geärgert, dass die Entendame von einem der zwanzig Schiffe des Bootsanlegers vor der MS in ihren Blumenkasten zum Brüten umgezogen ist. Denn am Schiffsbug, den Elena ihre Terrasse nennt, stehen Dutzende Kräuterkästen für die Küche. Mittlerweile heißt die Ente Daisy und die Gastronomin macht sich eher Sorgen, wenn die Küken schlüpfen. „Da geht es drei Meter nach unten, hoffentlich geht das gut“, sagt die Geschäftsfrau, die sonst alles im Griff hat.

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Das Gastgeber-Paar liebt die Gastronomie. Helmut war mit seinem Onkel als Neunjähriger das erste Mal auf dem Schiff. „Da hinten habe ich eine Cola getrunken“, zeigt er auf einen Platz gegenüber der Theke an einem kleinen Fenster. Vor 27 Jahren hat er die Gastronomie übernommen, die hier seit 1964 vor Anker liegt. Das meiste blieb unverändert, hier und da etwas umgebaut. 2019 beim großen Sturm wurde ein Teil des Dachs abgehoben. Das Ehepaar nutzte die Gelegenheit, den ehemals etwas düster und gedrungen wirkenden Gastraum zu restaurieren.

Das Dach wurde ein Stück angehoben. Während Corona wurden auch die meisten Fenster zugunsten großer, weiter Fensterfronten ausgetauscht. Jetzt wirkt der Innenraum hell und freundlich, ohne dass das Ambiente des Schiffs, Baujahr 1936, verloren gegangen ist. Von den 120 Plätzen wird am liebsten die Terrasse genutzt. Für viele ist der beste Platz allerdings der Stammtisch, an dem Helmut oft mit seinen Gästen sitzt.

Während der Pandemie haben die beiden am Ufer ein kleines Büdchen aufgebaut, Getränke und vor allem Waffeln verkauft. „Die Waffeln laufen immer noch stark, die können wir nicht mehr weglassen“, sagt Elena.  Natürlich nehmen die beiden auch geschlossene Gesellschaften an. Es gibt einen Saal, der maximal 100 Personen Platz bietet. Aber am liebsten haben die beiden ein offenes Kommen und Gehen, das corona-bedingt am besten mit Reservierung läuft. Und man geht halt dann ins Bett, wenn der letzte Gast das Schiff verlassen hat.

MS Rodenkirchen, Rodenkirchener Leinpfad, 50996 Köln 

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