Tipps fürs HeimkinoStreaming-Neustarts und Filmempfehlungen fürs lange Wochenende

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Ein kurzer Moment des Glücks: Ricky (Kris Hitchen) mit seiner Tochter Abby (Debbie Honeywood) im Sozialdrama "Sorry We Missed You".

Ein kurzer Moment des Glücks: Ricky (Kris Hitchen) mit seiner Tochter Abby (Debbie Honeywood) im Sozialdrama "Sorry We Missed You".

  • In den ersten Bundesländern machen die Kinos schon wieder auf, in NRW allerdings noch nicht.
  • Die Streaming-Anbieter haben ihr Programm allerdings filmreif angepasst und liefern jede Woche aufs Neue große Unterhaltung für Zuhause.
  • Ein preisverdächtiger Antonio Banderas, Spionage-Action für Groß und Klein oder die eigenproduzierte Serie von "How I Met Your Mother"-Darsteller Jason Segel.
  • Was Sie sich diese Woche nicht entgehen lassen sollten, erfahren Sie in unseren Streaming-Tipps.

Vor jetzt fast drei Monaten ging es Schlag auf Schlag. Ein Filmstart nach dem anderen wurde abgesagt, verschoben auf unbestimmte Zeit, wenn das Virus uns wieder in Ruhe lässt. Kino wurde Heimkino, ein Film wie die „Känguru-Chroniken“, kaum auf der Leinwand angelaufen, wechselte in Windeseile zum Streamingdienst Netflix, um auf diese Weise das Pandemie-bedingte Einspiel-Minus wenigstens zum Teil zu kompensieren. Wer hätte das gedacht? Heilige Auswertungsfenster und eherne Fristen spielten auf einmal keine Rolle mehr. Corona hat auch die Filmwirtschaft gehörig durcheinander gebracht.

Nun, als erwachte sie mühsam aus einem langen Schlaf, kommt die Szene allmählich wieder zu sich. Neue Filme werden angekündigt, und man wird sie angeblich auf einer richtigen Leinwand ansehen können – und zwar nicht im Autokino, diesem seltsamen Ort, den viele von uns nur noch aus amerikanischen Filmen aus den 60er Jahren, aber nicht aus eigener Anschauung kannten. Manche Kinos in Deutschland haben bereits wieder geöffnet, viele andere sollen im Juni oder spätestens im Juli hinzukommen.

Doch wie ein geregelter Betrieb aussehen wird, wenn strenge Hygiene- und Abstandsregeln befolgt werden sollen, das steht noch in den Sternen. Lohnt sich der Betrieb überhaupt, wenn höchstens noch ein Drittel der potenziellen Besucher im Kino Platz nehmen kann? Werden die Verleiher Filme zeigen, für die sie ein weitaus größeres Publikum erhoffen? Es ist schön, dass der erzwungene Corona-Schlaf endlich vorüber ist, und doch werden wir mit der Unsicherheit noch leben müssen.

Alles zum Thema Film und Fernsehen

1. Leid und Herrlichkeit

Pedro Almodóvars Lebensbeichte mit einem herausragenden Antonio Banderas

Alfred Hitchcock sagte einmal, in seinem Inneren stecke ein Mann, der aussehe wie Cary Grant, einer seiner Lieblingsschauspieler. Leider habe es ihn selbst wohl in den falschen Körper verschlagen.

Ob Pedro Almodóvar, dem großen spanischen Autorenfilmer, bei der Besetzung seines fiktionalisierten Selbstporträts etwas Ähnliches durch den Kopf ging? In „Leid und Herrlichkeit“ lässt er sein Alter Ego vom elf Jahre jüngeren und noch immer sehr attraktiven Antonio Banderas spielen. Das heißt nicht, dass es sein Film nicht doch an Bitterkeit mit Hitchcocks Aussage aufnehmen könnte.

Wenn man dieser Einladung ins Innerste einer fortgeschrittenen Midlife-Crisis etwas nicht vorwerfen kann, dann ist es Eitelkeit. Eine andere Hollywoodlegende, Bette Davis, hat die gültige Aussage dazu getroffen, als sie ihr vielzitiertes Bonmot formulierte: „Altwerden ist nichts für Feiglinge.“ Und ist nicht jeder Almodóvar-Film, auch die traurigsten, immer etwas schöner anzusehen als es die Umstände der Handlung vielleicht nahelegen?

Die Wohnung wird zur Kulisse

Das gilt besonders für die Ausstattung des zentralen Spielortes, der Wohnung des Regisseurs. Schmerzen und eine tiefe Depression hindern ihn daran, seinen Beruf auszuüben, über den er seine ganze Existenz definiert. Seine alltägliche Umgebung aber scheint alles daran zu setzen, ihn aufzuheitern: Bunte Wände, erlesene Designermöbel, Klassiker aus den letzten Jahrzehnten.

Es ist Almodóvars tatsächliche Wohnung. Wenn die Postmoderne etwas Gutes hinterlassen hat, dann ist es das verspielte spanische Design, und Almodóvar war mit seinen Filmen der Achtziger Jahre ihr bester Advokat. Zwei seiner früheren Werke über Regisseure, „Das Gesetz der Begierde“ und „La mala educación - Schlechte Erziehung“, fügen sich nun zur Trilogie, ganz unbeabsichtigt, wie Almodóvar zur Premiere in Cannes erklärte.

Im ersten der beiden spielte bereits Banderas die Hauptrolle. Wenn er diesmal unverkennbar in die Schuhe seines Mentors geschlüpft ist, ist das wörtlich zu verstehen: Sie stammen, wie der Großteil der Garderobe wirklich aus Almodóvars Kleiderschrank.

Almodóvars Selbstparodie

In der ersten von mehreren elegant miteinander verbundenen Episoden, die Jahrzehnte überbrücken, bereitet sich Filmemacher Salvador Mallo (alle Buchstaben von Almodóvar stecken in diesem Namen) eher lustlos auf eine Ehrung vor. Die Cinemathek in Madrid hat eines seiner Werke restauriert, nun hat man ihn zur Wiederaufführung eingeladen.

Schon das poppige Plakat zu diesem erfundenen Klassiker namens „Sabor“ („Geschmack“) ist eine herrliche Selbstparodie. Doch als er auf die Idee kommt, dazu den damaligen Hauptdarsteller (Asier Etxeandia) aufzuspüren, entspinnt sich eine andere Geschichte: Damals hatte Mallo sich mit ihm wegen dessen Drogenkonsum überworfen, nun interessiert er sich plötzlich selbst für Heroin. Ob ihm das weiße Pulver seine Kreativität zurückbringt und die Schmerzen lindert? Und auch der gefallene Star hat von der Begegnung etwas zu gewinnen – Mallo schreibt ihm, anonym, einen bewegenden Theatertext über seine Drogenexperimente.

Bei allen autobiografischen Bezügen war es Almodóvar in Cannes verständlicherweise ein Anliegen, klarzustellen, dass die Drogenepisode eine Erfindung ist. Als solche aber bringt sie viel vom subversiven, tragikomischen Charakter seiner klassischen Filme zurück.

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Wenn sich ein Mann um die Sechzig erstmals in die Drogenszene stürzt, ist das erst einmal ein Ausgangspunkt für eine schwarze Komödie (es gab schon immer gewisse Berührungspunkte zwischen dem Humor des Spaniers und dem von Woody Allen).

Dabei erweist sich die Vorstellung, ausgerechnet mit einer verbotenen Substanz, die einmal den zweifelhaften Ruhm der Künstlerdroge genoss, zurück in die Arbeitsfähigkeit zu finden, selbstredend als trügerisch. Doch anstatt tragisch in die Sucht zu führen, hat sie eine indirekte, psychologische Heilkraft: Indem Mallo mit dem Drogenexperiment sein Lebenskonzept grundsätzlich in Frage stellt, verliert er auch die einseitige Fixierung auf die Arbeit. Stattdessen beginnt er die abgerissenen Handlungsstränge seines Lebensfilms aufzuarbeiten. Und bekommt schließlich sogar wieder ein Thema für die Arbeit.

Kindheitserinnerungen führen zurück zum Ursprung der kreativen Berufung. Penelope Cruz spielt in schwelgerischen Rückblenden die idealisierte Mutterrolle - auch wenn man der Nostalgie nicht immer folgen mag, etwa wenn sie mit anderen Müttern singend im Fluss die Wäsche säubert. Willkommen in Francos Spanien. Erst der Kontrast zur bitteren Selbstbetrachtung in anderen Episoden gibt dieser romantischen Stilisierung ihren Platz.

Ein Kunststück aus einer Lebenskrise

Die schönste dieser Episoden führt wieder in die Gegenwart - zu einem Wiedersehen mit der großen, verlorenen Liebe Federico (Leonardo Sbaraglia). Selten ist eine erotische Initiationsgeschichte in einer so feinen Beiläufigkeit erzählt worden.

Es dauert ein wenig, bis man in dieser Komposition aus Gegensätzlichem die ganze Harmonie der Kräfte ausgemacht hat. Doch dann beginnt dieser episodische Film umso tiefer zu klingen. Selbst ein eingeschobener Animationsfilm über die vielen Gebrechen des Regisseurs von unerträglichen Rückenschmerzen über Migräne bis zum Tinnitus (hier spricht Almodóvar unverkennbar von sich selbst) besitzt genug Selbstironie und einen Überschuss an visueller Schönheit - also alles, was den Regisseur von „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ einst berühmt machte.

Doch der eigentliche Rhythmus des Films liegt nicht in der vollendeten Montage der Elemente oder der grandiosen Filmmusik seines Hauskomponisten Alberto Iglesias. Es ist Antonio Banderas' Sensibilität im Spiel, seine Einfühlsamkeit in menschliche Schwächen und seine Würdigung aller Wunder der Kreativität, die er in Jahrzehnten der Zusammenarbeit mit Almodóvar beobachtet haben muss. Tatsächlich ist diesem seit vielen Jahren kein vergleichbarer Film mehr gelungen. Und dass dieses Kunststück aus einer Lebenskrise entstand, gibt ihm seine eigentliche autobiografische Wahrheit.

Amazon Prime. Leid und Herrlichkeit Spanien 2019, 114 Minuten, R Pedro Almodóvar, D Penelope Cruz, Antonio Banderas. Vollkommen uneitler autobiografischer Film Almodóvars, der damit zu alter Größe findet und von einem herausragenden Banderas profitiert.

2. Sorry, We Missed You

Ken Loach nimmt sich die Arbeitsbedingungen von Paket-Lieferanten vor

Maloney ist ein cooler Junge. Kraftvoll, selbstbewusst; ein Typ, dem man auf Anhieb Vertrauen schenkt. Wenn dieser Fall eintritt, hat Maloney die Hälfte seines Jobs schon erledigt – Leute einzuseifen, die dringend Geld brauchen und das mit anständiger Arbeit verdienen wollen. Jetzt müssen sie nur noch den Vertrag unterschreiben und dann werden sie erst recht am Haken zappeln, denn in Englands kapitalistisch neoliberalem Geschäftsklima ist Maloney der Mann fürs Grobe, der die Leistung eintreibt, damit die über ihm mehr an einem Tag verdienen, als ihre Beschäftigten in einem Monat.

Maloney schert das nicht. Er ist ja selbst nur ein kleiner Fisch, aber er weiß um die Nöte seiner Kunden. Familienväter sind seine Spezialität und Ricky Turner ein besonders gefundenes Fressen. Ricky ist die Sorte Mann, die es nie böse meint, aber gerne im falschen Moment bei wichtigen Leuten aufbraust. Und jetzt steht er Maloney gegenüber und der angelt ihn als Postzusteller. Dafür fährt man am besten einen eigenen Wagen, erklärt Maloney, weil man als Subunternehmer mehr verdient. Die gesundheitlichen Risiken und den Druck, der sich aus der finanziellen Vorleistung ergibt, das alles erwähnt Maloney nicht.

Wut und Missstände

Deshalb handelt Ricky entschlossen. Er verkauft den Wagen seiner Frau, obwohl die für ihre Termine als Krankenpflegerin aufs Auto angewiesen ist, und ersteht einen Transporter, gebraucht und ohne Versicherung, weil dafür das Geld nicht reicht. Damit beginnt Rickys Karriere im Akkord der vermeintlichen Selbstständigkeit.

Und wieder einmal legen Englands letzter sozialistischer Filmautor Ken Loach und sein Drehbuchgefährte Paul Laverty den Finger in die Wunden einer Gesellschaft, in der ganz offensichtlich die falschen Leute das Sagen haben und keiner eine Chance zum Aufstieg hat, der noch an die Mär vom Lebensunterhalt durch seiner Hände Arbeit glaubt.

Aus einer solchen Grundidee ließe sich leicht ein verbiestertes Traktat destillieren, aber Loach hat längst gelernt, die Wut auf Missstände und Ungerechtigkeiten in einen noch klareren Blick auf die Dinge zu kanalisieren. Anders als in seinen Großtaten „Riff Raff“ oder „My Name Is Joe“ scheint ihm das Lachen, der sonst immer noch durchscheinende Sinn für Humor vergangen.

Es ist die unbedingte Klarheit in der Problemschilderung, weshalb dieses Alltagsdrama aus dem nordenglischen Newcastle so wahrhaftig in Drehbuch und Darstellung und so packend in der Milieuzeichnung ist. Die Folge daraus ist schierer Suspense. Denn sobald Ricky Turner ins Auto steigt und losfährt, beginnt man unweigerlich mitzufiebern, dass dem armen Kerl hoffentlich kein Unfall oder Schlimmeres passiert.

Man hofft, dass Rickys Frau nicht den Bus verpasst, der halbwüchsige Sohn an diesem neuen Tag nicht wieder Mist bauen wird.  Es sind Konflikte aus einem Alltag, wie er auch hierzulande immer mehr als Normalität zugelassen wird, künstlerisch kanalisiert von einem Filmemacher, der sein Handwerk versteht. Maloney hat derweil schon neue Opfer im Visier.

EuroVideo. Sorry, We Missed You GB/F/B 2019 97 Minuten R Ken Loach D Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Rob Brewster. Englisches Sozialdrama mit bestechend scharfem Gesellschaftsblick, aufrüttelnd gespielt und inszeniert und genau deshalb unfassbar spannend.

3. Spione Undercover

Wildbunte und rasante Bond-Parodie auf den Kampf gegen Superschurken

Das Agentengeschäft folgt einer symbiotischen Gleichung – Spione brauchen Spinner. Sicher, die einen retten die Welt, aber es sind die anderen, die im Verborgenen an den Extra-Waffen tüfteln, damit die ersteren im Einsatz glänzen können.

So verhielt es sich bei Q und Bond, und so ist das auch bei Entwickler Walter Beckett und Agent Lance Sterling. Der ist ein gewaltiger Held mit Designer-Bart und Nussknackergebiss, der auch komplizierteste Aufträge mit dem kleinen Finger erledigt. Dennoch merkt der Top-Spion auf, als Walter ihm eine biodynamische Tarnflüssigkeit als bahnbrechende Entwicklung vorstellt.

Der Helfer - das Hirn

Dumm ist nur, dass Lance vorschnell und ahnungslos ins Experiment einsteigt und in Folge eines Missgeschicks in eine Taube verwandelt wird. Während der Profi sein Berufsverständnis radikal überdenken muss, schlägt Walters Stunde – in der Denkerstube und im Kampf gegen Superschurken.

Das jüngste Produkt der auf Familienunterhaltung abonnierten Firma Blue Sky („Ice Age“, „Rio“, „Robots“) ist eine wilde Bond-Parodie; oder eher eine Parallelvision davon. Denn der Actionheld ist hier schwarz und Will Smith nachempfunden, oder wahlweise dem Agenten 23, den Dwayne Johnson 2008 in „Get Smart“ verkörperte. In der deutschen Fassung wird Lance Sterling dagegen vom öffentlich-rechtlichen Filmexperten und Moderationsprofi Steven Gätjen eingesprochen; man ahnt die Fallhöhe.

Die anderen Figuren entsprechen etablierten Standards. Walter sieht mit Langnase und Scheitel aus, wie Nerds seit „Ratatouille“ in solchen Filmen gezeichnet werden, die Frauen sind durch die Bank eigenschaftslose Fitnessbienen. Der Film drum herum ist gefällig bunt und voller Attraktionen, die mit viel Wortlautstärke und Bildrasanz aufgezäumt sind.

Für Kleinstkinder ist das Geschehen wohl zu fetzig, Eltern mit Vorbildung werden die Klischees im Character Design bemängeln. Aber Tatsache ist auch, dass Animationskino aus der zweiten US-Reihe so attraktiv und flott ist, wie es deutsche Medienpädagogik nicht mal erträumen könnte.

Twentieth Century Fox. Spione Undercover USA 2019, 98 Minuten R Nick Bruno, Troy Quane. Animationsspaß, der einschlägige Muster des Agentenfilms mit der Botschaft parodiert, dass auch Hänflinge was schaffen, wenn sie clever sind.

Serien-Tipps

1. The Plot Against America

Die neue Drama-Serie auf Sky  „The Plot Against America“ beginnt, als der gefeierte US-Fliegerheld Charles Lindbergh  gegen Franklin D. Roosevelt um das Präsidentenamt kandidiert. Mit dem Slogan „Lindbergh oder Krieg“ verspricht er, die USA aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten. Er diffamiert die Juden als Kriegstreiber, die die amerikanischen Werte untergraben würden.

Die sechsteilige Serie stellt nun die Frage, was wäre passiert, wenn Lindberg tatsächlich zum Präsidenten gewählt worden wäre, und erzählt die Geschichte der jüdischen Familie Levin, die sich auf ganz unterschiedliche Arten mit den neuen Gegebenheiten auseinandersetzt.

Vater Herman (Morgan Spector) und seine Frau Bess (Zoe Kazan) sind ängstlich und wittern große Gefahren für die eigenen Familie sowie alle Amerikaner jüdischen Glaubens. Ihr älterer Sohn ist dagegen Feuer und Flamme für den neuen Präsidenten. Die Schwester von Bess, Evelyn (Winona Ryder), kommt unterdessen dem Rabbi Lionel Bergelsdorf (John Turturro) näher, der als überzeugter „amerikanischer Jude“ zu den Anhängern Lindberghs zählt.

„The Plot Against America“ ist gerade auch in Hinblick auf aktuelle politische Entwicklungen ein faszinierender und erschreckender Blick in eine alternative Realität. Selbst dann, wenn am Ende die Demokratie siegt. 

The Plot Against America. Sky. Winona Ryder, John Turturro, Zoe Kazan. Eine jüdische Familie sieht sich mit einem antisemitischen US-Präsidenten konfrontiert

2. Little Fires Everywhere

Wer es in seinen Serien besonders dramatisch liebt, der ist bei der neuen Amazon-Prime-Serie „Little Fires Everywhere“ genau richtig. Reese Witherspoon und Kerry Washington spielen zwei Mütter, die verschiedener kaum sein könnten,  bisher Job und Familie aber recht gut in den Griff bekommen haben. Als sich die beiden  eines Tages treffen, wird eine Welle an Ereignissen ausgelöst, die in einem Rosenkrieg enden.

Die Frauen bekämpfen sich mit allen Mitteln und verlieren dabei völlig den Zugang zu ihren eigenen Kindern. „Little Fires Everywhere“ wäre in diesem Fall tatsächlich am besten übersetzt mit: Große Dramen, überall. Das  Problem der achtteiligen Serie, ist dann auch die Überfrachtung mit Handlungssträngen. Eine ungewollte Teenager-Schwangerschaft inklusive heimlicher Abtreibung und  das Thema Leihmutterschaft sind nur zwei von zahlreichen Nebenschauplätzen.

Witherspoons und Washingtons Porträt der beiden Frauen im Rosenkrieg, ist allerdings Drama-Fernsehen auf einem sehr hohen Niveau.

Erhältlich bei Amazon Prime.

3. Valeria

Die Schriftstellerin Valeria steckt in der Krise, nicht nur was ihre Romane, sondern auch was ihren Mann angeht. Wie gut, dass ihre besten Freundinnen Carmen, Lola und Nerea ihr zur Seite stehen, während auch bei ihnen so einiges los ist. Liebe, Freundschaft, Eifersucht, Untreue, Zweifel, Herzschmerz, Geheimnisse, Arbeit, Sorgen, Freude und Zukunftsträume – es ist ein Strudel der Gefühle, in dem sich Valeria und ihre Freundinnen zurechtfinden müssen.

Erhältlich bei Netflix.

4. Dispatches from Elsewhere

Amazon Prime Video „How I Met Your Mother“-Star Jason Segel in seiner ersten großen Serienrolle seit dem Ende der Sitcom. Die Serie  handelt von vier normalen Menschen, die nach Respekt  suchen. Auch Peter fühlt sich nicht wahrgenommen. Er kommt durch eine Reihe eigenartiger Zufälle zum rätselhaften Jejune Institut. Der Leiter verspricht ihm einen Ausweg aus der Unsichtbarkeit. Dies soll mithilfe eines mysteriösen Spiels gelingen.

Erhältlich bei Amazon Prime.

Kinderfilmserien

Kinderserien gab es gefühlt schon immer, jedenfalls schon lange, bevor das serielle Erzählen auch für Erwachsene in Mode kam, das unsere Medienlandschaft prägt. Einst war das Serienformat für Kinder eine Fernseh-Hochburg: Immer viel zu schnell zog ihnen die Augsburger Puppenkiste am Sonntag den roten Samtvorhang vor der Nase zu, sodass sie eine weitere lange Woche auf „Jim Knopf“ oder „Der Löwe ist los“ warten mussten. Dabei waren das damals nur schlappe vier Teile.

Mehr Genuss und noch mehr Freude an ausufernder „Geschichtenkultur“ bedienten später Krimi- und Fantasy-Kinderserien wie „Das Geheimnis des siebten Weges“ oder „Die Märchenbraut“, und spätestens da erahnte man das kreative Potenzial der Unterhaltungsware „Serie“.

Die ist ja auch dem Kino nicht ganz fremd: Von frühen Filmreihen à la „Fantômas“ war es zu „James Bond“ ein ähnlich kleiner Sprung wie von „Harry Potter“ zu neueren deutschen Kinoserien. Abseits aktueller Kinderserienformate mit Soap-Charakter fesseln  jene Reihen, die horizontal erzählen, also nicht in abgeschlossenen Folgen, sondern mit dem langen Atem eines „großen Plans“, der den Figuren und Beziehungen Raum gibt, sich zu entwickeln. So wird auch für Kinder und Jugendliche der Spaß  – beinahe – unendlich: mit ausuferndem Erzählen auch für die 1002. Nacht, weil man einfach kein Ende findet.

1. Armans Geheimnis

Fünf seelisch angeknackste Jugendliche werden aus ihrem Alltag gerissen. Frustriert, vereinsamt und voller Lebensangst stehen sie an einem heiklen (Wende-)Punkt: Werden sie ihre Krisen meistern oder abstürzen?

Auf mysteriöse Weise kreuzen sich ihre Wege auf einem idyllischen Reiterhof, wo sie sich zur Therapie einfinden. Doch dann geschieht Unglaubliches: Schwarze Reiter jagen durch die Wälder, ein rachsüchtiger Magier bedroht das Gute, jenseits der Grenzen von Zeit und Raum tut sich ein magisches Zwischenreich auf, das selbst ähnlich fragil und gefährdet ist wie das Leben der fünf Kids.

Die junge Regisseurin Alex Schmidt schuf eine mitreißende Mystery-Serie; was sie an Spannung und Abenteuerlichkeit, aber auch an liebevoller Nähe zu ihren Jugendlichen aufbaut, ist außergewöhnlich. Dabei kokettiert sie nie unverbindlich mit den Genremustern, immer geht es ihr ums Ganze, um Stimmungen, um Gefühle wie Angst und Mut, aber auch die Sehnsucht nach Trost, Anerkennung und Vertrauen.

Erhältlich bei Amazon, Netflix, iTunes, Google Play u.a.

2. Ostwind

Auf vier Kinofilme hat es die Reihe bereits gebracht, mit „Ostwind – Der große Orkan“ soll bald schon der fünfte Teil folgen. Auch wenn jedes dieser Mädchen-Pferd-Abenteuer in sich abgeschlossen ist, verbindet sie deutlich das horizontale Erzählen in kleinerer Form, geht es doch nicht nur um die Freundschaft zwischen dem stolzen Hengst Ostwind und der unangepassten, aufmüpfigen Mika, sondern auch um Mikas Heranwachsen, ihren Abschied von der Kindheit sowie ihre emotionalen Irrungen und Wirrungen als Jugendliche.

Eindringlich konturierte Katja von Garnier diese Entwicklung über die ersten drei Filme hinweg, sodass man der Serie die ansonsten eher stereotypen Handlungsmuster um das Gut Kaltenbach (als moderne Immenhof-Variante) gerne nachsah. Dann schickte sie Mika nach einer dramatischen Feuersbrunst zwischenzeitlich ins Koma, und es rückte mit Vollwaise Ari die nächste Generation nach.

Und was man nicht unbedingt erwarten konnte: Auch unter der Regie von Theresa von Eltz gelangen berührend-intensive, fast mythisch überhöhte Kinomomente.

Erhältlich bei Amzon, Sky Store, Rakuten TV, freenet Video u.a.

3. Der Brief für den König

Der Abenteuerschmöker der niederländischen Jugendbuch-Autorin Tonke Dragt wurde als aufwendiges Fantasy-Spektakel inszeniert, angereichert mit heftiger Magie und kriegerischen Bombast.

Mitunter verschwindet dahinter die schöne Geschichte um den 15-jährigen Ritteranwärter Tiuri, den der Hilferuf eines sterbenden Ritters ereilt und  nun einem fernen König durch viele Gefahren hinweg einen wichtigen Brief bringen muss.

Und doch funktioniert die Geschichte mit Blick auf ihre sympathischen  Protagonisten, die sich  mit ziemlich gegenwärtigen Problemen herumschlagen müssen, nach Anerkennung, Freundschaft und (erster) Liebe suchen und dabei immer weniger die  Erwartungen ihrer Eltern erfüllen wollen.

Erhältlich bei Netflix.

4. Zeitreise-Gen Edelstein-Trilogie

Kerstin Giers Fantasy-Romane der „Edelstein-Trilogie“ erzählen von einer mysteriösen Familien-Intrige, einer romantischen Liebe und von vielen turbulenten Zeitreisen.

„Liebe geht durch alle Zeiten“, lautet denn auch treffend der Untertitel der Reihe, die aus den Bänden „Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“ besteht. Erfrischend sorglos, mal genüsslich-geheimnisvoll, dann wieder ironisch zitieren die Verfilmungen gängige Genreelemente, und auch wenn dramaturgisch manche Lücke klafft, kann sich die unterhaltsame Serie sehen lassen.

Vor allem auch dank Gwendolyn, die Maria Ehrich spielt: Die junge Heldin mit dem Zeitreise-Gen, die in ihrer standesstolzen Familie zunächst nur mit Mühe als „hässliches Entlein“ geduldet wird, ist eine tolle Identifikationsfigur.

Erhältlich bei Amazon, Netflix, Rakuten TV, Google Play u.a.

5. Dschermeni

Andreas Steinhöfel, bekannt durch seine „Rico & Oskar“-Romane, aber auch durch den fulminanten Jugendroman „Die Mitte der Welt“, schrieb das Drehbuch zu dieser Serie um Migration und Integration.

Moritz, Rüyet, Yassir und Aminata, vier Zwölfjährige mit unterschiedlichen sozialen und ethnischen Hintergründen, werden über ihre Sorgen und Gegensätzlichkeiten hinweg beste Freunde und entwickeln viel Verständnis füreinander.

Tatsächlich erinnert dies gelegentlich an die unbekümmerte Leichtigkeit der „Rico & Oskar“-Geschichten, die einfach, prägnant und stets entwaffnend ehrlich an Solidarität und Zivilcourage appellieren.

Erhältlich bei filmfriend.

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