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Wertvolle Mini-BäumeEin Bonsai ist eine Lebensaufgabe

Lesezeit 7 Minuten
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Bonsai-Museum in Düsseldorf.

Behutsam knipst Rolf Handsley einen winzigen Olivenzweig ab. Das Werkzeug in seiner Hand gleicht einer altmodischen Kneifzange, ist aber speziell für die Bonsaipflege gefertigt und hat einen Kopf, der  einen konkaven Schnitt ermöglicht.  „So kommt man nahe an den Stamm und der Schnitt kann besser heilen“, sagt Handsley. Die Olive, an der er gerade arbeitet, ist ein Bäumchen von vielleicht 40, 50 Zentimetern Höhe. Sie hat einen knorrigen Stamm, trägt sogar eine einzelne Frucht.

Sie gehört  ins Winterlager, denn die Pflanze ist empfindlich gegen Kälte. Ihre Nachbarn auf dem Tisch, der unter freiem Himmel steht, bleiben allerdings draußen: Koreanische Hainbuchen, Feldulmen, Eichen, Eschen und Wildapfelbäume. Sie alle gehören ins Freie, denn es sind Bäume, die in unserem Klima gut leben können.

Viel Zeit

Seit zwölf Jahren betreibt Rolf Handsley den Bonsai Shop Köln in einem kleinen Atelier in einem Bickendorfer Hinterhof. Seine Erfahrung mit den Miniaturbäumen reichen jedoch viel weiter zurück, seit Jahrzehnten beschäftigt er sich schon mit dieser Form der fernöstlichen Gartenkunst. Handsley  arbeitete  als  Kameratechniker beim Film, bis ihn dieser Job nicht mehr befriedigte und ihm  körperlich zu anstrengend wurde.

Er machte sein Hobby zum Beruf und öffnete den Bonsai Shop. „Ich habe gemerkt, dass ich ein Händchen für Bäume habe. Man muss sie verstehen, erkennen können, wenn es ihnen nicht gut geht.“ Einfühlsamkeit ist eine wichtige Voraussetzung, um einen so filigranen Organismus  wie einen jahrzehntealten Baum, der in einer flachen Schale lebt, pflegen zu können.

„Man muss sich viel Zeit nehmen“, sagt Handsley. „Man muss immer da sein, kann nicht viel reisen. Oder man braucht jemanden, der den Baum in der Zeit pflegt.“ So etwas übernimmt er für seine Kunden, zu denen seit einiger Zeit auch  viele jüngere Leute gehören – Zwölf- bis 26-Jährige, die ihn über seine Facebook-Seite finden.  Sogar aus Frankfurt und Berlin kommen Interessenten nach Bickendorf. Denn Bonsai-Pflege ist Vertrauenssache – so fährt der Experte sogar mehrere Hunter Kilometer, um einen Gartenbonsai zu schneiden und zu pflegen.

Jede Pflanze, die verholzt, kann zu einem Bonsai gezogen werden – sogar Efeu und Blauregen oder auch Thymian. Persönlich mag Handsley Kiefern und Koniferen am liebsten, denn sie sind anspruchsvoll in der Gestaltung. Positiv- und Negativbereiche – solche mit Nadelbüscheln und der Freiraum dazwischen – ergänzen sich in einer harmonischen Gestaltung perfekt.

Künstlerischer Ausdruck

„Wie Bildhauerei am lebenden Objekt“ sei das Formen eines Bonsais, sagt Handsley, der früher gemalt und Musik gemacht und jetzt in der Baumgestaltung seinen künstlerischen Ausdruck gefunden hat. „Jeder Baum braucht eine Grundstruktur, ein Gerüst, auf dem man in den kommenden Jahren aufbauen kann.“

Für jeden seiner Bäume hat er ein „kleines Konzept“, das er über Jahre hinweg verfolgt. Nicht immer erkennen Laien – oder Besitzer, die dem Experten ihren Baum zur Pflege anvertrauen – direkt, warum zum Beispiel ein schöner Zweig entfernt wird. „Natürlich tut das auch mal weh, wenn ein großer Ast weg muss.“ Doch das kann notwendig sein, da er zu mächtig wird, da er eine eigene Krone bilden will. Dann schneidet Handsley ihn ab und zieht an seiner Stelle einen kleinen Zweig heran – bis der den Ast ersetzt, können aber Jahre vergehen.

An einer wilden Olive hat sich ein Trieb gebildet, der senkrecht nach oben wächst. So etwas wird entfernt, es sei denn, der Trieb lässt sich zufällig zur Gestaltung nutzen. Mit Draht könnte er dann  in die richtige Richtung gebogen werden, wo er dann nach einiger Zeit verholzt. „Man muss Handwerker sein, Gärtner und Künstler“, sagt Handsley. Handwerkliches Geschick ist notwendig, um den Baum in der Schale zu fixieren, die Äste einzudrahten. Gärtnerische Pflege, Schnitt, und einen Blick für Ausgewogenheit haben, die Dimensionen sehen.

Der perfekte Bonsai und Tipps zur Pflege

Freiluft-Museum

Wie perfekte Bäume im Topf aussehen können, zeigt das Bonsai Museum in Düsseldorf.  Feldahorn und Weißdorn, Liguster, Drei-spitzahorn und Chinesischer Wacholder stehen hier nebeneinander. Sie werden als Einzelbäume gezogen, als kleine Gruppe im Topf, gerade aufrecht oder mit geschwungenem Stamm. Manche sehen aus wie ein Laubbaum im Miniformat, andere sind bizarr, die langen und dünnen „Literaten“-Formen etwa oder die Kaskaden, bei denen ein Bäumchen über den Topfrand hängt. In der Japanischen Gestaltung trägt jede dieser Formen einen eigenen Namen.

Die Bäumchen sind mehrere Jahrzehnte alt, und je älter, desto wertvoller werden sie.  „Die kann man nicht mal eben dem Nachbarn zum Gießen überlassen“, sagt Bastian Busch. Zumindest nicht, wenn der Nachbar keinen ausgesprochen grünen Daumen hat. Busch ist vor Kurzem in die Arbeit im Museum und der Werkstatt seines Vaters eingestiegen. Werner Busch war einer der Pioniere, vor 35 Jahren gründete er seine Werkstatt, vor fünf Jahren kam das Museum dazu, das von einem Förderverein getragen wird.

„Bonsai ist eine Lebensart“, sagt Bastian Busch. „Ein Bonsai gehört zum täglichen Leben, zumindest den Sommer über.“ Täglich sollte gegossen und nach dem Rechten gesehen  werden. In der Pflege sind sich europäische und japanische Bonsai gleich. Die Auffassung, was eine gute Gestaltung ist, unterscheidet sich jedoch.  „Die Sehgewohnheit spielt dabei eine Rolle“, sagt Busch. Während die Japaner eher ordentliche Etagen und Wolken schneiden, ist in Europa ein „natürlicherer“ Wuchs gefragt, entweder mit runder, geschlossener Krone oder auch betont dramatischerem Wuchs.

Die Garten-Bonsai oder auch Niwaki, Gehölze im Wolkenschnitt, die auch in Europa inzwischen sehr beliebt sind, haben allerdings Vorbilder in der Natur. Was für unser Auge gekünstelt wirkt, ist eine Nachahmung der natürlichen Form, in der die Pflanzen in den Bergen Japans wachsen. „Daher hat man sie in der Stadt auch so geschnitten“, sagt Busch. Die Bandbreite ist groß, und was gefällt, ist Geschmackssache. „Manche mögen eher die ruhigen, andere eher die ausdrucksstarken Bäume“, sagt Busch. Moden und Weiterentwicklungen gibt es, wie in anderen Kunststilen auch, und in der Szene sind die Namen der  Gestalter bekannt.

Auch bei den Gehölzen gibt es unterschiedliche Vorlieben. Während in Japan vor allem Laubbäume ohne Borke verwendet werden, zieht Busch zum Beispiel auch einen Weißdorn, der sich vor allem durch seine raue Rinde auszeichnet. Auch Lärchen finden sich im Bonsai-Museum, Bäume, die in Japan als „schwach“ gelten und die kaum als Bonsai gezogen würden.

Wichtiges Element der Gestaltung ist auch die Schale. Manche Künstler haben sich ausschließlich auf die Herstellung von Bonsai-Schalen spezialisiert und können davon leben. „Unglasierte Schalen werden üblicherweise für Nadelbäume, die als männlich gelten,  verwendet“, sagt Busch. Die „weiblichen“ Laubbäume werden traditionell in glasierte Schalen gesetzt. Die Glasur soll zur Blüte passen. Alterungserscheinungen sind ausdrücklich erwünscht.

In Rolf Handsleys Kölner Bonsaigärtnerei  lehnt eine Schieferplatte, etwas größer als ein Geschirrtablett. Vielleicht setzt er bald kleine Bäume darauf,  vielleicht eine Landschaft wie die aus Ulmen, die er vor Jahren auf einer  tönernen Schale angelegt hat, die  zerklüfteten Felsen gleicht. Mit viel Erfahrung und dem richtigen Händchen gedeihen Bäume sogar auf einer flachen Platte.

Feine Wurzeln, kleine Blätter

Bonsai ist eine Gartenkunst, die ursprünglich in China entstand, vor rund 1000 Jahren nach Japan gelangte und dort weiterentwickelt wurde.  Seit etwa 40 Jahren sind Bonsai auch in Westdeutschland beliebt, in der DDR waren sie aufgrund der engen Beziehungen zu Staaten wie Korea schon länger bekannt.

Anders als in der Baumschule, wo ein Baum ein immer weiteres Wurzelwerk entwickeln darf, wird es bei den Bonsai über Jahre immer wieder zurückgenommen, bis der Baum in eine flache Schale passt. Gezielter Schnitt und das Drahten von Zweigen, bis sie verholzen, bringt die Krone in die gewünschte Form. Die Pflege und das Gießen benötigen Kenntnisse und  Zeit.

Sogar die Blätter sind oft kleiner, was durch die Zahl der feinen Äste und Zweige und das zarte Wurzelwerk möglich wird.  Während im Prinzip jedes verholzende Gewächs als Bonsai gezogen werden kann, bilden jedoch nicht alle kleines Laub aus: Kastanie und Walnuss bleiben groß.

Pflanzen, die in unseren Breiten nicht draußen überleben wie Ficus, Pfennigbaum oder Schnurbaum müssen drinnen gezogen werden und sind daher als „Indoor-Bonsai“ bekannt. Alle anderen gehören nach draußen. Erhalten sie  alles, was sie benötigen, können die Pflanzen uralt werden. Den Bäumen gehe es blendend, sagen Experten. www.bonsai-shop-koeln.de www.bonsai-museum.de

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