Wünsche für die ZukunftDas sind die Träume der Menschen in Köln

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Köln – Das Jahresende ist typischerweise die Zeit der Wünsche und guten Vorsätze. Auch die individuellen Träume, die den Menschen antreiben und motivieren, werden insbesondere zum Jahreswechsel thematisiert – es gilt herauszufinden, wie man diese im kommenden Jahr erreichen oder ihnen zumindest ein gutes Stück näher kommen kann. Dabei sind die jeweiligen Träume so unterschiedlich wie die Menschen selbst.

Wir wollten wissen, wie die Lebensträume unserer Mitmenschen aussehen und was sie tun, um diese Träume in die Realität umzusetzen. Also haben wir nachgefragt. Bei jungen und alten Kölnern, bei Männern und Frauen. Was ist der Herzenswunsch von Hayko Migirdicyan, der am Ebertplatz einen Kiosk betreibt? Wovon träumt Christiane Altenbach, die bei einem Unfall beide Unterschenkel verlor?

Weniger Einsamkeit

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Edith Marschall

Edith Marschall (65) hilft armen und alten Menschen.

Ich kann mich sehr gut an alte Wünsche erinnern. Geboren bin ich kurz nach dem Krieg und bin als Kind zur Volksschule und später zur Realschule gegangen. Danach habe ich eine Ausbildung zur Bauzeichnerin gemacht. Vielleicht hätte ich aber auch gerne studiert, auf jeden Fall hätte ich mir gewünscht, dass meine Eltern anders darauf geschaut hätten – der Grips wäre ja da gewesen. Allerdings hadere ich nicht damit. Das ist alles Schnee von gestern. Denn ich habe gemerkt, dass man aus sich selbst und dem Leben lernen kann. Man muss nicht studieren, um gut durchs Leben zu kommen.

Jetzt bin ich Rentnerin, mein Mann ist noch berufstätig. Meine Kinder wohnen nicht in der Nähe und ich habe keine Lust, auf die Möbel aufzupassen. Ich bin jemand, der macht und nicht lange redet.  Was ich mir wünsche, gehe ich an. Dazu gehört auf jeden Fall,  anderen zu helfen. Etwas Sinnvolles zu tun. Ich war irgendwann einmal Sekretärin und eine Stärke von mir ist es, am Ball zu bleiben und mit Gott und der Welt zu reden – da kenne ich nichts. Seit Jahren setze ich mich deswegen für Senioren in Köln ein und ich bin gut darin, neue Projekte an Land zu ziehen.

Lange war ich auch Seniorenvertreterin und habe in der Zeit vieles erlebt und auch Furchtbares gesehen. Vor allem habe ich gemerkt, dass viele alte Menschen in Armut vereinsamen. Es sind sehr viele und das will man gar nicht glauben. Den wenigsten alten Menschen, denen ich begegne, geht es gut. Viele sind krank oder arm oder haben schon jemanden verloren. Diese Menschen möchte ich ablenken. Es gibt jetzt ein Projekt in der Innenstadt, mit dem wir gerne die Menschen zum Tanzen, Backen, Basteln oder Singen einladen wollen. Karnevalsfreitag zum Beispiel laden wir die Menschen zu einem „Loss mer singe“ in die Gaststätte Famillich am Eigelstein ein.

Ich wünsche mir, dass sie sich trauen, einfach mal wieder raus zu gehen. Denn mir fällt auf, dass Ältere nicht mehr so weltoffen und eher  festgefahren sind. Ich finde, sie sollten trotz allem, was sie gerade erleiden, mutiger sein und wieder ins Leben hineingehen. Vielleicht  sollten sie nicht nur mitmachen, sondern sogar wieder ein bisschen Verantwortung übernehmen. Aber da tun sich leider viele schwer. Viele trauen sich nicht. Insbesondere die Frauen. Das finde ich sehr traurig. Denn ich glaube, wenn man etwas anpackt, kann man einiges verändern. Ich wünsche mir einfach mehr Mut und Miteinander. Das liegt mir sehr am Herzen.

Außerdem merke ich an mir selbst, dass mich das Engagement beweglich hält und glücklich macht. Und das wünsche ich mir für mich selbst. Dass ich noch lange so weiter machen kann. Das heißt, ich will gesund bleiben. Einmal in der Woche gehe ich zwischen 20 und 25 Kilometer von hier aus wandern, das tut gut. Und was auch schön ist, ist meine Ehe. Ich hoffe, sehr, dass wir noch lange so weiterleben können. Denn gemeinsam mit meinem Mann habe ich mir  einen großen Wunsch bereits erfüllt: Wir machen jedes Jahr große Reisen. Kanada fehlt uns noch. Australien und Neuseeland. Dort möchten wir unbedingt noch hin und ich hoffe, wir können das gemeinsam noch schaffen.

Karriere als Wasserballer

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Fadi Sarmini

Fadi Sarmini (20) trainiert fast täglich für seinen Traum.

Mein Name ist Fadi. Ich stamme aus Syrien und bin 2015 nach Deutschland geflohen. Ich bin anerkannter Flüchtling. In meiner Heimatstadt Aleppo habe ich als Schwimmlehrer und Rettungsschwimmer gearbeitet. Ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich sonst zum Militär gemusst hätte. Also haben meine Familie und ich entschieden, dass ich weggehe. Ich bin erst in den Libanon gefahren, dann in die Türkei, nach Griechenland, Mazedonien, Kroatien, Slowenien, Österreich. Schließlich bin ich nach Deutschland gekommen.

In Köln arbeite ich als Schwimmlehrer bei einem Verein und spiele regelmäßig Wasserball. Ich habe auch bei einem Behindertensportverband eine Ausbildung angefangen, aber das hat leider nicht geklappt. Mir fehlten viele Wörter. Also habe ich die Arbeiten schlecht geschrieben. Jetzt lerne ich die deutschen Fachbegriffe und fange nächstes Jahr wieder mit meiner Ausbildung an.

Mein großer Traum ist, in der Deutschen Wasserball-Liga mitzuspielen. Ich liebe Wasserball über alles, seit ich mit sieben oder acht Jahren damit angefangen habe. Wir waren damals vier Freunde und hatten jede Menge Spaß. Die Mannschaft in Aleppo gibt es heute nicht mehr. Fast alle sind weggegangen, weil Krieg ist. Als ich nach Deutschland kam, habe ich immer nur gesagt, ich will „Waterpolo“ spielen. Ich kannte nicht einmal das deutsche Wort dafür. Jetzt trainiere ich jeden Tag außer Sonntag, um meinen Traum vielleicht irgendwann zu verwirklichen.

Ewiges Leben als Fußballer

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Nick

Nick (6) träumt von einer Karriere beim FC Bayern.

Ich wünsche mir, dass ich nie sterbe. Also für immer weiter lebe. Das Leben ist einfach toll! Ich hoffe auch, dass meine Familie immer gesund bleibt und alle ganz lange leben. Mama, Papa, mein Bruder und alle Omas und Opas.

Am liebsten würde ich Fußballer werden. Ich spiele ja schon im Verein und wir haben bisher alle Spiele gewonnen. Bis auf eines, aber das war nur ein Freundschaftsspiel gegen Viktoria Köln. Mein größter Traum ist es, einmal für Bayern München zu spielen. Ich bin ja Bayern-Fan. Das sind die besten. Leider sind dann Müller und Lewandowski schon weg von Bayern, wenn ich erwachsen bin. Das ist schade.

Mein Bruder ist Fan vom 1. FC Köln. Der kann ja für Köln spielen und wir spielen gegeneinander. Aber in der Nationalmannschaft können wir dann zusammen spielen. Ich bin schon ein guter Spieler, aber ich weiß auch, dass ich noch viel trainieren muss, um meinen Traum zu erfüllen. Dribbeln, passen, Vorlagen geben – das ist alles wichtig für Fußballer.

Ich möchte ganz viele Tore schießen und Pokale gewinnen. Am liebsten die Meisterschale oder auch die Weltmeisterschaft. Dann den Pokal hochhalten, zu jubeln und hinterher zu feiern. Das wäre super.

Aufgezeichnet von Christian Seiter

Auf den Spuren von Iyengar

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Rita Keller

Rita Keller (65) wünscht sich mehr Anerkennung für Yoga.

Ich hatte mit 18 Jahren einen schweren Unfall und lernte durch einen Freund Yoga kennen. Mir ging es nicht gut, ich hatte Depressionen. Yoga half mir, wieder auf die Beine zu kommen. Seitdem bin ich dabei geblieben.  Mit 22 stieß ich auf den indischen Yogameister Iyengar, den Begründer des Iyengar-Yoga. Ich war total fasziniert von seinem Buch „Light on Yoga“ und habe später viel mit ihm zusammen gearbeitet.

Nach meinem Studium arbeitete ich zunächst als Übersetzerin und bekam vier Kinder. Yoga lief nebenher. Dann bat mich Iyengar, in Deutschland ein Ausbildungszentrum und einen Verband aufzubauen. Also hing ich 1989 meinen alten Beruf an den Nagel und gründete in Bad Neuenahr ein Institut für Iyengar-Yoga. Privat war das eine schwierige Phase, aber es war so, als würde mich etwas in eine bestimmte Richtung schieben. 2001 eröffnete ich auf Iyengars Wunsch ein zweites Institut in Köln. 

Ich beschäftige mich viel mit Frauenthemen:  Wie leben Frauen? Wie entstehen Brustkrebs und andere Krankheiten? In der Naturheilkunde und bei Komplementärmedizinern ist die positive Wirkung von Iyengar-Yoga inzwischen unbestritten. Doch bisher werden alternative Heilmethoden nur in Krankenhäusern oder Abteilungen eingesetzt, die Naturheilkunde einbeziehen oder Komplementärmedizin praktizieren. Mein großer Traum ist, dass diese Methoden allgemein anerkannt und angewendet werden. Wenn nachgewiesen ist, dass sich bei Brustkrebspatientinnen durch Yoga  der Stress reduzieren lässt, dass sich ihr allgemeines Wohlbefinden verbessert und ihre Selbstheilungskräfte aktiviert werden, sollte man diese Methode in jedem Krankenhaus anbieten. Ich wünsche mir auch, dass die Lehrer an den Schulen ein paar Übungen beherrschen, um die Kinder zu entstressen. 

Das eigene Buch

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Christina Altenbach

Christina Altenbach (51) schreibt an einer Roman-Saga.

Seit meiner Kindheit wollte ich eigentlich nur eines: Schriftstellerin werden. Als kleines Mädchen schrieb ich Tiergeschichten, die außer meiner Familie niemand las. Später, in meiner Teenagerzeit, folgte ein schmalziger Liebesroman. Als Erwachsene schrieb ich  satirische Kurzgeschichten über den Alltag mit meinen Katzen Narses, Minka und Billund, die ich in der NewsGroup.de.rec.tiere.Katzen veröffentlichte. Sie waren in kürzester Zeit  so beliebt, dass ich eine richtige Fangemeinde hatte, die lauthals schrie (und noch heute schreit): Mach ein Buch daraus.

Aber das eigentliche Buch, mein Herzensanliegen, das war ein mehrteiliges  Romanprojekt über die Normannen in Süditalien. Den ersten Teil habe ich kürzlich selbst veröffentlicht, wenn auch ohne Korrektur und ohne Lektorat.

Dieses Buch hat eine eigene Geschichte: Während meines Geschichtsstudiums Anfang der 90er Jahre entdeckte ich im Vorlesungsverzeichnis eine Veranstaltung zum Thema „Die Normannen in Süditalien“, und schon bald war ich in die normannische Familie Hauteville verliebt. Damals las ich gerne die historischen Romane von Gisbert Haefs und Peter Berling. Ich hätte mir allerdings nie angemaßt zu denken, jemals so gut sein zu können wie diese beiden Autoren. Trotzdem trug ich die historischen Fakten zusammen, die mich zu einer Romanhandlung führen sollten. Alles nebenher und mit wenig Zeit. Bis mir das Leben dazwischen funkte: Bei einem Straßenbahnunfall verlor ich beide Unterschenkel.

Über viele Jahre hatte ich weder Zeit noch Energie für meinen großen Roman. Ich war voll berufstätig und kritzelte in meiner wenigen Freizeit  zwar hin und wieder ein paar Ideen auf Papier, aber was ich tatsächlich schrieb, waren Kurzgeschichten. Die über die Katzen und satirische Geschichten über den Alltag mit einer Behinderung. Der Roman ruhte in den Tiefen meiner selbst, und glücklicherweise hatte noch immer niemand ein Buch über „meine“ Normannen geschrieben.

Bis ich eines Tages  beim Einkaufen in meinem Rewe-Supermarkt eine erschreckende Entdeckung machte. Auf einem Stapel Bücher lag ein Buch, von dessen Einband mich das Wort „Normannen“ anblitzte. Ich verließ die Schlange vor der Kasse, nahm es in die Hand und las: „Das Schwert des Normannen“. Da war mir doch ein gewisser Ulf Schiewe zuvorgekommen! Kindischerweise war ich zutiefst gekränkt und warf das Ding zurück auf den Stapel. Gekauft habe ich es auch später nicht. Aber: Ich fing endlich an zu schreiben. Zeit hatte ich genug. Ich war inzwischen Pensionärin.

Teil zwei meines Romanzyklus ist inzwischen ebenfalls fertig. Auch einen dritten und vierten Band  wird es  geben. Mein großer Wunsch ist, mich um nichts anderes als um das Schreiben, also um meine Geschichte kümmern zu müssen. Ich möchte jemanden haben, der meine Texte korrigiert und lektoriert, denn noch muss ich alles selber machen. Erst wenn beides von Profis übernommen würde, wäre mein Buch ein „richtiges“ Buch. Und wäre das Herzstück erst einmal fertig, hätte ich Ideen für so viele weitere historische Romane, dass ein Leben eigentlich nicht ausreicht.

Ich glaube immer noch nicht, so gut zu sein wie ein Peter Berling. Aber inzwischen habe ich genügend „neue“ historische Romane gelesen, um sagen zu können: So gut wie ein Herr Schiewe bin ich schon lange.

Oberbürgermeister in Köln

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Hayko Migirdicyan

Hayko Migirdicyan (43) möchte sich den Menschen mitteilen.

Mit meiner Schwester zusammen betreibe ich einen Kiosk am Ebertplatz, einem der Hotspots von Köln. Wir versuchen, hier unseren ganz normalen Alltag zu  bestreiten, was manchmal gar nicht so einfach ist. Wir haben lange Öffnungszeiten. Darunter leidet die Familie ein bisschen. Und auch man selber kommt bei allem viel zu kurz und hat für nichts Zeit. Da entwickelt man natürlich Träume. Hin und wieder nutze ich die Gelegenheit, aus meinem Alltag auszubrechen und den ein oder anderen Traum zu verwirklichen.

Es gibt 1.000 Dinge, die ich im Leben anreißen möchte. Fallschirmspringen, einmal in den Weltraum fliegen. Ich glaube, jeder hat da seine ganz persönliche To-do-Liste. Es geht mir dabei letztendlich um das Gefühl, etwas erlebt zu haben. 

Einer dieser Träume war, einmal in einem Bollywood-Film mitzuspielen. Ich wollte  schon immer  in einem Film mitmachen. Als ich dann bei einer Fernsehsendung etwas Geld  gewonnen hatte, dachte ich, okay, vielleicht kannst du dich ja in Indien in eine Rolle einkaufen. Also bin ich im Frühjahr 2014 nach Mumbai geflogen. Letztendlich habe ich nicht in einem Film mitgespielt. Aber das  ganze Drumherum einmal zu erleben, bei Castings mitzumachen, überhaupt in diese Filmwelt einzutauchen, das hat mir schon viel gegeben und mich dem Endziel meines Traums  sehr nahe gebracht. 

Ich hatte vorher ein wenig im Internet recherchiert und habe es dann tatsächlich geschafft, beim größten Caster Bollywoods zu landen. Man hat mir auch Rollen angeboten, allerdings nur gegen ein hohes Entgelt. Irgendwie hatte es sich wohl in der Szene herumgesprochen, dass da jemand herumlief und bereit war, Geld für eine Rolle zu zahlen. Die Angebote wurden immer besser, die Preise dafür aber auch immer höher. Es gipfelte in einem Angebot, in einem Film mit Shah Rukh Khan mitzuspielen, Indiens bekanntestem Schauspieler. Ich sollte in einer Tanzszene, die in New York spielte, einfach nur im Hintergrund stehen. Dafür wollten die 1.700 Euro haben. Das war mir das Ganze dann doch nicht wert. Ich dachte: Mit dem Geld kannst du auch etwas  Besseres machen, und habe auf die Rolle verzichtet.

Ich bin schließlich in einer Schauspielschule gelandet. Dort gab ein Schauspiellehrer Kindern aus den Slums Schauspielunterricht. Sie liegt mitten im größten Slum von Mumbai, in Darawi. Der Mann war so freundlich, nur für mich eine Filmkulisse aufzubauen und mich darin eine Szene spielen zu lassen. Das wurde dann mein persönliches Bollywood.

Alles in allem habe ich eine Menge Kohle in Indien gelassen. Es war  eine fünfstellige Summe, aber einen Teil davon habe ich auch den Leuten vor Ort gespendet.

Ich habe noch andere Träume. Wenn der erste Weltraumflug bezahlbar wird, steht das, wie gesagt, ganz oben auf meiner Liste. Und ich will mich auf jeden Fall bei der nächsten Oberbürgermeisterwahl aufstellen lassen. Ich weiß, dass ich keine Chance habe. Trotzdem will ich diese Keine-Chance  versuchen zu nutzen, um den Menschen  meine Sicht der Dinge zu erklären. Ich finde, dass die Kölner Lokalpolitik sich viel zu wenig um die Bürger kümmert und vor allem die Interessen der Wirtschaft berücksichtigt. Mein Wunsch ist, dass der Mensch im Vordergrund steht, dass sich  die Menschen wieder wohlfühlen in dieser Stadt und dass man ihnen die Aufmerksamkeit schenkt, die sie verdienen.

Ich habe ja noch ein bisschen Zeit. Ich müsste erst eine Unterschriftenaktion durchführen, doch das dürfte kein Problem sein. Mein Wunsch ist, als    Kandidat eine Plattform für meine Gedanken zu bekommen. Ich weiß, dass das, was ich denke, nicht unbedingt wichtig ist. Trotzdem möchte ich die Chance nutzen, mich den Menschen mitzuteilen.

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