Füchse wüten auf dem Friedhof

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Keine Scheu vorm Fotografen. Der Fuchs wird im Stadtgebiet immer heimischer, unter anderem weil er hier ohne großen Jagdaufwand immer Nahrung findet. Doch die Schäden, die er auf Friedhöfen anrichtet, sind gravierend.

Keine Scheu vorm Fotografen. Der Fuchs wird im Stadtgebiet immer heimischer, unter anderem weil er hier ohne großen Jagdaufwand immer Nahrung findet. Doch die Schäden, die er auf Friedhöfen anrichtet, sind gravierend.

Bärenjagd in Tirol? Das ist weit weg. Auf Melaten könnten demnächst Füchse zum Abschuss freigegeben werden.

Es trifft Eugen Adolf Wilhelm Rautenstrauch ebenso wie „Lieschen Müller“. Rund 50 Gräber auf dem Melatenfriedhof werden regelmäßig von Füchsen verwüstet. Und es werden immer mehr, Schäden wie Füchse. Bei der Friedhofsgärtnerei „Grün an Melaten“, einer von sieben direkt angesiedelten Grabgestaltungsfirmen, mehren sich die Beschwerden - nicht nur aus finanziellen Gründen. Viele Besucher erschrecken angesichts der Tiere. Fuchsbauten, die oft tief in die Gräber hineinreichen, schockieren die Hinterbliebenen wie Ludwig Rautenstrauch, der sich um das Grab seines Ahnen sorgt: „Es ist unglaublich, dass die Stadt die Füchse graben lässt und irgendwann die Knochen der Vorfahren ausgebuddelt werden.“ Rautenstrauch will auf jeden Fall, dass die Stadt in die Pflicht genommen wird, und zwar „mit Gift oder Schrot, eins von beiden geht ja nur“.

„Irgendwann ist es mit der Tierliebe vorbei“, schimpft auch Gärtnerei-Geschäftsführer Arnold Dircks. Mit Steinen dürften die Bauten nicht verschlossen werden, weil sich Jungtiere in der Grube befinden könnten. Tierschützer sollen die „süßen“ Tiere sogar füttern. „Aber erzählen sie das mal einer alten Frau, die ihren Mann da drin liegen hat. Die sitzen hier und heulen.“

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Erst waren es die Kaninchen. Gegen sie wurden Katzen eingesetzt. Die Füchse jagen nun die Katzen. Seines Erachtens sind die Tiere gezielt auf den Friedhof gebracht worden. „Und in zwei Jahren?“, fragt sich Dircks, „Dann haben wir hier Löwen, oder was?“

Bei vielen prominenten Gräbern trifft der Schaden auch Kölner, die keine Angehörigen auf dem Friedhof haben. „Das sind häufig städtische Pflegegräber - und da muss die Stadt für aufkommen.“ Gleichzeitig versuche die Stadt Paten für die Sanierung und Grabpflege von Denkmälern zu finden. „Das sind ja nicht nur Ruhestätten, sondern auch Sehenswürdigkeiten.“

Die Schäden seien in Euro nicht zu beziffern. Zwischen 250 und 1000 Euro koste jede Instandsetzung der mühsam angelegten und gepflegten Bepflanzungen. „Den Oebel haben sie uns schon fünfmal zerlegt.“ Grabsteine und Aufbauten wie Bänke oder Skulpturen sacken ab, große Beete werden nachhaltig geschädigt. Beileibe kein willkommener Zusatzauftrag für Dircks, der mit seinem Betrieb 80 Prozent der Gräber entlang des Hauptwegs pflegt.

Abgesehen von dem Hautkontakt mit Kot, der den Fuchsbandwurm überträgt, und Tollwutgefahr: Dircks Betrieb bessert ständig aus - häufig auf eigene Kosten, um die Kunden nicht zu verlieren. „Die Betroffenen sehen ja nur den Schaden, aber nicht den Verursacher. Langfristig fällt das auf uns zurück. Und das trifft alle Friedhofsgärtner-Firmen gleich. Kleine Betriebe gehen daran kaputt.“

„Die Füchse können machen was sie wollen. Das ist Naturrecht. Und nicht zuletzt gibt es ja nicht ohne Grund so etwas wie das Tierschutzgesetz“, entgegnet Reinhard Muck, stellvertretender Leiter des Amtes für Landschaftspflege und Grünflächen. Die Tiere seien ja auch nützlich, da sie die Zahl der Kaninchen dezimierten. „Da sitzen wir zwischen den Stühlen.“ Gleichzeitig könnten solch gravierende Zerstörungen von Grabmälern nicht geduldet werden. „Das möchte ich als Angehöriger auch nicht erleben.“

Nun sei die Abteilung Friedhöfe dabei, nach Lösungen zu suchen. Eine Möglichkeit wäre, erwachsene Füchse durch Förster oder Jagdpächter, die jeder Friedhof hat, abschießen zu lassen. Dies würde - wie die Kaninchenjagd - zu den üblichen Schließzeiten im Morgengrauen oder späten Abendstunden stattfinden.

Die Schonfrist endet am 16. Juni, nur die Untere Jagdbehörde müsste noch zustimmen. Der Rest wäre „laufendes Geschäft der Verwaltung“. Einen dauerhaften Erfolg verspricht sich Muck davon jedoch nicht. „Dann werden sie sich in einem anderen Teil des Friedhofs niederlassen.“ Der Melatenfriedhof ist 435 000 Quadratmeter groß und zählt rund 48 000 Gräber.

Eine Alternative wäre das Aufstellen von Lebend-Fallen, wonach die Tiere in der freien Natur wie dem Königsforst ausgesetzt würden. Zudem soll es Gespräche mit den Katzenschützern geben, die seit rund 30 Jahren auf dem Gelände geduldet würden, ob die Katzenfütterung so gestaltet werden könnte, dass Füchse nicht mehr an das Futter herankommen können.

Füchse werden wie Wildschweine im Stadtgebiet immer heimischer auch weil sie ihrer natürlichen Lebensräume beraubt wurden - und weil sie hier ohne großen Jagdaufwand immer Nahrung finden. Verursacher des tierischen Problems sei letztlich der Mensch selbst, so Muck. „Die Kölner tun an jedem schönen Wochenende ihr Übriges, indem sie im Freien Müll und Essenreste zurücklassen.“

 www.melatenfriedhof.de

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