Geheimlabor entwickelt Gifte für spurlose Morde

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Russlands Agenten waren in der Wahl ihrer Mittel noch nie zimperlich.

Moskau - Der russische Präsident Wladimir Putin hat jede Verbindung mit dem Tod des russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko in London zurückgewiesen. „Es gibt keinen Anlass für solche Spekulationen“, sagte er am Freitag am Rande des Gipfeltreffens seiner Regierung mit der Europäischen Union (EU) in Helsinki.

Freilich sind Moskauer Dementis nicht unbedingt überzeugend. Nachdem Agenten des Militärgeheimdienstes GRU am 13. Februar 2004 den tschetschenischen Ex-Präsidenten Jandarbijew in Qatar ermordeten, dementierte Moskau seine Beteiligung ebenfalls. Peinlicherweise gingen die beiden Mörder - mit Pässen auf die Namen Anatolij Jablotschkow und Wassilij Bogatschow - den Behörden in Qatar ins Netz. Vor Gericht erwies sich, dass Sprengstoff für den Mord mit einem russischen Diplomatenwagen nach Qatar gebracht wurde und ein Diplomat der russische Botschaft beteiligt war. Die beiden Killer wurden am 30. Juni 2004 rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt, doch nach massivem Druck des Kreml am 23. Dezember 2004 nach Moskau abgeschoben.

„Ich glaube, Russlands Geheimdienste kehren zu den Methoden der Stalin-Zeit zurück, ihre Gegner sowohl in Russland wie auch im Ausland in Geheimoperationen zu ermorden“, sagt der ehemalige KGB-Oberst Konstantin Preobraschensky. Russlands Geheimdienst unterhält seit 1922 ein Geheimlabor, das Gifte für spurlose, zumindest rätselhafte, Morde entwickelt. 2005 veröffentlichte Ex-Geheimdienstler Alexander Kusminow ein Buch, demzufolge das Labor immer noch existiert. Hauptziel sei heute die Entwicklung von Gift-Kombinationen, die nicht nachweisbar sind und deren Symptome Ärzte und Ermittler vor Rätsel stellen.

Grigorij Mairanowskij, der langjährige Laborchef unter Stalin, erprobte die Gifte unter anderem an deutschen Kriegsgefangenen - und feierte es als Riesenerfolg, dass nach der Vergiftung selbst die besten russischen Ärzte zum Schluss kamen, die Gefangenen seien eines natürlichen Todes gestorben.

1955 vergiftete der KGB in der Bundesrepublik den Überläufer Nikolaj Chochlow mit radioaktivem Thallium - erst nach Wochen kam einem US-Militärarzt der richtige Verdacht. Am 7. September 1978 ermordete der bulgarische Geheimdienst in London den für die BBC arbeitenden Dissidenten Georgij Markow mit Genehmigung von KGB-Chef Jurij Andropow. Das KGB-Giftlabor stellte dafür Ricin zur Verfügung.

Markow starb vier Tage, nachdem der bulgarische Agent ihm das Ricin mit einer in einem Regenschirm versteckten Nadel verabreicht hatte. Da sich das Ricin im Körper auflöste, standen auch damals die britischen Ärzte und Kriminalisten vor einem Rätsel. Es wurde erst 1994 durch den übergelaufenen KGB-General Oleg Kalugin gelöst. Im April 2002 tötete Russlands Inlandsgeheimdienst FSB den tschetschenischen Rebellenkommandeur Chattab mit einem vergifteten Brief.

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