Gehirnjogging vor schwedischen Gittern

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Der Herr der Kästchen, Zahlen und Gitter: Rätsel-Redaktionsleiter Johannes Susen in seinem Büro.

Der Herr der Kästchen, Zahlen und Gitter: Rätsel-Redaktionsleiter Johannes Susen in seinem Büro.

Bergisch Gladbach - „Herr der Rätsel mit fünf Buchstaben?“ Diese Frage ist wohl noch in keinem Kreuzworträtsel aufgetaucht. Nur für den Fall, dass: „Susen“ könnte durchaus die richtige Antwort sein. Johannes Susen ist Cheflektor der Rätsel-Redaktion des Bergisch Gladbacher Bastei-Verlags. In dieser Funktion ist er für die 25 Rätselzeitschriften verantwortlich, die mit dem Bastei-Logo erscheinen.

Susen und seine 25 Mitarbeiter starke Redaktion sorgen Woche für Woche dafür, dass Deutschland nicht die Fragen ausgehen. 6000 Rätsel veröffentlicht sein Team Quartal für Quartal. Die Hälfte davon ist hausgemacht, der Rest wird dazugekauft. Die wöchentliche Auflage der Bastei-Rätselhefte liegt derzeit bei rund 450 000 Exemplaren.

Wissens- und Denksportaufgaben hätten in letzter Zeit durch die „Wer wird Millionär“-Euphorie an Faszination gewonnen, erzählt der Rätsel-Profi in seinem Büro. Dort liegen sie alle, die bunten Hefte mit den vielen leeren Kästchen. Was die Menschen an den Knobeleien so begeistert? „In erster Linie wollen die Leute Unterhaltung“, erklärt der freundliche 55-Jährige mit der präzisen Ausdrucksweise: „Dann folgt Unterhaltung und dann nochmal Unterhaltung, und dann kommt das Gehirnjogging.“ Schon in frühester Menschheitsgeschichte habe man sich die Zeit mit Knobeleien vertrieben, sagt Johannes Susen: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es eine Form von rätselhafter Unterhaltung schon bei den Urmenschen gegeben hat.“

Die Trainingsmöglichkeiten für Gehirnjogger sind mittlerweile fast unüberschaubar. In Deutschland erscheinen derzeit rund 250 Rätselzeitschriften. Angesichts der zunehmenden Konkurrenz „freut es mich natürlich, dass wir noch immer der größte Rätselverlag in Deutschland sind“, meint Johannes Susen. Ins Rätselgeschäft stieg das Unternehmen schon sehr früh ein. Mit der „Rätsel-Zeitung“ fing 1958 alles an. „Das ist eine der ersten Rätselzeitungen in Deutschland gewesen“, erklärt der erste Mann der Redaktion. Und noch immer gehört der Klassiker zum Programm. Der aktuelle Bestseller allerdings ist das „Spezial-Rätsel“, besonders beliebt wegen seiner bunten Mischung aus klassischem Kreuzworträtsel und kniffeligen Kombinations-Aufgaben.

Susen selbst ist ein großer Fan des „Literarischen Rätsels“. Hierbei stehen die Fragen außerhalb des Kästchen-Gitters, müssen aber erst entschlüsselt werden. „Wie heißt die Frau in der Badewanne?“, könnte da zum Beispiel stehen. Für Susen natürlich eine einfache Frage: „Anne“, würde er sofort eintragen. Schließlich hat er die Frage selbst ausgetüftelt. Selbstverständlich weiß er ebenfalls, was die Angeln von den Sachsen halten. „Natürlich die Tür“, sagt der Cheflektor lachend und mit einem Anflug von Hinterlist. Freilich könne nicht jeder solche Aufgaben einfach so aus dem Ärmel schütteln: „Man braucht ein profundes Grundwissen“, sagt Johannes Susen.

Davon hat er mit Sicherheit genug: Nach einer Lehre zum Bankkaufmann studierte er Germanistik, Geschichte und Politologie. 1987 stieg Susen zunächst als Rätsel-Redakteur beim Bastei-Verlag ein. Am Anfang musste er drei Zeitschriften betreuen und pro Woche drei Rätsel abliefern. Vieles, was heute der Computer übernimmt, musste Susen noch mit der Hand erledigen. Er nimmt ein Blatt, zeichnet ein Gitter und trägt Wörter ein - fertig ist ein kleines Schwedenrätsel. Heute ließen ihm seine Management-Aufgaben jedoch kaum noch Zeit, selbst Rätsel zu entwerfen - „bedauerlicherweise“, fügt er hinzu.

Das Schwedenrätsel ist übrigens der Rätselklassiker schlechthin. „Der Chef einer Rätselagentur hat es in Schweden entdeckt“, erklärt der Cheflektor. Bei dieser „Abart des Kreuzworträtsels“ stünden die Fragen innerhalb des Kästchengitters. Beim Kreuzworträtsel hingegen stehen sie außerhalb.

Der letzte Schrei sind derzeit aber die „Sudokus“. Die Bezeichnung kommt aus dem Japanischen und bedeutet wörtlich „Zahlen-Einzel“. Es handelt sich um Zahlenpuzzles, die in ihrer einfachsten Form aus einem Quadrat bestehen, das in neun Unterquadrate eingeteilt ist. Jedes Unterquadrat wiederum besteht aus neun weiteren Feldern. In einigen Feldern sind bereits Zahlen eingetragen. Das Puzzle muss dann so vervollständigt werden, dass in jeder Zeile, in jeder Spalte und in jedem der neun Unterquadrate jede Ziffer von eins bis neun vorkommt.

Johannes Susen löst einfachere Sudokus mittlerweile in wenigen Minuten. Allerdings sind die Zahlen-Spiele für ihn gar nicht so neu: „Wir haben sie schon seit Anfang der 90er Jahre im Programm.“ Damals hießen sie noch „Neunerkniffel“.

In Wirklichkeit seien die Sudokus allerdings schweizerischen Ursprungs. Der Mathematiker Leonhard Euler habe sie schon Mitte des 18. Jahrhunderts „als Fingerübung“ erfunden, erklärt Johannes Susen: „Euler nannte es das Lateinische Quadrat.“ Wie es dazu kam, dass Sudokus nun als japanische Erfindung gepriesen werden, ist Susen völlig rätselhaft.

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