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Gehöft „Leykaul“Ein Leben wie im Paradies

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Rund 200 Jahre alt ist das Gehöft Leykaul am Rande des ehemaligen Truppenübungsplatzes, mitten in der Wildnis des heutigen Nationalparks gelegen. Der Name Leykaul weist auf den früheren Schieferabbau in der Gegend hin. (Bild: Sammlung Nationalparkverwaltung)

Rund 200 Jahre alt ist das Gehöft Leykaul am Rande des ehemaligen Truppenübungsplatzes, mitten in der Wildnis des heutigen Nationalparks gelegen. Der Name Leykaul weist auf den früheren Schieferabbau in der Gegend hin. (Bild: Sammlung Nationalparkverwaltung)

SCHLEIDEN/DREIBORN – Der Nationalpark wird um ein Stück Land arrondiert. Das frühere Gehöft „Leykaul“ zwischen Dreiborn und Hirschrott im Tal der Erkensruhr wird derzeit abgerissen, die landwirtschaftliche Fläche mit elf Hektar Land ist künftig Bestandteil des Großschutzgebietes. Damit endet eine Episode, die durch und durch bestimmt war von den politischen Wirren des 20. Jahrhunderts. Eng damit verbunden war der Name eines in der Ukraine geborenen Mannes: Pavel Stluzalla, der am 7. Januar dieses Jahres im Alter von 85 Jahren verstarb.

Zur Zwangsarbeit verschleppt

Der Ukrainer war in der Zeit der deutschen Okkupation von Teilen der westlichen Sowjetunion durch die deutschen Machthaber zur Zwangsarbeit ins Reich verschleppt worden. Diese Leute kamen überall dahin, wo als Folge des enormen Männerbedarfs der Wehrmacht Arbeitskräfte dringend gebraucht wurden. Viele dieser Verschleppten überlebten die Nazi-Herrschaft nicht, andere mussten sogar noch nach dem Krieg als so genannte „Displaced Persons“ unter unsäglichen Bedingungen in Lagern leben. Und wenn sie am Ende - teils gegen ihren Willen - wieder in Stalins Herrschaftsbereich zurückkehren mussten, erlitten sie dort als angebliche Kollaborateure oftmals ein schlimmes Schicksal.

Ganz anders erging es dem jungen Pavel Stluzalla. Er kam in die Eifel, wo damals auf vielen Bauernhöfen Zwangsarbeiter eingesetzt waren, die beileibe nicht alle gut behandelt wurden. Stluzalla hatte Glück. Er kam zur weit abgelegenen Leykaul, wohin der Arm der Nazis offenbar nicht reichte. Der junge, in die Eifel verschleppte Ukrainer fand an der Leykaul zwei verständnisvolle Bäuerinnen vor, Marie und Toni, die ihm seine Arbeit reichlich dankten. Stluzalla war an der Leykaul nicht „unser Pole“, wie es anderswo eher abschätzig hieß, sondern er gehörte als „Paul“ zur Familie und wurde genau so behandelt.

Friedliches Nebeneinander

Nach dem Krieg blieb er und half den Hofinhaberinnen weiterhin, bis sie alt wurden. Marie und Toni setzen ihren „Paul“, wie er inzwischen allenthalben genannt wurde, am Ende auch als ihren Erben ein. Andere in der Nähe liegende Bauernhöfe wichen dem 1946 errichteten Truppenübungsplatz, nicht aber die Leykaul. Die Bewohner, deren Gebäude in der Nähe von alten Schieferstollen stand, behaupteten sich gegen die Militärs, bis es am Ende ein friedliches Nebeneinander gab. Allerdings flogen die Granaten bisweilen in bedrohliche Nähe, wissen Zeitzeugen zu berichten.

„Paul“ betrieb neben der Landwirtschaft jahrzehntelang auch eine Art Straußwirtschaft. Wanderer, die den Weg in diese urtümliche Landschaft fanden, konnten bei einer Rast an der Leykaul eine Flasche Bier oder Limo erwerben. Auch bot er die auf dem Hof hergestellten Lebensmittel zum Kauf an, wie etwa Butter von der Milch der zuletzt verbliebenen drei Kühe oder Honig aus der eigenen Imkerei.

Pavel Stluzalla lebte nicht nur inmitten der Wildnis, ohne Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung oder an das Abwassernetz, sondern er lebte mit den Tieren, die er über alles liebte. Hühner, Enten, Katzen, Kühe und bisweilen Waldtiere wie Rehe oder Hirsche waren seine Freunde, für die er alles tat.

Als „Paul“ schließlich vor einem Jahr beim Sturz von einer Leiter eine schwere Rückenverletzung erlitt, musste er mit 85 Jahren zum ersten Mal im Leben ins Krankenhaus, wie Nationalparkchef Henning Walter gestern berichtete. Mit dieser Situation wurde der Naturmensch nicht fertig, er starb am 7. Januar 2008. Seine Todesanzeige zeigte ein Foto, ihn mit einem jungen Reh in seinem Paradies, der Leykaul. Das Reh riecht zutraulich an seinem Rock. Viel besser ließ sich Stluzallas Verhältnis zu Tieren kaum zeigen. Henning Walter betonte gestern, dass es eine „große Trauergemeinde“ gewesen sei, die Paul auf dem Friedhof in Dreiborn beigesetzt habe.

Nachdem der Nationalpark das von etlichen Scheunen, Schuppen und Ställen umgebene Bauwerk von „Pauls“ Erben gekauft hatte und es abreißen wollte, zeigte sich ein Problem. Das Gebäude ist an ganz vielen Stellen, vom Estrich bis ins Dach, mit Asbest verseucht. Zudem besteht die Dacheindeckung ebenfalls aus sehr problematischer Teerpappe, so dass ein Spezialunternehmen unter Anwendung erheblicher Sicherheitsmaßnahmen mit dem Abbruch beauftragt wurde. Gestern wurde die Asbestverkleidung der Außenfassade entfernt.

Das Wiesenland an der Leykaul soll auch in Zukunft offen gehalten werden. Die Fläche wurde bereits zur Mahd verpachtet.

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