GolfDie seltsame Liebe des Martin K.

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Abschlag auf das Grün am Rhein: Martin Kaymer bei der Arbeit. (Bild: Dahmen)

Abschlag auf das Grün am Rhein: Martin Kaymer bei der Arbeit. (Bild: Dahmen)

KÖLN - Der Rhein hat schon viele seltsame Objekte auf sich schwimmen lassen, seit Menschen an seinen Ufern wohnen. Aber es musste der 4. Oktober des Jahres 2011 nach Christus werden, ehe ein Grün auf ihm dümpelte. Ein echtes Golf-Grün auf einem Ponton mit Fahne und Loch mittendrin. Dem Rhein war das ziemlich egal.

Er hat auch stoisch die Bälle geschluckt, die Deutschlands Top-Golfer Martin Kaymer am Dienstag morgen aus einer Entfernung von etwa 80 Metern vom Ufer aus nicht im Zielgebiet unterbrachte. Sechs von zehn. Bei den anderen vier gab es ein großes Hallo unter den Menschen an den Rheinterrassen. Kaymer reckte sogar die Arme in den Himmel wie ein Box-Champion. Was man halt so macht als Botschafter seiner Sportart, um ein Postkartenmotiv zu erzeugen, mit dem das wichtigste Golf-Ereignis des eigenen Landes promotet werden kann.

Nach 23 Jahre in München erstmals hier

Die BMW International Open, das einzige große deutsche Profi-Turnier, finden nach 23 Jahren in München vom 21. bis 24. Juni 2012 erstmals auf dem Gut Lärchenhof bei Pulheim statt. Und vom großen europäischen Golf-Standpunkt aus gesehen ist die Unschärfe Pulheim = Köln wohl zulässig.

Deshalb der inszenatorische Aufwand mit dem Pulheimer Dom, den Kaymer sorgfältig mittels seines iPhones fotografiert, nachdem er dem Sponsoren-Auto entstiegen ist. Kaymer ist einer der wenigen echten Düsseldorfer, die der Anblick dieses Bauwerks fröhlich stimmt. So etwas schafft nur der Fußball, dem Kaymer im Alter von 15, 16 Jahren verloren ging, weil er sich für Golf entschied.

Die Individualität dieser Sportart, die jeden alleine lässt mit seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, forderte sein tüftlerisches Naturell noch mehr heraus. Bis heute hält sich jedoch hartnäckig die Einschätzung, dass Kaymer mit seinen Stürmerqualitäten auch Fußball-Profi hätte werden können.

Aber da war auch diese seltsame Vorliebe für den 1. FC Köln, die für einen Jugendspieler von Fortuna Düsseldorf zur Belastung werden konnte. „Ich habe mir viele Kommentare anhören müssen“, erklärt Kaymer mittags beim Sponsoren-Termin im Club Lärchenhof, „aber ich bin halt FC-Fan geworden. Mein Vater hat mich mitgenommen, damals hat noch Toni Polster gespielt. Und mir haben die Leute da gefallen. Da konntest du mit jedem normal reden. Ich mag das.“

Im Golf kann jeder Fan sein, von wem er will, ohne gemobbt zu werden. Dass Kaymers großes Vorbild der elegante Südafrikaner Ernie Els war – und nicht etwa der penibel den Erfolg erzwingende LandsmannBernhard Langer –, ist als Grund für Aufregung ebenso ungeeignet wie die Tatsache, dass Kaymer mittlerweile mehr in den USA lebt als in Deutschland.

Jährlicher Wechsel zwischen den Städten

Golfer sind globale Wesen, die nur mit viel Glück da spielen dürfen, wo sie herkommen. Kaymer freut sich darüber, dass er von 2012 an alle zwei Jahre in diesen Genuss kommen wird, weil der Sponsor entschieden hat, das Turnier alternierend zwischen München und Pulheim auszurichten. Kaymer ist auch sehr professionell darin, dessen Produkte und deren Vorzüge zu preisen. Ein Film zeigt ihn bei Fahrversuchen in einem BMW-Formelwagen und einem Sportcoupé. Und wow, es war ein Erlebnis, mit einem M5 die Reifen zu zerstören! Martin Kaymer wirkt wie ein Lausbub, als er das erzählt. Als hätte er etwas Verbotenes getan. Aber man glaubt ihm, dass es Spaß gemacht hat.

Kaymers schwedischer Manager Johan Elliot ist auch mitgekommen. Der ehemalige Golf-Profi ist dafür bekannt, dass er seinen prominentesten Kunden vor den Wünschen der Öffentlichkeit so weit wie möglich abschirmt. Aber Auskunft gibt er gern. „Martins Geheimnis ist, dass er immer er selbst ist“, erzählt Elliot, „er ist immer noch derselbe ruhige Mensch, den ich vor vier, fünf Jahren kennen gelernt habe. Das macht ihn außergewöhnlich.“

Es gibt Leute im deutschen Golf, die lieber einen anderen Martin Kaymer hätten. Eine schillernde Rampensau wie das nordirische Genie Rory McIlroy, der italienische Superautos zu Schrott fährt und eine schlagzeilenträchtige Liebschaft mit der Dänin Caroline Wozniacki pflegt, die nebenher auch Nummer eins der Weltrangliste im Damen-Tennis ist. Und als im Sommer die deutsche Ryder-Cup-Bewerbung für 2018 scheiterte, brachten das manche auch in Verbindung mit Kaymers zurückhaltendem Wesen in der Öffentlichkeit.

Aber Kaymer zeigt, dass er ein Werbe-Profi ist, wenn man ihn richtig einspannt. Und er hat keine Lust, im Namen des deutschen Golfsports für die Fehler anderer verantwortlich gemacht zu werden. Bevor man sich für das weltgrößte Ereignis bewerbe, solle man erst einmal einen angemessenen Platz dafür bauen, sonst könne das nichts werden, schimpfte er, ging auf das 18. Loch der Anlage von Pulheim, nahm einen Fußball und jonglierte ihn lässig.

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