Gott ist ein Uhrmacher
Ich weiß, dass ich nichts weiß, sagte Sokrates. Ähnliches verkünden seit Dezember 2004 David Uebel und David Sowka im Internet. Die Österreicher haben Stupidedia erfunden. Wissen Sie Bescheid? Nein? Wir auch nicht ist das Motto des Spaßlexikons.
Dennoch liegen Welten zwischen den Stupidedianern und Sokrates. Der olle Grieche hatte wohl in seiner Philosophenlaufbahn bedeutend mehr Wissen angehäuft als Uebel, Sowka und alle Nonsens-Schreiber zusammen. Das hält die Stupidedia-Autoren nicht davon ab, ihre fundierte Unwissenheit in inzwischen über 1 400 Artikel im Internet zu verbreiten. Hier erfährt man zum Beispiel, dass die Erde 1423 vom Uhrenverkäufer Uhrknall gebaut wurde, Regen überirdisches Wasser ist, das Suizid begeht und DDR eigentlich für Der Dumme Rest steht. Neu ist wenig, nicht alles lustig und die Idee noch nicht einmal originell, denn schon seit April 2004 ist Kamelopedia online. Dort verbreiten Tierfreunde Schwachsinniges über Wüstenschiffe. Stupidedia und Kamelopedia sind Gegenentwürfe zur freien Enzyklopädie Wikipedia und funktionieren ähnlich: Jeder kann zu jedem Thema schreiben, was und so viel er will und Texte anderer Autoren überarbeiten. Bei Wikipedia werden die Artikel allerdings von allen Nutzern auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. Wir haben weit über hundert Administratoren, die offensichtlichen Quatsch in wenigen Minuten löschen, sagt Kurt Jansson, Pressesprecher von Wikipedia. Er behauptet: Der Unsinnsanteil ist bei uns extrem niedrig. Stupidedia hingegen stellt das Realitätsprinzip und oft auch den guten Geschmack auf den Kopf: Theologie ist hier eine extreme Form der Fresssucht, der Mars liegt laut Stupidedia hinter Bergisch Gladbach und besteht aus Schokolade, Karamel, Nüssen und Hirn, Totstreichelung durch Kleinkinder ist angeblich eine häufige Ursache für Haustiersterben und der Massenmörder Helmut Kohl soll mit einer Arschbombe in den Pool einer Ferienanlage auf Sri Lanka den Tsunami ausgelöst haben.
Nicht jeder findet sowas lustig: Auf Stupidedia schreiben Jugendliche, die nach der Schule ihren Frust abreagieren müssen, glaubt Wikipedia-Sprecher Jansson, gut, wenn sie da ihre Triebabfuhr erledigen statt Wikipedia in Beschlag zu nehmen.
Lena Brochhagen