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Großrazzia im Milieu

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Polizeibeamte und Staatsanwaltschaft durchsuchten gestern Morgen auch die Geschäftsräume im Table Dance-Club Stardust an der Maastrichter Straße in Ringnähe.

Polizeibeamte und Staatsanwaltschaft durchsuchten gestern Morgen auch die Geschäftsräume im Table Dance-Club Stardust an der Maastrichter Straße in Ringnähe.

Der mutmaßliche Pate der Kölner Türsteher- und Rotlichtszene ist gestern verhaftet worden.

Die Männer vom Spezialeinsatzkommando (SEK) überraschten Coscun Necati A. in seiner Flittarder Wohnung im Schlaf. Oberstaatsanwalt Jürgen Bozem aus der Abteilung Organisierte Kriminalität (OK) überreichte dem mutmaßlichen Chef der wohl mächtigsten Gruppe im Kölner Türsteher- und Rotlichtmilieu einen Haftbefehl mit den Worten „Sie sind vorläufig festgenommen.“ Gleichzeitig setzten SEK-Männer Ayan B. (32) und Hüseyin C. (28), die engsten Vertrauten des Rotlichtpaten, fest. Dabei soll Widerstand gebrochen worden sein. Beamte der Sonderkommission „Taft“ - der Name rührt von der Vorliebe des Hauptverdächtigen für tägliche Friseurbesuche her - durchsuchten neun Objekte, darunter Geschäftsräume im Table Dance-Club „Stardust“ auf der Maastrichter Straße.

Coscun Necati A., genannt Neco, mimte nach außen hin einen harmlosen Gemüsehändler. Tatsächlich aber soll er der Staatsanwaltschaft zufolge Chef einer streng gegliederten kriminellen Vereinigung sein. Nach Informationen dieser Zeitung wurden alle drei Inhaftierten in die landesweite Top-150-Liste der OK-Abteilung für die gefährlichsten Schwerverbrecher eingestuft.

Der Gruppierung werden unter anderem Zuhälterei, Förderung der Prostitution, Menschenhandel, Erpressung und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Im Kampf um die Macht im Milieu soll sich die Gang gegen rivalisierende Banden durchgesetzt haben. Nach Erkenntnissen der Justiz suchte Neco A., der 1996 bereits in Bonn wegen Zuhälterei und schweren Menschenhandels zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, mit seiner Gang das Vakuum zu füllen, das nach dem Schlag gegen die alte Ring- und Rotlichtgarde 1999 geführt worden war. Für Machtdemonstrationen ließ der im Vergleich zu seinen in Kraftstudios gestählten „Soldaten“ unscheinbar wirkende Anführer über Telefonketten gern schon einmal ein paar Dutzend Männer auflaufen. Ende Juli des vergangenen Jahres erschienen etwa 15 bis 20 Mitglieder der Gruppe mit Schlagstöcken in Europas größtem Erotik-Hotel „Pascha“, um Rivalen das Fürchten zu lehren.

Bei den Revierkämpfen kam es häufiger zu Schießereien. Im September 2001 soll ein Rivale mitten auf der Autobahn A 57 gleich mehrfach auf den „Hauptmann“ der Bande, Hüseyin C., genannt „der Boxer“, mit einer Pistole gefeuert haben. Anders als bei seinen Vorgängern hat die Polizei nach eigenen Angaben bisher keine Erkenntnisse darüber, dass die Verdächtigen Schutzgeld von Diskothekenbesitzern erpresste oder gewaltsame Übernahmen der Türen von Tanzlokalen inszenierten. „Der Ring ist für diese Leute eher die Flaniermeile, wo man seinen Mädchen deutlich macht, wie wichtig man ist.“ Das Geld machte die Gruppe vor allem im Geschäft mit Prostituierten. Neco A. zwang laut Staatsanwaltschaft eine Frau, in Bordellen in Bochum, München und Frankfurt für ihn anschaffen zu gehen. Wöchentlich habe sie mehr als 1500 Euro an ihn abgeben müssen. Seine rechte Hand, Ayan B., ein muskelbepackter Hüne, soll eine Prostituierte verprügelt haben, weil diese nicht mehr für ihn arbeiten wollte. Zwischen Februar und August 2001 ließ er sie in einem Leverkusener Etablissement und im „Babylon“ in Elsdorf arbeiten. B. soll etwa 19 000 Euro von der Frau erpresst haben. Das Opfer nahm Reißaus und landete ausgerechnet in den Armen des Chefs der Bande, der sie zurück ins Bordell schickte.

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