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GutenMorgenKölnMuff Potter will Punks am Brunnen

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Brami und Nagel vor dem Konzert. (Bild: Sommersberg)

Brami und Nagel vor dem Konzert. (Bild: Sommersberg)

Köln – Was wird das für ein Konzert am Dienstagabend?

Thorsten „Nagel“ Nagelschmidt: Ein sehr gutes natürlich (lacht). Es wird einfach besonders, denn es ist das erste Konzert zu unserer neuen Platte „Gute Aussicht“. Das heißt wir spielen Lieder zum ersten Mal vor Publikum und das ist für uns immer eine große Nummer. Wir bleiben auf der Bühne, bis wir ausgebuht werden.

Brami: Nein, bis mir die Arme weh tun.

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Ihr selbst kommt aus Rheine, einer kleinen Stadt im Münsterland. Früher habt ihr viel in Jugendzentren gespielt, heute sowohl in Klein- als auch Großstädten. Wie unterscheiden sich Kölner Zuhörer vom „Landpublikum“?

Nagel: Je kleiner die Stadt, desto jünger das Publikum, weil viele nach dem Abi weggehen. Außerdem sind die Leute auf dem Land besoffener, weil sie froh sind, dass endlich mal was los ist. Wenn du es aber in einer Großstadt wie Berlin schaffst, gute Stimmung zu machen, bist du gut. Denn dort herrscht eine Form von Übersättigung an Konzerten. Unsere Auftritte in Köln waren aber bisher immer super.

In dem Song „Niemand will den Hund begraben“ von eurer neuer Platte singst ihr über genau dieses Thema: Landflucht. „…an der Bushalte sitzen Rocco und Rico und spielen Stadt – Land – Flucht. Ihre Zukunft hängt hier tot überm Zaun. Bald werden auch sie abhauen…“ Fühlst ihr euch so, wenn ihr an eure Jugend denkt?

Brami: Nein, das hat überhaupt nichts mit unserer Geschichte zu tun. Wir waren in einem Ferienhaus in Brandenburg und dort haben wir diese Bilder beobachtet. Das haben wir dann in dem Song verarbeitet.

Nagel: Ich selbst habe mich immer privilegiert gefühlt, denn wir haben unsere Band ja schon mit 16 gestartet. Und wenn ich dann montags in die Schule kam, hatten sich die anderen am Wochenende in der örtlichen Disko gelangweilt, ich aber war mit der Band sonst wo gewesen. Wir konnten so schon früh die Grenzen der Kleinstadt überwinden.

Aber euer Weg ist anders als der von Popstars oder DSDS – er war lang. Was hat euch motiviert immer weiter zu machen?

Nagel: Das klingt vielleicht banal, aber die Band war nie als Karriere geplant, sondern nur, um Musik zu machen.

Brami: Wir freuen uns natürlich trotzdem über den Erfolg.

Nagel: Ja, aber wir orientieren uns an unserer eigenen Messlatte. Wir sind quasi Fans unserer eigenen Band. Klar, gibt es Inspiration von außen, aber wir versuchen immer etwas Neues zu machen, das nicht so klingt, wie die alten Sachen. Das würde uns nämlich selbst langweilen.

Einer eurer Höhepunkte war sicherlich der letzte Sommer, als ihr als Vorband für die Ärzte aufgetreten seid, oder? Kommen in solchen Momenten Rockstargefühle auf?

Brami: Na klar, es waren mehr Leute da. Aber sonst ist das sehr generalstabsmäßig durchorganisiert.

Nagel: So als Vorband zu spielen, nimmt einfach Last weg, weil ich weiß, dass die Leute nicht wegen uns da sind. Aber nach einer Woche hab ich dann auch wieder Lust mein eigenes Konzert zu spielen. Wir wollen einfach nicht in diese negative Form von Routine rutschen.

Nagel, in „Wie spät ist es und warum?“ singst du: „Mein früherer bester Freund ist jetzt ein Faschist. Nur wer das mal selbst erlebt hat weiß wie eklig sowas ist.“ War das der Auslöser für dein Engagement bei „Kein Bock auf Nazis“?

Nagel: Das ist einfach eine wahre Geschichte. Er war ein wichtiger Mensch für mich, denn er hat mich in meine erste Band geholt und die Initialzündung für all das hier gegeben. Aber jetzt ist er aktiv für die NPD in Rheine und emotional und politisch verwahrlost. Ich spüre keine Verbundenheit mehr zu ihm. Mein Engagement gegen rechts ist aber einfach Sozialisation. Wir kommen alle aus der linken Ecke, ich war früher auch aktiv bei der Antifa. Das war Anfang der 90er, als überall Asylbewerberheime brannten und dieses Deutschsein wieder erstarkt ist. Da habe ich mich gefragt, was eigentlich mit meiner Generation los ist. Unsere Eltern haben in den 68ern für Freiheit gekämpft und jetzt dieser Rückschritt!

Auch hier wird „Pro Köln“ ja immer präsenter – wie seht ihr diese Entwicklungen? Was müssen die Bürger dagegen tun?

Nagel: Da ist alles willkommen: Aufklärung, Antifa-Widerstand, Demos – das kann von mir aus auch illegal sein. Als die Kölner im vergangenen Jahr diese Demo von Pro Köln gesprengt haben, das fand ich einfach super. Es darf einfach kein rechter Mainstream entstehen. Ich will nicht, dass die Nazis das Stadtbild prägen und am Brunnen sitzen, ich will, dass dort die Punks rumhängen.

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