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Hafenalltag im 16. JahrhundertEin Grundpfeiler Kölner Größe

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Das Grabmal Konrads von Hochstaden im Kölner Dom (Bild: Archiv)

Das Grabmal Konrads von Hochstaden im Kölner Dom (Bild: Archiv)

Köln – Es war einer der seltenen Momente, in denen der Stadtherr die Gunst der Bürger suchte - und dabei ausgesucht salbungsvolle Worte wählte: „Konrad von Gottes Gnaden Erzbischof der heiligen Kölner Kirche, Erzkanzler des heiligen Reiches für Italien, an alle zum ewigen Gedächtnis des Sachverhalts. Weil wir uns bemühen, in unseren Tagen in der Welt den vergänglichen Frieden gemäß unseren Kräften zu hegen, dürfen wir und die übrigen Eiferer für das Gute den Frieden der Ewigkeit erhoffen.“

Außergewöhnliches Privileg

So beginnt der Text einer Urkunde, in der der Erzbischof der Stadt Köln außergewöhnliche Privilegien erteilte: Am 7. Mai 1259 gewährte Konrad von Hochstaden den Bürgern „seiner“ Stadt feierlich das so genannte Stapelrecht - was dieses Recht ausmachte, wird weiter unten in der Urkunde erklärt: „Keiner der Kaufleute aus Ungarn, Böhmen, Polen, Bayern, Schwaben, Sachsen, Thüringen, Hessen und jedem möglichen anderen östlichen Gebieten, der mit irgendwelchen Waren an den Rhein kommt“, dürfe über Köln hinaus weiterziehen, zudem ist festgelegt, dass „kein Flame oder Brabanter oder irgendein anderer von jenseits der Maas oder anderer rheinabwärtiger Gebiete, gemäß der alten und mit Recht zu befolgenden Gewohnheit, Handel zu treiben, weiter als nach Köln vordringt.“

Den Kölnern zum Kauf

Stattdessen müssen die fremden Kaufleute in Köln haltmachen, ihre Waren ausladen, „stapeln“ - und drei Tage lang den Kölnern zum Verkauf anbieten; unter die Regelung fallen auch alle Güter, die auf dem Landweg nach Köln gebracht werden. Erst nach Ablauf dieser Frist darf das nicht verkaufte Handelsgut wieder verladen werden, allerdings auf andere Schiffe.

Der Erzbischof, der sich den Kölner so großzügig zeigte, entstammte einer Seitenlinie der Grafen von Ahr, geboren wurde er um 1205. Seit 1238 war Konrad Erzbischof von Köln - zehn Jahre später hatte er den Grundstein zum gotischen Dom gelegt. Seine Zeitgenossen beeindruckte er indessen mehr durch kriegerische Gesinnung und militärische Fähigkeiten als durch seelsorgerische Tätigkeit. In den 1240er Jahren war Konrad einer der mächtigsten Fürsten des Reiches.

Mit seiner Residenzstadt Köln hatte Konrad seit 1245 permanente Schwierigkeiten: Gleich zweimal - 1252 und 1259 - wurden im „Kleinen“ und im „Großen Schied“ die beiderseitigen Ansprüche und Rechte niedergelegt. In beiden Dokumenten haben Schiedsrichter eher den Auffassungen der Bürgergemeinde Rechnung getragen; doch zugleich wurde der Erzbischof unmissverständlich als „Herr der Stadt Köln in geistlichen und weltlichen Dingen“ bestätigt. Konrad hatte 1252, nach Streitigkeiten um die erzbischöfliche Münzpolitik, Köln sogar belagern und mit Brandfackeln beschießen lassen. Bei der Erteilung des Stapelrechts berief sich Konrad im übrigen auf den „Großen Schied“, in dem das Zollrecht des Erzbischofs und das Vorkaufsrecht der Kölner Kaufleute bereits definiert worden war.

Natürliche Gegebenheiten begünstigten im übrigen die Umsetzung des Stapelzwangs: Die Fahrrinne des Mittelrheins, der - flussaufwärts gesehen - bei Köln beginnt, ist weniger tief als die des Niederrheins. Deshalb wurden schon im hohen Mittelalter Waren in Köln auf einen anderen Schiffstyp umgeladen, Größe und Bauart der Schiffe waren den einzelnen Stromabschnitten angepasst. Das zeigt sehr schön die große Stadtansicht von Anton Woensam aus dem Jahre 1531: Am nördlichen Rheinufer lagen die großen, mit Takellage versehenen bauchigen niederländischen Schiffe, von den Kölner „Aaken“ genannt; südlich der Trankgasse machten die „Oberländer“ fest, flachbodige Schiffe mit verbreitertem Bug und hochgezogenem Heck.

Das Stapelrecht ist ein „Zwangsrecht“, mit dem Verbot einer Weiterfahrt ist zugleich das Umladen der Ware begründet - allein das Umladen der Waren bot zahlreichen Kölnern Arbeit im Hafen. Bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts wurde ein fest umrissenes Warensortiment als stapelpflichtig festgelegt, etwa das Ventgut - also „feuchte“ Güter wie Fisch, Speck, Öl, Wein und Käse - sowie lebendes Vieh, Baumaterialien, Eisen, Blei oder Stahl.

Viele Ausnahmen

Es gab auch Ausnahmen; so war Getreide nur zeitweise dem Stapelzwang unterworfen, „grüne“ Fische (Süßwasserfische) waren nicht stapelpflichtig. In den dafür vorgesehenen „Kaufhäusern“ im Gürzenich oder im „Fischkaufhaus“ (am Platz des heutigen Stapelhauses), teilweise auch an den Kais, wurden die Waren gelagert, gewogen oder gemessen und mit Abgaben belegt - eine wichtige Einnahmequelle der Rentkammer. Vom Stapelrecht profitierte fortan vor allem der Kölner Zwischenhandel, der von nun nicht mehr zu umgehen war - Köln wurde geradezu zur Drehscheibe europäischer Warenströme, der Stapel war bis in die frühe Neuzeit die Grundlage der städtischen Wirtschafts- und Finanzkraft.

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