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Hamster sorgen für Hängepartie

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Der Feldhamster ist europaweit geschützt.

Der Feldhamster ist europaweit geschützt.

Mit einem Schutzprogramm für Feldhamster will das Land die Auseinandersetzung um die Erschließung des Gewerbeparks „Avantis“ beilegen.

Aachen / Düsseldorf - Er wird 35 Zentimeter groß, trägt den lateinischen Namen Cricetus Cricetus und gilt als vom Aussterben bedroht: Der Feldhamster. Der Nager ist die Hauptfigur eines seit Jahre dauernden Streits zwischen Brüssel und der NRW-Landesregierung. Und er hat dem Gewerbepark „Avantis“ zwischen Aachen und der niederländischen Stadt Heerlen zu einem zweifelhaften Ruhm verholfen. Die alles entscheidende Frage lautet, ob der Hamster auf dem 100 Hektar großen Gelände des Gewerbeparks lebt und ob das Projekt ihn vertrieben hat.

„Für uns ist der Hamster ein Phantom-Tier“, sagt der Projektmanager des Gewerbeparks, Thomas Fischer. Auch in Kreisen der Düsseldorfer Landesregierung spricht man von einem „rein virtuellen Tier“. Ganz anders sieht das die Brüsseler EU-Kommission. Die Behörde wirft Deutschland vor, beim Bau des Gewerbeparks gegen EU-Umweltrecht verstoßen zu haben. Danach ist es verboten, Lebensräume geschützter Tierarten wie des Feldhamsters zu zerstören. Auf die Suche nach dem Phantom haben sich schon einige Experten gemacht. Vor Baubeginn wurde das Gelände 1996 systematisch untersucht. Niemand habe einen Hamster gesichtet, sagen die Gewerbepark-Betreiber - und nur drei mögliche Hamsterbauten wurden aufgespürt. Die Städte Aachen und Heerlen als Träger des Projekts einigten sich dennoch auf drei Millionen Mark Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz der Tierchen und betrachteten die Sache als erledigt. Naturschützer aus den Niederlanden und Deutschland sahen das aber anders. Genau 18 Klagen vor Gericht wurden inzwischen gegen den Wissenschafts- und Geschäftspark eingereicht. Die Kommission droht mit einer langwierigen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Um dem Hamsterleben auf den Grund zu gehen, wurden verschiedene Gutachten erstellt. Eine erste Studie im Auftrag der EU-Kommission lag im November 2000 vor. Darin stellte ein Experte der Universität Halle fest, dass es auf dem „Avantis“-Gebiet eindeutig Spuren von Hamsterpopulationen gebe. Als Beweis führte der Wissenschaftler mehrere Löcher im Boden an, die er als Eingänge zu Hamsterbauten deutete. Kommunen und Gewerbetreibende fanden den Befund zum Lachen. Die Löcher stammten von Landvermessungspfosten, die man damals in den Boden gerammt habe. Auch Wühlmaus- oder Rattenlöcher könnten schnell mit Hamsterbauten verwechselt werden, hieß es. Schützenhilfe haben die Städte nun in Form eines neuen Gutachtens im Auftrag der Düsseldorfer Regierung erhalten. Der Wissenschaftler Ulrich Weinhold kommt zu dem Fazit, dass es in der niederrheinischen Bucht nur noch vereinzelte Hamsterbestände gebe. Ob sie jemals in dem Gewerbegebiet gelebt haben, könne nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden.

Die Landesregierung will nun mit einem Schutzprogramm für die Zucht und Wiederansiedlung des Feldhamsters sorgen, um eine schnelle Lösung mit Brüssel zu finden. „Die Menschen zu beiden Seiten der Grenze warten nun schon seit fast vier Jahren auf den High-Tech-Gewerbepark, der ein Meilenstein grenzüberschreitender Zusammenarbeit werden kann“, sagte NRW-Europaministerin Hannelore Kraft (SPD). „Wir sollten sie nicht mehr lange warten lassen.“

Denn die Hängepartie hat handfeste wirtschaftliche Nachteile. Die Klagen haben immer wieder zu Verzögerungen bei der Erschließung des Geländes geführt. Investoren sprangen ab, vier Millionen Euro EU-Fördermittel zahlte die Kommission nicht aus. Seit November 2000 wird gebaut, aber erst eine Firma ist eingezogen. Die hochfliegenden Zukunftspläne mit der Ansiedlung von bis zu 300 Betrieben in den nächsten 20 Jahren scheinen gefährdet. „Das ist weniger zum Lachen als zum Weinen“, bilanziert Projektmanager Fischer. (dpa)

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