Hintermänner bleiben unerkannt

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Trotz schwerer Verbrechen gilt der verurteilte Ulemek weiter als Nationalheld.

Wien - Der politische Hintergrund bleibt ungeklärt, auch nach dreieinhalb Jahren Verfahren. Mit Höchststrafen für die Hauptangeklagten ging der Prozess gegen die Mörder des ehemaligen serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic zu Ende, ohne die Rätsel um das Attentat am 12. März 2003 zu klären. Der Drahtzieher Milorad Ulemek und der Todesschütze Zvezdan Jovanovic wurden wegen „Verbrechen gegen die Verfassungsordnung“ zu je 40 Jahren Haft verurteilt. Die zehn anderen Angeklagten, von denen fünf flüchtig sind, müssen zwischen acht und 35 Jahre ins Gefängnis.

Es gelang der Justiz nicht, die Hintermänner, die Djindjic als Garanten einer demokratischen Zukunft Serbiens aus dem Weg räumen ließen, zu identifizieren. Die Anträge des Anwalts der Djindjic-Familie, Ministerpräsident Vojislav Kostunica und die Führung des Geheimdienstes als Zeugen zu hören, blieben vergebens. Stattdessen verzögerten unsichtbare Mächte den Prozess. Im September 2005 musste sich der stellvertretende Staatsanwalt wegen Unregelmäßigkeiten in einem anderen Fall verantworten. Zwei wichtige Zeugen wurden ermordet. Schließlich legte der Richter sein Amt nieder und zwang damit seine Nachfolgerin Nata Mesarevic das Verfahren neu aufzurollen. Sie blieb trotz Todesdrohungen.

Der Verdacht liegt nahe, dass eben dieselben Mächte Einfluss nahmen, denen eine liberale Erneuerung des Staates ein Gräuel war und die eine Umkehr im Geiste der zehn Milosevic-Jahre erzwingen wollten. Immerhin zeigte der Prozess, wie eng militärische Sondereinheiten und Polizei während der Übergangszeit zum parlamentarischen System mit der organisierten Kriminalität verflochten waren.

Gegen Ende der dreijährigen Amtszeit Djindjics waren immer wieder Hinweise auf Kontakte zwischen dem Premier und Gruppen der politischen Unterwelt aufgetaucht. Anders als mit solcher Paktierung, so lautet eine Erklärung, hätte die Entmachtung und Auslieferung des früheren Staatschefs Slobodan Milosevic nach Den Haag nicht unblutig vonstattengehen können. Die Vita des Hauptangeklagten Ulemek, der sich vor drei Jahren gestellt hatte, liefert dafür Hinweise. Er erwarb seinen Spitznamen „Legija“ schon in der Zeit, als er im Balkan-Krieg mit der „Tiger“-Miliz des berüchtigten Bandenführers Arkan in Bosnien-Herzegowina plündernd und mordend durchs Land zog. Seine Ausbildung erhielt er bei der französischen Fremdenlegion, aus der er desertierte. So vorgebildet machte er in der Polizeitruppe JSO („Rote Barette“) Karriere, die als Milosevic-Leibgarde galt. Auch der Scharfschütze Jovanovic, der Djindjic im Hof seines Ministeriums mit zwei Schüssen niederstreckte, entstammt dieser Einheit. Nach ihrer Auflösung schlossen sich beide der Zemun-Mafia an.

Weil Djindjic die organisierte Kriminalität eindämmen wollte, war er der Feind. Der Verräter am sozialistischen Ideal war er in den Augen der nicht nur in Zemun vorherrschenden Radikalen Partei ohnehin. In weiten Kreisen der serbischen Gesellschaft gilt Ulemek auch nach seiner Verurteilung als Nationalheld.

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