Idee blieb bei Kunden haften

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An diesem Kühlschrank hat einst der Vater von Horst Baermann einem Hersteller in den USA erklärt, was das Magnetband in der Dichtung bewirkt.

An diesem Kühlschrank hat einst der Vater von Horst Baermann einem Hersteller in den USA erklärt, was das Magnetband in der Dichtung bewirkt.

Bergisch Gladbach - Im kleinen Freudental, zwischen Moitzfeld und Herkenrath versteckt, sitzt eine Firma, die seit Jahrzehnten durch ihren Erfindergeist auf sich aufmerksam macht: die Firma Max Baermann. Seit mehr als 60 Jahren fertigt sie Magnete aller Arten und Formen.

Angefangen hat alles mit einer ebenso genialen wie einfachen Erfindung. Firmengründer Max Baermann arbeitete zu Beginn der 30er Jahre bei Dynamit Nobel in Troisdorf. Nach der Machtergreifung wollten die Nazis ihre Propaganda mit dem Volksempfänger in jedes Wohnzimmer des Reiches und somit in jeden Kopf bringen. Der Volksempfänger sollte billig in der Produktion sein und sich in großer Masse herstellen lassen - ein lukrativer Auftrag, um den sich auch Baermanns Firma bewarb. Der Erfinder arbeitete an einem Prototypen für den Volksempfänger. Am Abend, bevor die Ausschreibung um den Auftrag in Berlin stattfinden sollte, bastelte Baermann noch an dem Versuchsgerät. Zu jedem Lautsprecher gehört auch ein Magnet, der die schwingende Membran immer wieder in die Ausgangsposition zurückzieht. Plötzlich glitt ihm der Magnet aus den Händen, fiel zu Boden und zersprang in unzählige kleine Stücke. Ein Katastrophe, so kurz vor dem wichtigen Termin. Kurzerhand klebte der Erfinder die kleinen Teilchen wieder zusammen.

Dieses Aha-Erlebnis beflügelte Baermann. Für weitere Versuche zerrieb er einige Magnete zu Pulver, mischte sie mit verschiedenen Klebestoffen - es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte mit kunststoffgebundenen Dauermagneten.

Schnell machte sich Max Baermann mit der Idee selbstständig. Auf einem Firmengelände in Köln-Dellbrück wuchs die Firma. Als der Krieg anfing und die Luftangriffe auf Köln zunahmen, wurde es dem Erfinder dort allerdings zu gefährlich. Als kriegswichtig geltende Betriebe in unmittelbarer Nähe zogen Bombenangriffe auch auf die Firma Baermann.

Max Baermann suchte ein Grundstück im Grünen und wurde im Freudental fündig. Schnell war die neue Produktionshalle fertig. 1943 zog die noch junge Firma in die neuen Gebäude ein.

Mit List überstand die Firma den Krieg ohne weitere Schäden - wie sich später herausstellte, stand der Betrieb auf der Liste der Objekte, die die Alliierten zerstören wollten, ganz oben. Doch Max Baermann hatte vorgesorgt. Er ließ einige Gebäude abdecken und schwärzte die Wände, so dass sie verbrannt aussahen. Zusätzlich ließ er Bäume fällen und neben dem Gebäude anzünden. Die Besatzung des alliierten Aufklärungsflugzeugs, das immer nach Luftangriffen die bombardierten Gebiete überflog, fiel auf den Trick herein. Als die Amerikaner gegen Kriegsende das Tal einnahmen, wollten sie ihren Augen kaum trauen. „Die wollten erst nicht glauben, dass dieser intakte Betrieb die Firma Baermann war“, erzählt der Sohn und heutige Vorsitzende Aufsichtsrat der Max Baermann Holding, Horst Baermann, schmunzelnd.

Nach dem Krieg wurde weiter produziert, neue Patente wurden angemeldet und neue Produkte auf den Markt gebracht. Baermann belieferte sämtliche deutschen Hersteller vor „Weißer Ware“, also von Kühlschränken, Waschmaschinen und Herden, mit Magneten.

Eines Tages sprach ihn ein Freund aus den USA an, ob er nicht eine Idee für einen neuen Kühlschrankverschluss habe. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Kühlschränke mit einem Schnappschloss versehen. Immer wieder erstickten Kinder, die in die Kühlschränke hineinkletterten, dann aber die Tür von innen nicht mehr öffnen konnten. Versuche mit Magnetschlössern konnten ebenfalls nicht überzeugen.

Max Baermann hatte sofort eine Lösung parat. Er flog in die USA. Vor dem versammelten Management eines großen Kühlschrankherstellers präsentierte er seine Idee. In der Mitte des Raums stand ein großer Kühlschrank. Er öffnete die Tür und schnitt ein Stück von der Dichtung ab. Durch diese Lücke schob er nun vorsichtig Magnetband, das er auf einer Rolle mitgebracht hatte. Durch die richtige Mischung ist das Material elastisch und trotzdem magnetisch. Das Magnetband in der Dichtung verschließt die Tür luftdicht, dennoch kann sie mit sanftem Druck geöffnet werden. „So was gab's damals einfach nicht. Die Amerikaner haben gleich bestellt. Mein Vater hat das Magnetband dann in den USA in Lizenz fertigen lassen“, erzählt Horst Baermann.

Als die ersten amerikanischen Kühlschränke mit dem neuen Verschluss aus Amerika nach Deutschland geliefert wurden, liefen die deutschen Hersteller bei Baermann Sturm, warum er ihnen das System nicht vorher angeboten habe. „Das hat er, aber der Prophet gilt ja im eigenen Lande nichts. Die haben es vor seiner Amerikareise alle abgelehnt“, sagt Horst Baermann. Als das Patent in den 70er Jahren auslief, erhielt Baermann ein Dankesschreiben aus dem Weißen Haus, in dem seine Verdienste um die Rettung vieler Kinderleben gewürdigt werden.

Heute sind unter dem Dach der Holding die Firma Max Baermann mit knapp 90 Mitarbeitern, S. Müller in Neunkirchen-Seelscheid, die AES GmbH in Lindlar sowie Produktionsstandtorte in China und Indien vereinigt. „In Asien produzieren wir die Low-Tech-Produkte, hier im Bergischen die High-Tech-Produkte“, sagt der Sohn des Gründers. Rund 60 Prozent der Produktion gehen heute an die Automobilindustrie.

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