Immer wieder sonntags...

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Junge Leute vom Bonner Verein „Helping Youth“ übernehmen Patenschaften und besuchen regelmäßig ältere Leute

Bonn - Verena Seidler ist gerade 19 Jahre alt, attraktiv und selbstbewusst. Ein typischer Teenager - das zu betonen ist ihr wichtig, auch wenn ihre Sonntage anders aussehen, als die vieler Gleichaltriger. Nachmittags macht sie sich nämlich regelmäßig auf den Weg in das Bornheimer Altenheim Maria Hilf. Dort wartet die 67-jährige Marlene Schäfer auf sie, die bereits seit 13 Jahren in dem Altersheim wohnt und sonst nur selten Besuch bekommt. Verwandt sind die beiden nicht, aber Verena kommt jedes Wochenende für ein, zwei Stunden, geht mit der alten Dame spazieren, spielt „Mensch ärger' dich nicht“, oder plauscht mit ihr ein weinig im Café um die Ecke. Verena gehört zum Bonner Verein “Helping Youth“.

Sie und einige andere Jugendliche betreuen jede Woche einen älteren Menschen aus dem Heim. „Am Anfang sind wir alle mit einer Gruppe Senioren losgezogen, um uns kennen zu lernen und als wir uns entscheiden sollten, wer mit wem eine Partnerschaft eingeht, gab's gar keine Diskussion. Jeder hatte sich schon für seine Lieblingsomi oder seinen -opi entschieden“, erzählt Verena. Und zwischen ihr und Frau Schäfer sei inzwischen eine richtige Freundschaft entstanden. Es gab allerdings auch andere Fälle. „Einer kam mit seiner Omi nicht zurecht. Daraufhin wurde ihm ein Herr zugeteilt, der gleich am nächsten Tag gestorben ist.“ Auch mit solch tragischen Ereignissen müsse man rechnen.

Und ein solches hat Verena auch veranlasst, ihre Sonntage nicht mit Freunden zu verbringen. Ihr Onkel starb an Krebs - das war für sie ein Schock. Sie saß an seinem Bett, als er der Krankheit erlag. Dann hörte sie von diesem Verein, der sich auch um humane Sterbebegleitung kümmert, „und ich wollte mich mit dem Tod auseinandersetzen“. Die Jüngeren im Verein jedoch wollten auch etwas anderes tun, als nur Menschen über Sterbebegleitung aufzuklären. So kamen sie auf die Idee, sich um ältere Menschen zu kümmern.

Zuerst fand Verena es auch nicht sehr reizvoll, ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Das habe schon „spießig“ geklungen. Aber jetzt habe sie Spaß daran und auch zwischen den Jugendlichen im Verein seien richtige Freundschaften entstanden. „Vielleicht muss man einfach eine sehr soziale Ader haben, um daran Gefallen zu finden.“ In ihrem Freundeskreis fänden zwar viele toll was sie tue, aber kaum einer habe Lust mitzumachen.

Einige in ihrem näheren Umfeld fänden es sogar „blöde oder komisch“. „Warum machst du denn so was?“, habe sie schon manchmal zu hören bekommen. Und das nerve.

Schließlich gehe auch sie fast jeden Tag mit Freunden in Clubs, ins Kino oder hänge nur so herum - wie die anderen eben. „Nur weil ich mich sonntags für zwei Stunden um eine alte Frau kümmere, bin ich doch keine Pfarrerstochter“, schimpft Verena. Auch ihr Vater hält sie nicht gerade für zu brav: „Der Teenagerunfug, den sie sonst so fabriziert, der langt. Da kann sie hier ruhig etwas Gescheites tun.“

Inzwischen war Wahloma Schäfer schon auf dem Familiengrillfest bei Seidlers zu Hause, und mit Vater Seidler fachsimpelt sie über Fußball: „Da kennt sie sich aus.“ Verena findet es wichtig, neben den Spaziergängen noch etwas Außergewöhnliches zu unternehmen. „Wir waren auch schon im Theater,“ berichtet die Auszubildende. Um gleich hinzuzufügen: „Aber ich lasse mir trotzdem nicht nachsagen, dass ich so eine komische Sozialschnecke sei.“ Sie lebe wie andere Teenies. Nur dass sie sonntags zwei Stunden mit einer Frau verbringt, die halt 48 Jahre älter ist als sie.

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