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In der Zelle zu Gott gefunden

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JVA-Leiter Ulrich Beckheuer, Bruder Tobias Ewald und Maler Dan Siluan (v.l.) vor zahlreichen Ikonen in Siluans Werkstatt im "Erlenhof".

JVA-Leiter Ulrich Beckheuer, Bruder Tobias Ewald und Maler Dan Siluan (v.l.) vor zahlreichen Ikonen in Siluans Werkstatt im "Erlenhof".

Banküberfall, Geiselnahme, rücksichtsloser Waffengebrauch, eine abenteuerliche Flucht: 1982 machte Benoit Schlagzeilen.

Kreis Euskirchen - Er nennt sich „Dan Siluan“, das Malen von Ikonen ist sein Lebensinhalt. Geboren wurde der 58-Jährige als Gerhard Benoit, und unter diesem Namen malte er keine frommen Bilder, sondern er war ein Räuber. Und zwar einer von der ganz heftigen Art, der von der Schusswaffe rücksichtslos Gebrauch machte. Die Metamorphose geschah im Rheinbacher Knast. Der Verbrecher Benoit wandelte sich in seiner Zelle und wurde neu geboren als „Dan Siluan“. Den Namen legte sich der Häftling zu in Anlehnung an einen früher in der Klosterkolonie auf dem Berg Athos lebenden russischen Mönch.

Demnächst will Siluan selbst zu den Mönchen auf der Athos-Halbinsel, zu der Frauen keinen Zutritt haben. „Demnächst“: Das ist im Jahr 2006, wenn er nach Jahrzehnten als freier Mensch die Justizvollzugsanstalt „Erlenhof“ verlassen darf. Danach will Siluan die bisherige Haftzelle mit der Mönchsklause auf Athos vertauschen. Der Unterschied ist nur, dass er sein künftiges Quartier frei wählen darf. Der Mann hat viele Leben gelebt. Krass konsequent suchte er jeweils seinen Weg: Nach schwieriger Jugend im Saarland bricht er mit 16 Jahren in die Jagdhütte seines Onkels ein, der ihn auf frischer Tat ertappt. Darauf erschießt der Junge den Onkel. Sechs Jahre Jugendhaft hat er hinter sich, als er auf die Gegenseite wechselt und Polizist wird. Und zwar nicht irgendeiner: Benoit geht zum Kölner SEK, der Elitetruppe für Spezialaufgaben aller Art. Dann wieder ein Knick: Seine Frau verlässt ihn, das Geld reicht nicht mehr. Benoit überfällt einen Metro-Großmarkt - und flüchtet ausgerechnet mit einem Streifenwagen.

Im Oktober 1982 überfällt der einstige „Superbulle“ mit einem Komplizen eine Bank in Koblenz. Die Polizei ist schneller da als erwartet, die Situation eskaliert. Die Räuber nehmen Bankangestellte als Geiseln. Um ihrer Forderung nach einem Millionen-Lösegeld Nachdruck zu verleihen, schießt Benoit einen jungen Bankangestellten ins Bein. Töten will er ihn nicht. Aber der junge Mann stirbt später an einer Embolie. Mit dem Lösegeld und einem erpressten Fluchtwagen geht es mit weiteren Geiseln, verfolgt von einem Riesen-Polizeiaufgebot, zum Sinziger Kreisel. Da gelingt es Benoit mit einem Trick und mit der Waffe in der Hand, den Fluchtwagen gegen ein Polizeifahrzeug einzutauschen. Ein Streifenwagen der Schleidener Polizei wird bei Sistig in der Eifel beschossen. Der Fluchtwagen verschwindet vorerst in Richtung Kall. Unterwegs nimmt Benoit eine weitere Geisel, einen Postbeamten aus Kall-Golbach.

Zwischendurch verbuddelt er am Kaller Friedhof im Grab einer Bekannten die Beute. Weiter geht es mit drei Geiseln im Wagen des Postbeamten bis zum Katzveyer Wald. Dort fesseln Benoit und seine Kumpane die Geiseln an Bäume und setzen die Flucht fort. Durch einen telefonischen Hinweis lenken die Räuber die Polizei auf eine falsche Spur. Darauf gibt es einen Riesen-Polizeieinsatz in Kall-Scheven. Spezialkräfte stürmen einen Bauernhof - die Täter sind verschwunden.

Trotzdem kommen die Fahnder den Räubern bald auf die Spur. Wenige Tage später konnte Benoit, nachdem es auch in Köln noch eine Schießerei gegeben hatte, in München festgenommen werden.

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