Interview mit Uwe BollMit dem Finger in die Wunde

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Der „Commander“ (Sammy Sheik) im Film „Dafur“. (Bild: Verleih)

Der „Commander“ (Sammy Sheik) im Film „Dafur“. (Bild: Verleih)

Herr Boll, Sie beklagen sich häufig über Hollywood-Filme. Was vermissen Sie da überhaupt?

UWE BOLL: Ich sehe eine klare Tendenz zum stromlinienförmigen 150-Millionen-Blockbuster, der möglichst allen gefallen soll und am besten ab 12 Jahren freigegeben ist. Man wird gepflegt gelangweilt. Es wird kein Geld mehr ausgegeben für Sachen, die den Finger auch mal in die Wunde legen.

Das machen Sie mit Ihrem Film „Darfur“ über den Genozid im Sudan. Sie verlassen zum ersten Mal den Bereich der Computerspiel-Verfilmung. Was hat sie an diesem Thema interessiert?

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BOLL: Als ich den Vietnam-Kriegsfilm „Tunnel Rats“ gedreht habe, sind mein damaliger Produzent Chris Roland und ich auch auf die aktuelle Situation im Sudan zu sprechen gekommen. Anders als beim Film „Hotel Ruanda“, der erst Jahre nach den Massakern in Ruanda international für Furore gesorgt hat, wollte ich einen Film drehen, mit dem ich die Lage in Darfur jetzt, noch während die Massaker passieren, verändern kann. Und nicht erst in fünf Jahren. Die Tatsache, dass wir dann auch bekannte amerikanische Schauspieler wie Billy Zane verpflichten konnten, weil sie unbedingt bei diesem Film dabei sein wollten, hat mich natürlich zusätzlich gepusht.

Sie arbeiten zunehmend ohne Drehbuch. Ist das nicht riskant?

BOLL: Es kommt darauf an, welche Filme man dreht. Bei solchen wie „Darfur“, die sehr emotional sind, wo die Schauspieler sich wirklich in ihre Rolle hineinsteigern müssen, reicht - denke ich - ein ausführliches Treatment mit dem Handlungsablauf. Gute Schauspieler können dann besser spielen. Es half zudem, den Film dokumentarischer zu halten.

Bei der Besetzung der Nebendarsteller greifen sie auf echte Vertriebene zurück, die mitunter ihre eigenen Vergewaltigungsszenen nachspielen müssen. Ist das nicht unmoralisch?

BOLL: Nein. Man muss sich ja mal deren Situation vorstellen: Die saßen im Slum in Johannesburg und Kapstadt und waren am Ende. Es war jetzt also nicht so, als hätte ich die Leute aus ihrer schönen neuen Welt herausgerissen. Die waren natürlich im Hinblick auf ihre Schicksalsgenossen, die noch in Darfur sind, froh, dass so ein Film gemacht wird. Alle wollten unbedingt mitmachen und jene Grausamkeiten zeigen, mit der dort die Leute geschändet und ermordet werden.

Warum dann nur ein Start in wenigen Kinos? Haben sie Probleme, einen Verleih zu finden?

BOLL: Ja, der Markt wird enger. Und wann werden schon einmal Filme, die ab 18 Jahren sind, im Kino gezeigt? Selten. In den USA und Kanada läuft der Film aber bereits seit einiger Zeit an Universitäten. Zusammen mit Amnesty International und Darfur.org wurden bereits 45 Vorführungen organisiert. Das halte ich für eine sehr positive Sache. Auch in London wird es einen „Release“ geben.

Und doch fragt man sich dann: Wie bekommen Sie ihre Projekte refinanziert?

BOLL: Hoffnungsvoll meist über DVD. Denn anders als im Kino oder im Fernsehen haben die Käufer hier dann zusätzlich die Gelegenheit, die ungekürzten Fassungen zusehen.

Dies bringt mich zu ihrem zweiten Film „Rampage", der ebenfalls am 29. April anläuft. Ein Psychopath, der nach seinem Amoklauf unbehelligt bleibt, missfiel der Freiwilligen Selbstkontrolle FSK.

BOLL: Ja, die hielten das für gewaltverherrlichend und anstiftend, weswegen wir das Ende komplett ändern mussten. Der Täter wird nun von der Polizei gefasst und zum Tode verurteilt. Auf diese Weise wird der Sinn des Films zerstört. Hier ist keine Gewalt-, sondern eine Kulturzensur gemacht worden.

Sie fühlen sich als Künstler an Ihrer Aussage gehindert?

BOLL: Total. Auch wenn die Thematik nicht schön ist, muss man sich doch auch einmal den Tatsachen stellen. „Rampage“ ist ein düsteres Bild über die Wirklichkeit: Am weitesten kommt man nicht mit Nettigkeiten, sondern wenn man die Leute bescheißt. „Rampage“ spiegelt, dass Geld heutzutage wichtiger ist als die Menschen um einen herum. Dass ist zwar sehr zynisch, aber - wie ich finde - interessant.

Ihre für diesen Monat geplante Biografie der Boxlegende Max Schmeling mit Henry Maske hat sich trotz Fertigstellung auf unbekannte Zeit verschoben. Es heißt, es fehlen zwei Millionen für eine Werbekampagne?

BOLL: Das stimmt. Ich war nicht bereit den Film im April zu veröffentlichen, weil ich glaube, dass der Film beim Zuschauer ein großes Potenzial hat, aber eben nicht ohne Werbung. 700 000 Euro haben wir bereits zusammen. Wenn wir noch weitere Unterstützung bekommen, ist ein Kinostart für September geplant.

Das Gespräch führte Martin Boldt.

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