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InterviewWenn türkische Mädchen Sex haben

Lesezeit 5 Minuten
Sila Sönmez ist 25 Jahre alt, lebt in Berlin-Kreuzberg und studiert Kulturwissenschaften in Frankfurt an der Oder. Sie ist in Köln geboren und hat dort bis zu IHrem Abitur gelebt. "Das Ghetto-Sex-Tagebuch" Ist ihr erstes Buch.

Sila Sönmez ist 25 Jahre alt, lebt in Berlin-Kreuzberg und studiert Kulturwissenschaften in Frankfurt an der Oder. Sie ist in Köln geboren und hat dort bis zu IHrem Abitur gelebt. "Das Ghetto-Sex-Tagebuch" Ist ihr erstes Buch.

In Ihrem Ghetto-Sex-Tagebuch trifft sich die 17 Jahre alte Türkin Ayla vorzugsweise mit dicken, älteren Männern, gerne in Gruppen, und hat Sex mit Ihnen. Warum wollen Sie eine junge Türkin als Nymphomanin darstellen?

SILA SÖNMEZ Ich wollte weg von dem Klischee: Jungs sind sexuell aktiv und cool, Mädchen sind naiv, hilflos, verliebt, geben sich für einen Mann auf. Ich wollte ein Powermädchen darstellen, das sich krallt, was sie will. Ohne Verpflichtung. Eine junge Frau, die nach dem Sex aufstehen kann und sagt: Ich gehe jetzt. Ganz egal, ob ihr der Typ „Schlampe“ hinterherbrüllt.

Dass Ayla Türkin ist, macht die Tabuverletzung perfekt.

SÖNMEZ Türkinnen werden immer in der Opferrolle dargestellt. Als Arme, die von ihren Familien festgehalten, von ihren Brüdern verteidigt werden. Wir sind aber nicht alle Opfer. Deshalb hat Ayla in meinem Buch keinen großen, sondern einen kleinen Bruder. Sie geht aufs Gymnasium, obwohl sie in einem Problembezirk groß wurde.

Ist Aylas Männerkonsum aber nicht doch nichts weiter als eine Provokation?

SÖNMEZ Wissen Sie, es gibt türkische Väter, die nehmen ihre Töchter mit 15 Jahren aus der Schule und schicken sie zu einem 40-jährigen, hässlichen Analphabeten in der Türkei. Ich habe mir überlegt: Was passiert, wenn eine Türkin das gleiche freiwillig und unverbindlich mit alten Deutschen macht?

Manchmal passiert Schlimmeres als in Ihrem Buch. Es gibt Türkinnen, die im Namen eines absurden Ehrbegriffs von ihren Brüdern umgebracht werden, weil sie unverheiratet Sex haben.

SÖNMEZ Das ist natürlich ein absurdes Verständnis von Ehre. Ehre ist doch keine Sache, die von außen festgelegt werden kann. Meine Ehre muss ich doch selbst bestimmen. Nur weil man Pornos guckt, heißt das doch nicht, dass man nicht moralisch handeln kann.

Gibt es türkische Jungs, die finden, dass Sie eine Schlampe sind?

SÖNMEZ Meine türkischen Jungsfreunde sind ganz normal. Die gehen mit mir Currywurst essen, tanzen, zur Uni. Die meisten sind nicht gläubig. Niemand sagt „Oh, du Schlampe“. Natürlich gibt es solche Türken. Aber meist fragen mich nur Deutsche: „Musst du kein Kopftuch tragen? Ach, du darfst Schweinefleisch essen?“

Ihre Eltern sind da auch locker?

SÖNMEZ Ich komme aus einer sehr offenen Familie. Ich durfte schon meinen ersten Freund mit nach Hause bringen. Ich war mit einem Halbafrikaner zusammen, dessen Band ein Penislogo hat. Meine Eltern finden, dass er ein guter Mensch ist. Er ist ihnen lieber als jeder Mann, der mich einsperrt und mir meine Freiheit nimmt.

Sollte man als junges Mädchen überhaupt Sex haben, ohne verliebt zu sein?

SÖNMEZ Man muss nicht. Aber man kann. Und man muss sich nicht nach jedem Sex denken: „Oh Gott, ich bin verliebt!“ Wenn Frauen mit einem Typen im Bett waren, dann fühlen sie sich verpflichtet, auch Gefühle zu haben und mit dem Mann zusammen zu sein. Sonst fühlen sie sich schlecht. Ich habe Bekannte, die alle drei Wochen einen neuen festen Freund haben. Warum haben die nicht einfach Sex ohne Verpflichtung und trauen sich zu sagen: Du hast einfach nicht meinen Nerv getroffen.

Eine Frau, die nur Sex will, danach aber nicht mit Romantik nervt, das klingt mir ja schon fast zu sehr nach Männertraum.

SÖNMEZ Aber das ist mir doch egal, was Männer träumen. Es ist okay, wenn die das wollen. Aber das heißt doch im Umkehrschluss nicht, dass ich als Frau nicht auch nach dem Sex gehen kann. Außerdem irritiert es viele Männer auch. Die wollen uns in der anschmiegsamen Rolle, die wollen ein Mädchen, das sagt: „Ach, bleib doch zum Frühstück.“ Dann können sie die Coolen mimen. Aber was soll denn immer dieses Gegensatzspiel? Er will so. Also muss ich so wollen. Ich mache erst einmal das, was ich will. Ohne vorher zu überlegen, was der Mann will.

Die Sexpraktiken, die Sie in Ihrem Buch beschreiben, sind aber schon Rollenspiele. Und das Mädchen übernimmt den devoten Part.

SÖNMEZ Beim Sex wollen manche Frauen eben devot sein. Es gibt auch welche, die sich dabei gerne schlagen lassen. Das ist okay. Es muss noch lange nicht heißen, dass sie in einer Beziehung devot ist.

Das mag für 30-Jährige gelten. Wenn ein 14-Jähriger im Internet aber sieht, wie Frauen in Pornos behandelt werden, dann reflektiert er doch nicht: Naja, sie hat diese sexuelle Vorliebe, im sonstigen Leben ist das aber eine starke Frau.

SÖNMEZ Ja, das stimmt. Der denkt möglicherweise: „Aha, es ist normal, dass Männer Frauen so anpacken“ und probiert das mit dem Mädchen aus seiner Klasse mal aus. Wer noch nicht reif dafür ist, sollte deshalb auch nicht unbeaufsichtigt im Netz surfen. Ich durfte früher auch keine Pornos im Fernsehen gucken. Und Mädchen, die beim Sex nicht sagen können: „So will ich es, so will ich es nicht“, die sollten sich einfach noch Zeit lassen.

Es gibt Mädchen, die Rapper wie „Frauenarzt“ gut finden, der Vergewaltigungen als geil besingt. Wie kann das passieren?

SÖNMEZ Ich weiß nicht. Ich verstehe, dass man auf harten Sex und Pornos steht. Aber alles, was mit Gewalt und Zwang zu tun hat, lehne ich ab. Wenn eine Frau freiwillig mit mehreren Männern gleichzeitig harten Sex hat, ist das eine komplett andere Sache, als wenn sie dazu gezwungen wird.

Was, wenn das Powermädchen sich trotzdem verliebt? Ist dann das ganze coole Konzept kaputt?

SÖNMEZ Quatsch. Wenn man jemanden liebt, ist das doch wunderschön! Niemand sollte Angst davor haben. Natürlich: Vielleicht wird man verletzt. Aber wenn ich die Liebe deshalb unterdrücke, dann ist das doch kein Leben. Man darf nicht soviel Angst haben.

Das Interview führte Claudia Lehnen

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