Israel schließt das Orient-Haus

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Jerusalem –Einen Tag nach dem blutigen Selbstmordanschlag in Jerusalem hat Israel mit einer Demonstration von Stärke reagiert. Polizisten besetzten am Freitag das Orient-Haus in Ost-Jerusalem und damit das Symbol des palästinensischen Anspruchs auf einen eigenen Staat. Der palästinensische Präsident Jassir Arafat warf Israel eine Politik der Eskalation vor. Der Bombenanschlag vom Donnerstag mit 16 Toten geht offenbar auf das Konto der radikalislamischen Gruppe Hamas.

Bei der Besetzung des Orient-Hauses in den frühen Morgenstunden wurden sieben Wachleute verhaftet. Ebenfalls geschlossen wurden neun Büros der palästinensischen Polizei im Westjordanland und Regierungsgebäude in Abu Dis bei Jerusalem. Kampfflugzeuge vom Typ F-16 griffen in Ramallah im Westjordanland das Polizeihauptquartier an und zerstörten es.

Die ergriffenen Maßnahmen sollten Arafat dazu bringen, seine Verpflichtungen zum Kampf gegen die Gewalt zu erfüllen, sagte Kabinettsminister Gideon Saar.

Für die Palästinenser aber ist klar: Die Regierung Ariel Scharons hat nur auf die Gelegenheit gewartet, das Orienthaus, diesen Hort palästinensischer Unabhängigkeit in Ost-Jerusalem, zu erobern. Das Bombenattentat auf die West-Jerusalemer Pizzeria diente ihm da lediglich als Vorwand. Selbst Israels Sicherheitsbehörden behaupten nicht, dass die Aktivitäten des Orienthauses mit dem tödlichen Anschlag zu tun haben.

Im Gegenteil: Die 1897 im arabischen Stil erbaute Villa, zuletzt im Besitz der palästinensischen Aristokratenfamilie Husseini, diente eher als Stätte des zivilen Widerstands, des soziales Engagements zugunsten der von Israels Stadtverwaltung bewusst vernachlässigten palästinensischen Bevölkerung im Ostteil, aber auch der Begegnungen mit israelischen Friedensbewegten. Versuche, das Haus zu schließen, gab es schon öfters. Vor allem seit Faisal Husseini, lange Jahre Mitglied des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation, 1979 das bis dahin als Hotel genutzte Orienthaus in ein Studienzentrum verwandelte.

Hier koordinierte die palästinensische Delegation ihren Verhandlungskurs für die Friedensgespräche von Madrid 1991. Hier, an diesem Ort, über dem die palästinensische Fahne flatterte, und der als heimliches Außenministerium der Palästinenser galt, gaben sich Diplomaten aus aller Welt die Ehre.

Noch kurz vor seinem Wahldebakel im Mai 1999 ging der damalige Premier Benjamin Netanjahu mit harter Hand gegen das Orienthaus auf Stimmenfang. Was seinem innerparteilichen Likud-Konkurrenten nicht glückte – per Verfügung von Israels oberstem Richter wurde sein Schließungsantrag ausgesetzt – gelang jetzt Scharon in einer Nacht- und Nebelaktion, rechtlich abgesichert nur durch eine polizeiliche Einsatzorder. Damit sei die israelische Herrschaft über Ost-Jerusalem wieder gesichert, rechtfertigte Scharons Informationsminister Reuven Rivlin die Übernahme.

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