Jan Schomburg im Interview"Der Glaube ist schrecklich, die Kirche okay"

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Der göttliche Andere

Callum Turner als Gregory und Matilda de Angelis als Maria in "Der göttliche Andere" 

  • In Schomburgs "Der göttliche Andere" trifft ein atheistischer Schnösel auf eine Nonne in spe.
  • Der Regisseur hat in Köln studiert und nun erstmals international gedreht.
  • Dass Corona und Hochsommer es dem Kino gerade schwer machen, sieht er gelassen.

Köln – Herr Schomburg, in „Der Göttliche Andere“ spielt Religion eine große Rolle. Welches Verhältnis pflegen Sie selbst zu Glauben und Kirche? Ich hatte eine Zeit lang ein sehr intensives Verhältnis zum Glauben, obwohl ich vollkommen atheistisch aufgewachsen bin. Der beste Weg in der Pubertät, meine Eltern zu großer Sorge und Verzweiflung zu bringen, bestand darin, ein fundamentaler Christ zu werden. Im Alter von 13 Jahren habe ich also die ganze Bibel durchgelesen und mich taufen und konfirmieren lassen. Deswegen ist die Figur der Maria auch ein ganz klein wenig autobiografisch. Mittlerweile bin ich allerdings zum Atheismus zurückgekehrt. Wobei ich gleichzeitig finde, dass es in der christlichen Religion philosophische Gedanken gibt, die solch eine Radikalität besitzen, dass sie mich immer wieder interessieren. Wenn man dies ernst nehmen würde, wäre beispielsweise Kapitalismus schlicht nicht möglich.

Wie sehen Sie das Verhältnis von Glaube und Kirche? Nietzsche sagt lustigerweise sinngemäß: Der Glaube ist schrecklich, aber die Kirche ist okay. Es ist ja Commonsense zu sagen, die Religion habe einen wahren Kern, aber die Institution habe ihn zerstört. Ich denke fast, dass es sich umgekehrt verhält. Die Rituale, vor allem auch die der katholischen Kirche, sind in der Lage, Halt und Orientierung zu vermitteln, gerade auch in Lebenslagen, in denen man den Boden unter den Füßen verliert.

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Ihr neuer Film, ist eine Liebeskomödie. Erstaunlich, wenn man Ihre früheren Filme wie „Über uns das All“ kennt. Ja, ich habe mich zum ersten Mal in einem eindeutigen Genre bewegt, das ist schon ein großer Unterschied zu meinen früheren Filmen. Ich komme aus dem Arthaus-Kino, deswegen ist der Versuch, mich in einem Genre zu bewegen, auch ein wenig ein Ausbruch. Es gab natürlich in beiden Vorgängern, auch in „Vergiss mein Ich“, komödiantische Elemente – diese sind nun stärker ausgebaut. Es gibt eigentlich kein anderes Genre, das so hart und brutal auf dramaturgischen Setzungen aufbaut wie die romantische Komödie.

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Was ist so brutal? Brutal ist, dass man fast nach Schema eine Erwartung erfüllen muss. Es ist ganz klar, dass sich zwei Leute ineinander verlieben, aber nicht zusammenkommen können. Die Welt gerät in Unordnung, bis sie wieder in Ordnung kommt und die beiden wie durch einen Kunstgriff zusammenkommen dürfen. Klar kann man an der einen oder anderen Schraube drehen, und doch bewegt man sich in diesem Spannungsfeld. Für mich bestand die Herausforderung darin, mich einerseits an die Vorgaben zu halten und trotzdem lebendig zu bleiben.

Gab es Vorbilder, was die romantische Komödie betrifft? Es gibt viele Filme vor allem aus Amerika, die ich in dieser Hinsicht sehr mag, z.B. „Und täglich grüße das Murmeltier“, und wenn man weiter zurückblickt, liebe ich natürlich Wilder und Lubitsch. Aber ich finde auch, dass „Wir sind die Millers“ ein fantastischer Film ist. Was ich mag, ist der Augenblick, wenn die Fantasie realer als die Realität wird.

Es gibt in Ihrem Film allerdings auch Momente, die gar nicht komisch wirken – wenn sich Maria zum Beispiel die Nonnentracht überzieht und plötzlich wie verwandelt wirkt. Es sind Momente, die mir wichtig sind und mir nah gehen, und ich möchte sie auch in einer romantischen Komödie nicht missen – auch wenn es ein Wagnis ist, die Zuschauer solchen emotionalen Wechseln auszusetzen. Es gibt ja Setzungen des Genres wie die öffentliche Liebeserklärung. Dagegen habe ich mich lange gewehrt beim Schreiben des Drehbuchs, einfach weil es ein so oft benutztes Klischee ist. Dann hat mich ein Freund darauf hingewiesen, dass so eine Erklärung wie eine Hochzeit ist, ein Bekenntnis: Warum wehrst Du Dich dagegen, hat er mich gefragt. Also habe ich mich immerhin zu einer Variation mit einer kleinen Überraschung entschlossen.

Auch Gregory, der Journalist, der aus Rom über die Papstwahl berichtet, ist nicht durchgängig komisch. Ihn plagen Weltschmerz und Lebensekel. Ich wollte eine Gegenbewegung schaffen: ein Ungläubiger, der nach Rom kommt. Der aber im Verlauf des Films zu einem Gläubigen wird, während die Gläubige sich zur Ungläubigen verwandelt. Und da fand ich es entscheidend, dass er eine gewisse Lebensmüdigkeit empfindet, wichtig auch für die Liebesgeschichte.

Wie war es, in Rom zu drehen? Das muss doch ein Traum sein. Ich habe es genossen, weil man beim Drehen einer Stadt sehr nahe kommt. Doch dann kam es plötzlich zu einem Streik, der uns sehr getroffen hat, weil wir mit einem italienischen Team gedreht haben. Grundsätzlich gehören meine Sympathien den Streikenden und ihren Zielen, soziale Ungerechtigkeit anzugehen und für Mindestlohn und bessere Arbeitszeiten zu sorgen. Das kann ich als romantischer Linker total unterstützen – allerdings musste ich auch an die Kunst denken, denn der Streik der Filmleute hätte fast unsere Dreharbeiten zum Scheitern gebracht. Also habe ich eine flammende Rede gehalten, mit der ich mein Team zu Streikbrechern machte. Ich konnte das verantworten, weil wir ohnehin deutlich über den Löhnen bezahlt haben, für die die Streikenden kämpften. Aber es war aufregend – wir waren eines der wenigen Teams in Italien, die noch gedreht haben.

Der Film läuft nun zu einem ganz schwierigen Zeitpunkt: Erstens Corona, zweitens Hochsommer. Wie finden Sie das? Es ist immer schwer zu sagen, was ein guter, und was ein schlechter Termin sein könnte. Dazu gehört Glück. Corona führt gerade dazu, dass sehr viele Filme verschoben werden. Wären auch wir ins nächste Jahr gegangen, wären wir vielleicht von der Welle von Blockbustern erschlagen worden, die dann ebenfalls starten. So ist das Leben …

Zur Person

Jan Schomburg wurde 1976 in Aachen geboren. Er ist  Absolvent der Kunsthochschule für Medien in Köln. Sein Kinodebüt gab er mit „Über uns das All“ (2011); Sandra Hüller spielte die Hauptrolle. Der Nachfolger „Vergiss mein Ich“ mit Maria Schrader kam 2014 ins Kino. Derzeit arbeitet Schomburg an einem neuen Roman. Sein Debütroman "Das Licht und die Geräusche" erschien 2017 bei dtv.

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