Jede Bewegung kündet von Einsamkeit

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Maria (Claudia Amm) und Josef (Günter Lamprecht) finden im Tango zueinander.

Maria (Claudia Amm) und Josef (Günter Lamprecht) finden im Tango zueinander.

Eine Weihnachtsgeschichte der besonderen Art erlebten die Zuschauer im Frechener Stadtsaal.

Frechen - Es ist kurz nach drei, Heiligabend-Nachmittag. Die letzten Kunden haben, von Weihnachtswünschen des Abteilungsleiters (Dieter Duhme) aus dem Lautsprecher begleitet, das Kaufhaus verlassen. So beginnt das Stück „Josef und Maria“ von Peter Turrini, mit dem am Freitagabend unter der Regie von Adelheid Müther das Euro-Studio Landgraf im Frechener Stadtsaal zu Gast war.

Josef (Günter Lamprecht) ist Aushilfswachmann, und Maria (Claudia Amm) arbeitet als Gelegenheitsputzfrau. Sie treffen sich zufällig im Personal-Dienstraum. Maria wäre viel lieber bei ihrem Sohn und seiner Familie, doch ihre Schwiegertochter will das nicht, und so bringt sie traurig die Geschenkpäckchen mit zur Arbeit. In Persianerjacke und -hut kommt Claudia Amm auf die Bühne, wirft Tasche und Handschuhe in den Spind, zieht lustlos den Putzkittel an, tauscht die Perücke gegen ein Kopftuch. Jede Bewegung kündet von Schmerz und Einsamkeit. „Warum sind die Menschen so, wie sie sind?“, fragt Maria schließlich und ruft in hilfloser Verzweiflung durch das Mikrofon des Abteilungsleiters nach ihrem Sohn, bevor sie in Tränen ausbricht.

Brille und Schirmmütze, Uniform und Koppelschloss, dazu ein kleiner Bart machen aus Günter Lamprecht einen ganz echt wirkenden Wachmann. Als er Maria begegnet, hebt er sofort an, ihr aus seiner Vergangenheit zu erzählen, die lange zurückliegt. Die Nazi-Zeit hat ihn geprägt, wo er, ein Kommunist, verfolgt wurde. Bis heute hat er, dem Fortgang der Geschichte zum Trotz, seine Überzeugungen und auch das Vokabular des Klassenkampfes nicht abgelegt: „Frau Maria, der Osten ist rot!“

Der österreichische Autor hat das 1980 uraufgeführte Stück etwa 20 Jahre später in einer Neufassung überarbeitet und in die beginnenden neunziger Jahre verlegt. Zusätzliche Aktualität gewinnt es für ein deutsches Publikum durch die berlinerisch gefärbte Sprache der Schauspieler. Lamprecht und Amm, ein Paar auch im Leben, präsentierten in Frechen schauspielerische Klasse. Im ersten Akt spielten sie die Leere und Ödnis im Leben dieser beiden Menschen voll aus und ließen sie in ihren Dialogen immer wieder in ihrer Vergangenheit versinken - einigen Zuschauern war das offenbar zu viel, denn etliche verließen in der Pause den Stadtsaal.

Der zweite Akt gab den zwei Schauspielern reichlich Gelegenheit für subtiles Spiel, das auch die komödiantischen Züge des Stückes hervorlockte. Einen Höhepunkt bildete dabei der Tangotanz: Maria, einst Varietee-Tänzerin, bringt ihn, Schritt für Schritt, Josef bei. Lamprecht, zuerst unbeholfen-tapsig, verschämt und unsicher, blühte dabei auf und schwebte schließlich hingerissen mit Claudia Amm dahin. Die beiden entließen das Publikum, das sich mit herzlichem Beifall bedankte, mit der weihnachtlich-hoffnungsvollen Vorstellung, dass Josef und Maria eine gemeinsame Zukunft haben.

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