Keiko bettelt in Norwegen die Menschen an

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Der Schwertwal Keiko sucht im norwegischen Skalviksfjord die Nähe der Menschen.

Der Schwertwal Keiko sucht im norwegischen Skalviksfjord die Nähe der Menschen.

Der Wal, dessen Schicksal Millionen bewegt, will nicht in der Wildnis leben.

Kopenhagen - Die Kinder am norwegischen Skålviksfjord haben den besten Spielkameraden gefunden, den sie sich denken könnten. Für die Fischer hingegen ist er ein Störenfried, den sie am liebsten abschießen würden, und die Meeresbiologen raufen sich die Haare: Das „Free Willy“-Projekt, die kostspielige und unter Fachleuten höchst umstrittene Ent-Zähmung des Wals Keiko, ist wohl gescheitert.

Jetzt tummelt sich der vier Tonnen schwere und acht Meter lange Schwertwal am norwegischen Ostküstenfjord und benimmt sich genau so, wie er es nach Ansicht seiner Betreuer nicht sollte. Die haben bisher rund 20 Millionen Dollar einer US-Stiftung dafür aufgewandt, das rund 25 Jahre alte Tier wieder an ein Leben in freier Wildbahn zu gewöhnen. Doch Keiko sucht die Nähe der Badenden, lässt sich von Kindern betatschen - „er fühlt sich an wie eine nasse Plastiktüte“ - , wirft schon mal ein Gummiboot um und bettelt die Menschen um Nahrung an. „Das ist ein schwerer Rückschlag für unser Projekt“, sagt Fernando Ugarte, der mit einem Kollegen dem mit einem Radiosender ausgestatteten Wal folgt.

Keiko, der 20 Jahre seines Lebens in Vergnügungsparks in Mexiko und Kanada verbracht hatte, wurde 1998 in ein Freigehege nach Island geflogen. Alle Versuche, ihn freizusetzen, scheiterten. Immer wieder kehrte Keiko in sein Becken zurück. In diesem Sommer jedoch schien es endlich so weit: Anfang Juli schloss sich Keiko einem Rudel Schwertwalen an - bis er nun sieben Wochen später 1400 Kilometer weiter westlich wieder bei menschlichen Behausungen auftauchte.

Dort fordert Ugarte die Neugierigen auf, Strand und Gewässer zu meiden. „Zu viel Spielerei. Die Leute füttern ihn auch mit Hering“, knurrt der Biologe. „So hilft man Keiko nicht, wieder frei zu werden.“ Ugarte und seine Mitarbeiter wollen den zahmen „Killer-Whale“ wieder ins offene Meer locken.

Der Walexperte Nils Yien vom Meeresforschungsinstitut Bergen fürchtet, dass das Tier im Winter nicht genügend Nahrung findet. „Es wäre besser, ihn einzuschläfern, als ihn verhungern zu lassen.“ Yien hält wie viele Norweger das ganze Keiko-Projekt für „verrückt“. „Erst braucht man Millionen, um ihn zum Filmstar zu zähmen, dann braucht man noch mehr Geld, um ihn wieder wild zu machen. Auch die Fischzüchter sähen den Wal lieber tot, da er die Lachse in den Fischfarmen stresst, sodass diese nicht mehr fressen wollen. Doch vorerst müssen die Willy-Fans nicht um das Leben ihres Lieblings fürchten. „Wir haben keine Pläne, Keiko töten zu lassen“, versichert Informationschef Dag Paulsen im Fischereidirektorat.

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