Köln gegen RechtsMit Bauchtanz und Blockaden

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Zehntausende kamen 1992 zum Protest gegen Rechtsextreme zum Chlodwigplatz. (Archivbild: Worring)

Zehntausende kamen 1992 zum Protest gegen Rechtsextreme zum Chlodwigplatz. (Archivbild: Worring)

Innenstadt – Die Aufrufe, sich am kommenden Wochenende am Protest gegen das Treffen europäischer Rechtsextremer und Rechtspopulisten zu beteiligen, waren Selbstläufer mit ungeahnter Resonanz. Mittlerweile stehen Tausende als Unterzeichner und Unterstützer einer der vielen Aktionen auf Flugblättern und in Anzeigentexten. Am Ende gelang sogar - verstärkt um die Kölner Erfolgsband „Klee“ - eine Reunion der legendären „AG Arsch huh“, die 1992 das denkwürdige Konzert gegen Fremdenfeindlichkeit auf dem Chlodwigplatz veranstaltet hatte. Ihre Bühne steht am Gürzenich, so ausgerichtet, dass der Heumarkt aus der Distanz mit ordentlich Dezibel beschallt werden kann. Noch nie hat es bei einem vergleichbaren Anlass eine solch breite Unterstützung aus allen Richtungen gegeben.

Die Propaganda der Rechtsextremen hat zu einer Mobilisierung von scheinbar sämtlichen gesellschaftlichen Gruppen geführt. Vom Oberbürgermeister bis zum Motorradclub „Kuhle Wampe“, von den Ford-Werken bis zum Dachverband der aktiven FC-Fanclubs, von der katholischen bis zur sozialistischen Jugend - kaum einer fehlt beim Protest gegen rechts. Manch tiefer politischer Graben wird für ein paar Tage zugeschüttet, um Menschenketten zu bilden und Straßen zu blockieren. Vertreter der Kirchen laden zum ökumenischen Friedensgebet in der Innenstadt und lassen die Glocken läuten.

Die Frage, ob man „Pro Köln“ nicht mit Missachtung viel mehr geschadet hätte, hatte in der Debatte um den Umgang mit dem Treffen der Rechtsextremen keine Chance. Oberbürgermeister Fritz Schramma hat sich selbst an die Spitze der Bewegung gestellt: Die „Kölner Zivilgesellschaft“ soll zeigen, dass sie solche rechtsextremen „Kongresse“ nicht haben will. „Wir werden uns mit der gesamten Stadt querstellen“, sagt der OB, der neben der Vorsitzenden des Katholikenausschusses Hannelore Bartscherer, einer Gewerkschaftsvertreterin und einem Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes auf dem Roncalliplatz sprechen wird.

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„Vor unserem Dom werden keine Rassisten aus Europa, sondern die Kölner Bürger stehen“, formuliert DGB-Chef Wolfgang Uellenberg-van Dawen - so als wenn sich beides automatisch ausschließen müsste. Doch für Differenzierungen oder schwierige Überlegungen, warum Rechtspopulisten auch in Köln Wähler anlocken, gibt es in diesen Tagen wenig Platz. Es geht allen Beteiligten darum, klar und eindeutig Farbe zu bekennen.

Vereinfachungen bedeuten nicht unbedingt, es sich leicht zu machen. So hat die Aktion der Kölner Kneipenwirte „Kein Kölsch für Nazis“ deutliche Reaktionen auf der Gegenseite ausgelöst. Über die Beschimpfungen in den Gästebüchern der Kneipen oder die Fragen in den einschlägigen Internet-Blogs, ob es auch Listen mit „anständigen Kneipenwirten“ gebe, konnten die meisten noch lachen. Dass einige Wirte Angst um ihre Mitarbeiter hatten, ist dagegen ernst zu nehmen. Mehrere Kneipen hätten deshalb nicht mitgemacht, sagen die Organisatoren, die Rückendeckung vom Hotel- und Gaststättenverband hatten. Der rief dazu auf, Teilnehmern des „Anti-Islamisierungskongresses“ Unterkünfte zu verweigern.

3500 Organisationen und Einzelpersonen haben allein bei der zentralen Aktion „Köln stellt sich quer“ unterschrieben. Die Kneipen werden von unzähligen Kulturinitiativen unterstützt. Beim „Bündnis gegen Pro Köln“ kommen zu über 200 Trägern aus ganz Deutschland noch mal die gleiche Anzahl an Unterstützern. Hinzu kommt die vielleicht kurioseste Form kölnischen Protestes: Im Umfeld der karnevalistischen Weltmusikinitiative „Humba e.V.“ und des Edelweißpiratenfestivals entstand die Idee, bauchtanzend zum Heumarkt zu ziehen. Auch hier stehen rund 50 Namen auf der Unterstützerliste. Angesichts dieser Zahlen verliert man schnell den Überblick, wer wann wo mit wem protestieren will. Vielmehr fallen die auf, die nicht auf den Listen stehen. So haben längst nicht alle großen Brauhäuser Lust auf Politik und Konfrontation gehabt.

Die CDU hat sich schwergetan, sich dem allgemeinen Protest anzuschließen. So stehen nur die Arbeitnehmerorganisation der Partei, die CDA, und einzelne CDU-Mitglieder unter dem Demo-Aufruf. Auffällig auch, dass bislang der komplette offizielle Karneval fehlt, während nahezu alle großen nicht im Festkomitee organisierten Gruppen von der Stunksitzung über den Geisterzug bis zu „Loss mer singe“ mitmachen. FK-Präsident Markus Ritterbach stellt klar, dass er hinter dem Protest steht. Er werde mitdemonstrieren. Beim Rosenmontagszug 2008 habe man klar gesagt, wie bunt man sich die Stadt wünscht und was man von „Pro Köln“ halte.

Offen bleibt, wo all diese Energie münden wird: Blockierer und Bauchtänzer wollen auf den Heumarkt, der möglicherweise in der Nacht zum Samstag mit einer Nachtwache besetzt wird. Auch die Demonstranten vom Roncalliplatz werden auf den Heumarkt drängen - kaum vorstellbar, dass die Polizei all diese Menschen wegtragen wird. Die Polizeiführung will sich heute erklären. Reiner Schmidt vom „Bündnis gegen Pro Köln“: „Wer es ernst meint mit einem Bekenntnis gegen Rechtsextremismus, sollte nicht diejenigen drangsalieren, die dagegen protestieren.“

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