„Brauchen mehr Lebensmittel!“Folgen des Krieges bringen Kölner Tafel an ihre Grenze

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Helferinnen geben in Ostheim die Lebensmittel aus.

Köln – Normalerweise ist am Monatsanfang nicht ganz so viel los. Die Menschen haben Geld erhalten und schaffen es, noch selbst Lebensmittel zu kaufen. Am Monatsende hingegen bilden sich an den Ausgabestellen der Kölner Tafel Schlangen. Doch dieses Phänomen trifft so nicht mehr zu. Die Schlangen bilden sich nun immer und sind länger als sonst. Es sind keine normalen Zeiten mehr. Der Krieg in der Ukraine führt viele Geflüchtete nach Köln und lässt die Preise für Energie, Sprit und Lebensmittel in die Höhe schnellen. Und so registriert die Kölner Tafel an ihren mehr als 60 Ausgabestellen im Stadtgebiet einen riesigen Ansturm neuen Ausmaßes.

Mehr Lebensmittel bei Kölner Tafel benötigt

„Manche unserer Ausgabestellen stoßen personell und räumlich an ihre Grenzen. Sie haben nicht genug Ehrenamtler und Platz, um die vielen Menschen zu unterstützen“, sagt Karin Fürhaupter, Vorsitzende der Kölner Tafel. Sie lehnt in dem Zusammenhang das Wort „versorgen“ ab und spricht nicht von „Bedürftigen“, sondern von „Kunden“. Fürhaupter nennt als Beispiel für eine besonders krasse Steigerung die Ausgabestelle in Ehrenfeld: Normalerweise nutzten das Tafel-Angebot etwa 120 Personen. In der vergangenen Woche seien es 300 zusätzliche Familien gewesen. „Wir können keine zusätzlichen Lebensmittel aus dem Boden stampfen. Wir haben feste Verabredungen etwa mit Supermärkten, an welchen Tagen an welchen Filialen Lebensmittel abgeholt werden. Diese Verabredungen wurden aber vor dem Krieg getroffen.“ Daher lautet ihr Appell: „Wir brauchen mehr Lebensmittel!“

Kölner Tafel ehrenamtliche Helfer

Einige Spender geben Fürhaupter zufolge aktuell zusätzliche Waren ab, worüber die Tafel sehr dankbar sei. Aber: „Mehr Lebensmittel bedeuten auch zusätzliche Fahrten für solche Sondertouren.“ Die Kölner Tafel verfügt über 13 Transporter, von denen beispielsweise montags zwölf im Einsatz seien. Komme eine Sondertour dazu, „dann darf kein Wagen in der Werkstatt sein – und das kommt eigentlich nie vor“, berichtet die Tafel-Vorsitzende. Gesucht würden vermehrt Helfende, die bereit seien, einen der Transporter zu fahren.

Aktuell engagieren sich rund 110 Ehrenamtler bei der Kölner Tafel. Einer ist Jürgen Geßner, der die Lebensmittelausgabe der Evangelischen Freikirche in Ostheim koordiniert. „Woche für Woche kommen mehr Geflüchtete, aber auch Kölner, die wegen der hohen Lebensmittelpreise an ihre finanziellen Grenzen kommen“, sagt Geßner. An diesem Nachmittag verteilt er 90 Ausgabenummern vor allem an Alleinerziehende, Großfamilien, Rentner und Geflüchtete. Geduldig warten sie auf dem großen Innenhof der Kirchengemeinde. Alles läuft sehr ruhig und geordnet ab. Neue Kunden weisen beim ersten Besuch Bedürftigkeit nach – etwa über einen Köln-Pass, einen Hartz IV- oder Rentenbescheid oder die Vorlage eines ukrainischen Passes. Etwa 20 neue ukrainische Familien haben sich an diesem Tag neu bei den Ehrenamtlichen registriert.

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„Wir kommen an unsere Grenzen, was Spenden angeht. Aber bisher hat es irgendwie immer noch gereicht, und es musste noch nie einer mit leeren Taschen nach Hause gehen“, sagt Geßner. An diesem Mittwoch haben Geßner und die 16 weiteren Helfenden Glück: Zu den zwei üblichen Transportern kommt ein Sonderwagen. Alle packen mit an, um die Kisten auszuladen. Es gibt viel Salat, Gemüse, Obst, frische Kräuter, sogar Spargel und bunte Sträuße mit Tulpen.

Kunden sind für das Angebot in Köln dankbar

Die Lebensmittel werden in einem großen Zelt auf einer langen Tischreihe aufgestellt. Dahinter stehen Ehrenamtliche und geben die gewünschten Lebensmittel an die Kundinnen und Kunden heraus. Fast wie auf einem Wochenmarkt. Nur gibt es die Waren gratis. Vor dem Zelt stehen Dutzende Einkaufstrolleys in Reih und Glied – bereit, befüllt zu werden. „Spitzenqualität, schön knackig“, sagt eine Frau mit Rollator, als sie die rote Paprika in ihrer Kiste befühlt.

Mona Küppe ist seit zwei Jahren bei der Tafel als Kundin registriert. Seit ihr Mann gestorben ist, komme sie noch schwerer über die Runden: „Alles ist so teuer geworden.“ Die 60-Jährige schwärmt vom Gemeinschaftsgefühl, das bei der Tafel herrsche. „Auch bei Problemen kann man die Ehrenamtlichen um Rat fragen.“ Peter Fassbender ist seit einem halben Jahr Stammkunde, wie er sagt: „Ich bin froh und dankbar, dass es das Angebot gibt und ich so etwas sparen kann.“ Der 59-Jährige lebt von Hartz IV. „Ich komme gern, hier sind viele nette Leute, man kennt sich – das ist wie eine große Familie.“ Auch für die ukrainischen Flüchtlinge sei es „super, dass sie hier unterstützt werden. Die haben ja noch weniger als wir.“ koelner-tafel.de

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