„Capella Clementina“Kölner Domschatzkammer beherbergt besonders prunkvolle Kleider

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Einige der Gewänder aus dem Jahr 1742 sind in der Domschatzkammer ausgestellt.

  • Den Kölner Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
  • Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
  • In dieser Folge geht es um die „Capella Clementina“, die wohl aufwendigste Paramentstickerei, die es gibt.

Köln – Wenn Sie etwas für edle Stoffe und prunkvolle Kleider übrig haben, dann finden Sie mit der „Capella Clementina“ im Untergeschoss der Domschatzkammer das vielleicht Aufwendigste, was es in dieser Hinsicht überhaupt gibt. Dieser Ornat für den Bischof und seine Assistenz, eine Kollektion aus insgesamt 44 Teilen mit liturgischen Gewändern samt Zubehör, wurde von Kurfürstbischof Clemens August (1700 bis 1761) aus der Familie der Wittelsbacher für die Feierlichkeiten zur Kaiserkrönung Karls VII., seines Bruders, am 17. Februar 1742 in Auftrag gegeben und danach dem Dom gestiftet.

Der Kölner Erzbischof zelebrierte die Krönungsmesse und nahm die Salbung des Herrschers vor. Klar, dass Clemens August von Amts wegen, aber auch zu Ehren des Hauses Wittelsbach eine gute Figur abgeben wollte. Dass er gut zu leben und zu repräsentieren wusste, zeigt auch die von ihm errichtete barocke Bischofsresidenz in Brühl.

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Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Zu den Kleidungsstücken der Capella Clementina, von denen die meisten im Depot aufbewahrt werden, gehören glockenförmige Chormäntel (Pluviale), die von Priestern getragenen Kaseln und die Dalmatiken der Diakone. Allein von diesen hemdartigen Tuniken gibt es zwölf Stück. Mit den insgesamt fünf Mitren, den Bischofsmützen, der Capella Clementina hat es eine besondere Bewandtnis. Eine davon hatte Clemens August während der Krönungsmesse auf. Die anderen vier wurden ihm vorangetragen – als Symbol dafür, dass Clemens August nicht nur Bischof in Köln war, sondern zugleich auch noch in vier weiteren Bistümern – eine einzigartige Ämterfülle. Man stelle sich vor, Kardinal Rainer Woelki wäre heute nicht nur für Köln zuständig, sondern darüber hinaus für Münster, Paderborn, Osnabrück und Hildesheim.

87 Sticker arbeiteten im Akkord

Früher hatte man angenommen, Clemens August habe die Paramente aus Lyon kommen lassen, der Seidenstadt Frankreichs. Dann aber machte sich die Kunsthistorikerin Dela von Boeselager daran, die Geschichte der Capella Clementina akribisch zu erforschen. Sie fand heraus, dass der Auftrag an Pariser Handwerker gegangen war. In den Quellen ist von 87 Stickern die Rede, die unter Hochdruck arbeiten mussten, um die Arbeiten in den wenigen Monaten fertigzustellen, die bis zu den Feierlichkeiten blieben. Merke: Sticken war im 18. Jahrhundert ein Männerberuf.

Der Grundstoff aller Paramente ist gewebtes Silber, bestickt mit Goldfäden. Diese bestehen aus der „Seele“, einem hauchdünnen Draht, der mit Gold umwickelt ist. Das Silber ist mit der Zeit angelaufen, so dass die Paramente heute eher grau wirken. In der Entstehungszeit müssen sie in einem leuchtenden Silberton erstrahlt sein. Wenn man den Überhang der Chormäntel hochschlägt, kann man das an den darunterliegenden Stoffpartien noch erahnen.

Bemerkenswert sind die Stickereien. Achten Sie zum Beispiel bei dem für Clemens August persönlich bestimmten Chormantel auf das Lamm Gottes, das gefesselt auf dem Kreuzbalken und dem Buch der Apokalypse mit den sieben Siegeln liegt. Es erinnert zwar, wie ich gelegentlich spotte, an die Maus aus der gleichnamigen Kindersendung der ARD. Aber das kann mitnichten darüber hinwegtäuschen, dass es an Paramentenstickerei aus dem 18. Jahrhundert kaum etwas Schöneres und Prunkvolleres gibt als eben die Capella Clementina.

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Bei den Kunsthistorikern ist sie durch Dela von Boeselagers Forschungen im Rang noch weiter nach oben gerückt, weil sich der Ornat als das einzige noch vorhandene Ensemble aus den Pariser Werkstätten erwies. Was die Franzosen selber gehabt hatten, vernichteten sie im Zuge der Französischen Revolution. In der vollständig erhaltenen Capella Clementina fehlt in den Beständen der Domschatzkammer einzig der zugehörige Thronsessel des Kurfürstbischofs. Er steht in Aachen. Dafür befindet sich der Stab des ersten Aachener Bischofs, Marc Antoine Berdolet (1740 bis 1809), im Kölner Bestand. Das brachte den früheren Dompropst Norbert Feldhoff auf die Idee, den Aachenern einen Tausch anzubieten: Euren Stab gegen unseren Thron. Doch die Aachener wollten darauf nicht eingehen.

Liturgische Kleiderständer

Im Gottesdienst benutzt wurde die Capella Clementina übrigens bis in die Neuzeit. Der frühere Essener Bischof Hubert Luthe (1927 bis 2014), der vormals Geheimsekretär von Kardinal Josef Frings gewesen war, hat mir einmal erzählt, dass der schmächtige Frings immer schier in die Knie gegangen sei, wenn ihm der irrsinnig schwere Chormantel mit seinem Gewicht von mehr als zehn Kilo umgehängt wurde.

Die Diakonsgewänder wurden sogar bis vor wenigen Jahren noch zur Fronleichnamsprozession getragen. Dafür wurden dann immer die jeweils stärksten Kandidaten aus dem Priesterseminar als liturgische Kleiderständer ausgesucht. Nachdem eine der Prozessionen Anfang der 2000er Jahre in einen Sturzregen geraten war, verbot der damalige Domdechant Johannes Bastgen, dass die wertvollen Museumsstücke aus der Capella Clementina weiter eingesetzt würden.

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Vom liturgischen Einsatz einzelner Teile des Domschatzes habe ich Ihnen schon in einer „Domgeschichte“ über die Prunkmonstranz erzählt. Kardinal Joachim Meisner (1933 bis 2017) etwa pflegte – wie seine Vorgänger auch – an Allerheiligen das edelsteinbesetzte Brustkreuz zu tragen, das in einer Vitrine gleich neben der Capella Clementina zu sehen ist. Es soll mitsamt dem zugehörigen Bischofsring ein Geschenk der österreichischen Kaiserin Maria Theresia an einen Abt des Klosters Corvey gewesen sein. Auf Umwegen kamen die Stücke in preußischen Besitz und von dort 1826 als Schenkung König Friedrich Wilhelms III. an den Dom.

Was beim Herumlaufen mit solch unersetzlichen Pretiosen passieren kann, mag man sich ja gar nicht ausmalen. Es gibt die schöne Geschichte, wie Kardinal Frings und Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876 bis 1967) beim Schlussgottesdienst des Kölner Katholikentags 1956 im Müngersdorfer Stadion auf der Tribüne saßen und der Kardinal zu Adenauer sagte: „Schauen Sie mal! Habe ich nicht einen schönen Ring?“ Worauf Adenauer entgegnete: „Ja, aber da ist gar kein Stein drin.“ Tatsächlich war der zentrale Saphir herausgefallen, woraufhin sofort Messdiener zum Suchen unter die Tribüne geschickt worden seien. Tatsächlich fanden sie dort den Stein, der glücklicherweise wieder eingesetzt werden konnte.

Aufgezeichnet von Joachim Frank

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