„Corona war auch eine Chance“Kölner Buchhändlerin über Lockdown und Literatur

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Liebt Bücher und ihre Kundschaft: Gaby Schäfers.

Liebt Bücher und ihre Kundschaft: Gaby Schäfers.

Köln – Sind Bücher Güter des täglichen Bedarfs? Eine Frage, die Kölner Buchhändler zuletzt doch sehr beschäftigt hat. Denn während im Umland die Buchläden öffnen durften, galten für das als sehr buchaffin geltende Köln strengere Regeln: Verkauf nur nach Bestellung an der Tür. „Unsere Kunden haben uns das Gott sei Dank nicht übel genommen. Aber das ständige Hü und Hott war nervig“, sagt Gaby Schäfers, deren Buchhandlung am Reichenspergerplatz, im Schatten des Oberlandesgerichts, sich auf Jura und Belletristik spezialisiert hat. Warum darf der Kunde vor Weihnachten in Berlin Bücher kaufen, aber in Köln nicht? Nachvollziehbar sei das nicht.

Aber Ärgern will sie sich darüber auch nicht, „denn dann kann ich nicht mehr gut Bücher verkaufen, nicht mehr gut arbeiten.“ Sie freut sich über die Solidarität ihrer Kundschaft und versucht, der Pandemie Gutes abzugewinnen. „Wir haben neue Kunden dazu gewonnen und unsere Stammkunden noch einmal anders kennengelernt.“ Noch persönlicher sei das Verhältnis geworden, zugewandter. „Corona war auch eine Chance für den unabhängigen Buchhandel.“ Man habe einfach weiter gearbeitet. „Wir hatten geschlossen geöffnet.“ Telefonberatung, Rundmails, Bring-Service bis an die Haustür. „Mein Sohn hat auf dem Fahrrad Bücher bis Rodenkirchen gefahren.“

Kooperation mit lit.Cologne

Die Solidarität der Kunden wollen die kleinen Buchhandlungen jetzt weitergeben an die große lit.Cologne , eines der bedeutendsten Literaturfestivals des Kontinents, und ebenfalls von der Pandemie gebeutelt. Nach dem Ausstieg der Thalia-Kette als Sponsor suchten die Festivalmacher neue Partner im Handel. Fündig wurde man vor der Haustür, bei der lokalen Klientel. „Ich finde es prima, dass wir da mitmachen können“, sagt Gaby Schäfers begeistert, auch wenn der konkrete Nutzen für Sie frühestens im Herbst greift, denn „eigentlich würden wir jetzt Büchertische bei Lesungen machen.“ Aber die lit.Cologne findet aktuell nur digital statt.

Von „Kölns bedeutendstem Literaturevent“ habe man schon immer profitiert, sagt Schäfers: „Das belebt die Kölner Literaturlandschaft, befördert den Austausch. Die Bücher, die da vorgestellt werden, haben wir immer im Laden, und viele Stammkunden gehen zum Festival, kaufen die Bücher aber hier.“ Das Publikum hier sei offen und neugierig, gehe gerne auf Veranstaltungen. Sie selbst ist bekennender Festival-Fan, mag das Konzept: Lesung kombiniert mit moderierten Gesprächen und vor allem professionellen Vorlesern. „Es gibt Autorinnen und Autoren, die besser nicht selber lesen“, sagt sie grinsend. „John Irving und und Gerd Köster – das war brillant. Ein perfektes Zusammenspiel. Köster liest großartig und John Irving hat netterweise so ein Englisch gesprochen, dass einfach jeder verstehen konnte.“ Auch Margaret Atwood hat sie live beeindruckt.

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Und dieses Jahr? „Digital ist besser als gar nicht. Und wir sind seit einem Jahr so daran gewöhnt, dass es fast schon normal ist. Wir sehnen uns natürlich danach zurück, wieder Menschen vor uns zu haben, direkt zu interagieren, uns anfassen können. Aber über Bildschirm geht auch.“ Sie habe zuletzt einen Stream mit Benedict Wells gesehen. „Das war so herzlich und so nah. Super. “ Schäfers habe das im Laden geguckt, „und ich habe gedacht, ich habe Herrn Wells hier bei mir. Das ersetzt das andere nicht, aber es ist schön, dass zumindest das geht.“

Aktuell freut Gaby Schäfers sich auf T.C. Boyle. Die Veranstaltung war zwar schon, aber da die Streams länger verfügbar sind, könne man das nachholen, wenn Zeit sei. „Das ist cool, das geht nur digital. Man kann an mehr Veranstaltungen teilnehmen als sonst.“ Boyle sei über viele Jahre immer für Überraschungen gut und mittlerweile sogar als Schullektüre im Englisch-Unterricht etabliert.

Für diesen Montag, wenn endlich auch die Buchläden in Köln wieder aufmachen dürfen, erwartet sie „glückliche Kunden“ und freut sich, wieder mehr empfehlend tätig sein zu können. „Ich kann die Bücher, für die man brennt, wieder an die Frau, an den Mann bringen. Das funktioniert an der Tür nicht immer ganz so.“ Darüber wird sich auch Helga Schubert freuen, denn deren Roman „Vom Aufstehen“ ist Schäfers aktuelles Lieblingsbuch. „Sehr, sehr beeindruckend“, gerät die Buchhändlerin ins Schwärmen, und das Gespräch wird zum sehr sympathischen Verkaufsgespräch – ich werde mir das Buch jetzt besorgen.

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