„Das ist ein enormer Kraftakt“Chefarzt Henning Ruff über die Folgen der Corona-Krise

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Henning Ruff, Chefarzt des psychiatrischen Krankenhauses der Alexianer-Köln, über Langzeit-Folgen der Corona-Pandemie.

Henning Ruff, Chefarzt des psychiatrischen Krankenhauses der Alexianer-Köln, über Langzeit-Folgen der Corona-Pandemie.

Köln – Henning Ruff ist seit einem guten Jahr Chefarzt des Alexianer-Krankenhauses in Porz. Der 48-Jährige trat am 1. Dezember 2019 die Nachfolge von Dr. Manfred Lütz an, der das Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie 22 Jahre leitete. Ruff kam 2017 als Leitender Oberarzt an die Klinik, der Wechsel auf den Chefsessel war ein sanfter Übergang. Im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger blickt Ruff auf seine ersten zwölf Monate als Chefarzt zurück. Wenig überraschend: Es war ein Jahr, in dem die Corona-Pandemie eine entscheidende Rolle spielte. Sogar im Gebäudemanagement.

Verzeihen Sie die Frage: Aber ist das wirklich Ihr Büro? Kein einziges Bild hängt an der Wand. Der Schreibtisch ist völlig leer. Nirgendwo ist ein Buch, eine Zeitschrift oder eine Akte zu sehen. Hier arbeitet doch niemand, schon gar ein Chefarzt.

Henning Ruff: Stimmt. Die letzten Monate waren so turbulent, dass es mir in der Tat nicht gelungen ist, umzuziehen. Ich sitze noch in meinem früheren Büro. Das Corona-Virus und der Umgang damit beeinflusst unsere Arbeit spätestens seit März massiv. Das ist ein enormer Kraftakt für das gesamte Team. Und die Belastung hält ja an. Da blieb bislang keine Zeit, sich Gedanken übers Kistenpacken zu machen. Aber vielleicht bringe ich demnächst schon mal eine Stehlampe rüber.

Wie stark tangiert Corona Sie und Ihre Mitarbeiter?

Ruff: Wir mussten rasch zu Spezialisten für diese neuartige Infektionskrankheit werden, das ist ein Gebiet, mit dem wir uns üblicherweise nicht so sehr beschäftigen. Es geht um die Frage, wie Menschen mit psychischen Erkrankungen behandelt werden können bei gleichzeitiger Einhaltung aller Coronaregeln.

Gilt das nicht für alle Kliniken und deren Patienten?

Ruff: Sicher, aber im Alexianer-Krankenhaus kommen besondere Dinge zusätzlich zum Tragen. Nehmen wir zum Beispiel die Ausgangsregeln. Ein Patient, der stationär im Krankenhaus liegt, verlässt dieses während der Behandlung üblicherweise nicht. Bei einer psychischen Erkrankung ist es ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung, dass die Patienten den Kontakt zu ihrem sozialen Umfeld nicht verlieren, gerade bei längeren Aufenthalten. Im Schnitt bleiben die Erkrankten drei Wochen, manche deutlich länger. Es kann wichtig sein, zwischendurch nach Hause zu fahren und dort probeweise zu übernachten. Oder selbstständig Dinge bei einer Behörde zu regeln, um auszuprobieren, ob der Alltag wieder gelingt. Das alles geht während der Pandemie nicht. Wir müssen jeden einzelnen Baustein immer wieder neu auf den Prüfstand stellen und entscheiden, was gerade möglich ist und was nicht. Das kann Fragen zu den notwendigen Therapien und zu den gemeinsamen Mahlzeiten betreffen. Es geht um die Sicherheit der Patienten und Mitarbeiter und die Erfüllung unseres Versorgungsauftrages. Beides muss gewährleistet sein.

Zur Person

Chefarzt Henning Ruff ist Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie mit der Zusatzbezeichung: suchtmedizinische Grundversorgung. Das Alexianer-Krankenhaus in Porz-Ensen ist ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie; Einzugsgebiet ist der Kölner Süden. Henning Ruff wurde in White Plains im US-Bundesstaat New York geboren. Mit zwei Jahren kam er mit seiner Familie nach Remscheid, wo er aufgewachsen ist.

Er hat an der Ruhruniversität Bochum Medizin studiert und danach seine neurologische und psychiatrische Ausbildung in der Neurologischen Universitätsklinik des Knappschaftskrankenhauses Bochum und in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Martin-Luther-Krankenhauses in Bochum-Wattenscheid absolviert. Dort arbeitete er vor seinem Wechsel nach Köln fünf Jahre lang als Oberarzt. Der Vater einer 16 Jahre alten Tochter und eines zwölf Jahre alten Sohnes ist in seiner Freizeit ein begeisterter Langstreckenläufer. (mos)

Was bringt 2021 für das Alexianer-Krankenhaus - außer immer noch Corona und die Stehlampe fürs Büro?

Ruff: Gleich im Januar sollen die Baumaschinen rollen. Ein Anbau aus den 1960er Jahren, damals der modernste Gebäudetrakt auf dem Gelände, ist nicht mehr zeitgemäß und wird ersetzt. Zunächst wird der ganze Flügel abgerissen, das wird voraussichtlich ein paar Monate dauern. Neu entstehen wird ein mehrstöckiges Gebäude, das drei Stationen, unter anderem die Akutstation, beherbergen wird. Darauf freue ich mich sehr, obwohl es wohl drei Jahre dauert, ehe der Neubau fertig ist. In Rodenkirchen sind wir weiter. Ab Mitte Januar werden wir eine zweite Tagesklinik mit zwölf zusätzlichen Behandlungsplätzen in der Brückenstraße eröffnen. Derzeit haben wir insgesamt 39 teilstationäre Plätze in den Tageskliniken in Rodenkirchen und in Porz. Im Alexianer-Krankenhaus haben wir zudem 150 stationäre Plätze, verteilt auf neun Stationen.

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Wie steht es mit den Plänen für ein medizinisches Zentrum für Erwachsenene mit Behinderung? Das ist ja schon seit geraumer Zeit im Gespräch.

Ruff: Richtig, das Konzept und der Antrag für das Zentrum stammen aus einer Zeit, da war ich noch gar nicht in Köln. Klar ist, dass dieses MZEB nach Porz kommt. In welches Gebäude steht noch nicht fest. Wir warten aktuell auf die Genehmigung für das Zentrum. Genauer gesagt, auf deren Umschreibung, denn sie war ursprünglich an die Person von Dr. Lütz gebunden. Die muss auf die Oberärztin Dr. Brit Nolden übertragen werden. Die Kollegin ist Fachärztin für Neurologie und Rehabilitationsmedizin. Ich rechne damit, dass das MZEB im nächsten Jahr an den Start geht. Sich um Menschen mit Behinderung zu kümmern, ist seit jeher ein Schwerpunkt in der Arbeit der Alexianer-Brüdergemeinschaft. Dabei wird der Wert der Arbeit sehr hoch geschätzt.

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