„Ein Skandal“Trotz viel häuslicher Gewalt wird Kölner Täterprojekt eingestellt

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(Symbolbild)

  • Häusliche Gewalt ist ein großes Thema. Es sei nachgewiesen, dass sich sexualpräventive Maßnahmen positiv auswirken, so Sozialpolitiker Jörg Detjen von den Linken.
  • Trotzdem lässt die Arbeiterwohlfahrt (Awo) ihr Täterprojekt jetzt ruhen – möglicherweise wird es sogar eingestellt.
  • Wir haben mit dem Verband über die Gründe gesprochen.

Köln – Täglich werden in Köln drei bis vier Frauen Opfer von häuslicher Gewalt. 1347 Fälle wurden den Interventionsstellen von Diakonie und Sozialdienst katholischer Frauen 2018 bekannt – die Dunkelziffer dürfte viel höher liegen.

Ganz überwiegend sind es Männer, die zuschlagen, heißt es in einem Bericht der Verwaltung an den Sozialausschuss des Stadtrats. Sozialpolitiker Jörg Detjen (Linke) fordert nun, das Angebot an sexualpräventiven Maßnahmen auszubauen. „Die Arbeit mit den Tätern ist ein gutes Mittel, um männliche Gewalt zu reduzieren, denn die Zahl der Wiederholungstäter nimmt kontinuierlich ab und hat sich gegenüber 2014 halbiert“, so Detjen.

Awo-Programm ruht

Doch das Gegenteil bahnt sich an: Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) lässt ihr Projekt „Täterarbeit bei Partnerschaftsgewalt als Mittel der Gewaltprävention“ ruhen. Möglicherweise wird es sogar eingestellt. Der Verband begründet den Schritt damit, dass das Projekt einerseits von der Landesregierung nicht ausreichend finanziert werde, und zum anderen, dass die Staatsanwaltschaft der Awo nicht genügend Klienten überweise.

Im ersten Halbjahr seien es gerade einmal 13 Männer gewesen, 2017 waren es immerhin noch 62 Klienten, sagt Anja Steingen, Diplom-Psychologin bei der Awo. Dies sei nicht ausreichend, um professionelle Strukturen aufrechtzuerhalten. „Das ist ein Skandal“, sagt Steingen.

Überlastete Staatsanwaltschaft

Die Zahlen seien vor allem ernüchternd, weil Staatsanwaltschaften in anderen Kommunen mehr Männer an entsprechende Einrichtungen überwiesen. In der kleinen Stadt Wülfrath in der Nähe von Wuppertal etwa wurden 47 Männer überwiesen, auch in Düsseldorf seien es mehr. Klaus-Peter Völlmecke, stellvertretender Leiter des Jugendamts, macht zwei Gründe für den Rückgang aus: Zum einen seien die Aussagen der Opfer in Ermittlungsverfahren oft unzureichend, zum anderen sei die Staatsanwaltschaft überlastet. Das habe auch für die Urteile Folgen: Laut Stadt werden 90 Prozent der Verfahren gegen Angeklagte im Bereich der häuslichen Gewalt eingestellt.

Awo-Geschäftsführerin Ulli Volland-Dörmann kritisierte in einem Brief an die Staatsanwaltschaft, dass die „Macht der Täter und ihr Gewaltverhalten verstärkt“ würden, stelle man die meisten Fälle ein. „An die betroffenen Frauen und Kinder ergeht das deutliche Signal, dass ihr Leid gesellschaftlich nicht auf Interesse stößt und sie die notwendige justizielle Unterstützung nicht erfahren.“ Es müsse deshalb festgehalten werden, dass „trotz der vorhandenen gesetzlichen Grundlagen zur Sanktionierung häuslicher Gewalt und zur Weisung von Tätern in Täterarbeitsprogramme davon in Köln kaum Gebrauch gemacht wird, mit fatalen Folgen für die Opfer“, heißt es in dem Schreiben weiter. Awo-Mitarbeiterin Steingen fordert, dass die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft entlastet werden. Die Staatsanwaltschaft konnte bislang für eine Stellungnahme nicht erreicht werden.

Täterprojekte sind unterfinanziert

Auch bei der Finanzierung müsse nachgebessert werden, verlangt die Awo. Sämtliche Täterprojekte im Bereich häuslicher Gewalt seien unterfinanziert. Während Rheinland-Pfalz mit vier Millionen Einwohnern 630000 Euro zur Verfügung stelle, seien es in NRW mit 18 Millionen Einwohnern mit 680000 Euro kaum mehr. Von einst 23 Einrichtungen im Land, die mit Tätern arbeiteten, würden 2020 vermutlich nur sechs weitermachen können. „Das größte Problem sind aber die Fallpauschalen“, sagt Steingen. Diese seien zu niedrig kalkuliert: 80 Euro gebe es pro Termin, 150 Euro pro Gruppentermin. „Kommt der Täter nicht, gibt es nichts.“

Problematisch sei zudem, dass die Täter ihre Behandlung selbst zahlen müssten, heißt es weiter im Brief der AWO an die Staatsanwaltschaft. Dies sei rechtlich nicht gedeckt. „Den Tätern entstehen zudem dadurch in der Regel höhere Kosten, als dies bei einer Geldstrafe der Fall wäre, was ihre Motivation mindern dürfte, sich zusätzlich kritisch mit ihrem Verhalten auseinanderzusetzen.“

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Laut einer Studie würden unter günstigen Bedingungen wie etwa einer Betreuung von mindestens sechs Monaten 80 Prozent der Männer nicht mehr rückfällig, sagte Steingen.

Die Kölner Sozialpolitiker reagierten erstaunt auf die Awo-Ankündigung: „Ich bin auch nicht glücklich mit der Entwicklung“, so der Vorsitzende des Sozialausschusses, Michael Paetzold (SPD). Jörg Detjen (Linke) sagt: „Diese Kurse laufen gerade leer, weil die Gerichte die Täter nicht mehr in die Kurse überweisen. Das sei zu viel Arbeit. Das ist repressiv. Darunter leiden die Opfer und die Täter.“

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