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„Das war ein Hilferuf“Verfahren gegen Kölner Ex-Reichsbürger eingestellt

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reichsbürger ausweis

Ein Heft mit dem Aufdruck "Deutsches Reich Reisepass" (Symbolbild)

Köln – Für einen Prozess um Unterhaltsentzug besondere Sicherheitsvorkehrungen anzuordnen, ist außergewöhnlich. So war es am Montag im Amtsgericht. Denn vom Angeklagten war bekannt, dass er der Reichsbürgerszene angehört hatte. Reichsbürger lehnen die Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik und deren Rechtsordnung ab.

Gehofft, die Ehe zu retten

Zur Last gelegt wurde Udo K. (53, Name geändert), sich von März 2015 bis September 2016 der Verpflichtung entzogen zu haben, seiner kleinen Tochter 225 Euro Unterhalt zu zahlen und seiner Frau im Trennungsfall 495 Euro. Festgeschrieben war die Pflicht in einer notariellen Urkunde. Der Lebensunterhalt der Frau und des Kindes „wäre ohne die Hilfe anderer gefährdet gewesen“, warf der Staatsanwalt Udo K. vor. Dass er nicht gezahlt hatte, räumte der Angeklagte ein.

Sein Verteidiger machte zweierlei geltend. Zum einen sei die Urkunde aus Sicht seines Mandanten „unwirksam“, weil sie ihm „durch Täuschung abgetrotzt“ worden sei. Seine Frau habe ihm suggeriert, wenn er sie unterschreibe, könne das Kind bei ihm wohnen bleiben; zudem habe er gehofft, die Ehe sei zu retten. Zum anderen sei Udo K. nicht in der Lage gewesen, das Geld zu zahlen.

Für seine Firma, als deren Geschäftsführer er nur 600 Euro monatlich verdient habe, habe er nach hohen Steuernachforderungen des Finanzamts Insolvenz beantragen müssen, sein Haus sei unter den Hammer gekommen, und für lange Zeit sei er schwer erkrankt. Im Übrigen stamme die Frau aus „gutem Elternhaus“; es könne keine Rede davon sein, dass ihr Lebensunterhalt und der des gemeinsamen Kindes „gefährdet“ gewesen sei.

Staatsanwalt vermutet Depression

Der Amtsrichter verwies auf Kontoauszüge, aus denen hervorgehe, dass Udo K. immer wieder Einkünfte gehabt habe. Dem hielt der Rechtsanwalt entgegen, das Geld sei sofort mit Schulden verrechnet und gepfändet worden. Udo K. habe „von der Hand in den Mund gelebt“. Der Angeklagte sagte, er sei psychisch so angeschlagen gewesen, dass er beim Notar blindlings gehandelt habe: „Ich bin da rein, habe unterschrieben und bin wieder raus.“ Der Zustand erkläre auch, warum sein Mandant, der Halt gesucht habe, „in die Reichsbürgerszene abgerutscht“ sei, erklärte der Verteidiger. Dazu Udo K.: „Das war ein Hilferuf, ich hatte sonst keinen mehr.“ Heute stehe er der Szene fern.

„Er wäre zahlungspflichtig gewesen, wenn er sich angemessen hätte kümmern können“, zeigte der Staatsanwalt Verständnis und vermutete eine Depression: Offenbar habe sich Udo K. aus allen Beziehungen „herausgezogen“ im Gefühl, keiner stehe mehr zu ihm. Diesen Ausnahmezustand gelte es bei allem zu berücksichtigen. Die Parteien einigten sich darauf, das Verfahren einzustellen gegen die Auflage, dass Udo K. an seine Tochter ein Jahr lang monatlich mindestens 200 Euro zahlt.

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